An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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Bericht zur 2. Veranstaltung in der Reihe „Klüger wirtschaften“

15. 01. 2013

Mit Prof. Dr. Dr. h. c. Joachim Starbatty und Prof. Dr. Max Otte saßen am 15. Januar 2013 zwei bekannte Ökonomen und Querdenker auf dem Podium im Weltethos-Institut Tübingen. Gemeinsam mit Institutsdirektor Prof. Dr. Claus Dierksmeier und dem Wissenschaftslektor und Philosophen Dr. Bernd Villhauer bildeten sie das „Kritische Quartett“ der zweiten Veranstaltung in der Reihe „Klüger wirtschaften“. Im Beisein von 250 interessierten Gästen wurden Fragen zur Zukunft des Finanzkapitalismus vor dem Hintergrund der Finanzkrise diskutiert – etwa 80 weitere Besucher mussten wegen Überfüllung leider abgewiesen werden.



Kritisches Quartett, Foto: WEIT

Zur Einleitung der von Dr. Christopher Gohl moderierten Veranstaltung empfahl Prof. Dierksmeier den Diskutanten, stets zwischen Verstand und Vernunft zu unterscheiden. Technischer Verstand könne auch im Dienst der Unvernunft stehen. Der Finanzkapitalismus leide nicht unter einem Defizit technischen Verstandes, sondern ihm fehle offenbar die sittliche Vernunft. Diesen Unterschied deutlich zu machen, sei eine Aufgabe des Weltethos-Instituts und ein Ziel der Veranstaltungsreihe „Klüger wirtschaften.“

Dr. Bernd Villhauer stellte anschließend die beiden Gäste vor. Wichtig sei ihm bei der Zusammenstellung der Diskutanten Starbatty und Otte gewesen, zwei politisch denkende Ökonomen an einen Tisch zu holen. Er würdigte zunächst Prof. Max Otte, der sich mit seinem Buch „Der Crash kommt“, in dem er schon 2006 vor einer Krise der Finanzbranche warnte, als hellsichtiger Kritiker erwiesen hatte. Anschließend stellte er Prof. Starbatty vor, obwohl die Übung, Starbatty in Tübingen vorzustellen, vergleichbar damit sei, „Euros nach Athen zu tragen.“

Dann war es an Prof. Starbatty, Werk und Wirken von Prof. Otte vorzustellen und zu würdigen. Dafür griff er wesentliche Punkte der Übereinstimmung zwischen Otte und ihm heraus. So kritisierte er das kurzfristige Renditedenken vieler Ökonomen, stellte das Bonussystem für Manager in Frage und forderte, dass auch Manager bei Fehlverhalten oder Versagen zur Kasse gebeten werden sollten. Differenzen lägen aber in der Einschätzung der Rolle des regulierenden Staates und in der Frage nach den Trägern der Schuld in der Finanzkrise. Im Gegensatz zu Otte glaube er nicht an den regulierenden Staat. Und während bei Otte die Rolle der „Schurken bei der Entstehung der Finanzkrise“ der Finanzoligarchie zukomme, sehe er die Zentralbanken als Hauptschurken an, großen Zentralbanken dieser Welt: US-Zentralbank (FED), Bank of Japan (BOJ) und die Europäische Zentralbank (EZB).

Prof. Otte beklagte in seiner Kommentierung der Ausführungen Starbattys eine schleichende Refeudalisierung der Lebensverhältnisse und eine soziale Spaltung der Gesellschaft, die er beobachte. Während eine Minderheit – gerade einmal 0,1 Prozent der Weltbevölkerung – immer reicher werde, würden die normalen Bürgerinnen und Bürger bei der aktuellen Niedrigzinspolitik sukzessive ihrer Sparvermögen beraubt. Und das mit Hilfe der Regierung, die bei der „Umverteilung von unten nach oben“ kräftig mithelfe, so Prof. Max Otte. Er sähe den Staat in der Pflicht, ein Gegengewicht gegen die großen Konzerne zu bilden. Denn die seien es, die sich durch gezielte Lobbyarbeit Gesetze kaufen würden. Er wies aber auch darauf hin, dass dies ein schweres Unterfangen sei.

In der anschließenden Diskussion stellten beide Ökonomen ihre Einigkeit fest, dass auch die Universitäten und die dort unterrichtete Wirtschaftslehre Schuld am Zustand des Finanzwesens hätten. Die über lange Jahre am homo oeconomicus ausgerichteten Finanzmodelle und die Mathematisierung der Volkswirtschaft hätten ihren Teil dazu beigetragen, Eine an Werten orientierte Reflektion ökonomischen Handelns sei rar geworden. Einig waren sich Otte und Starbatty auch, dass weitere Krisen bevorstünden – Starbatty warnte insbesondere vor einer Blase der Staatsanleihen.

Dagegen vertieften die beiden Wirtschaftswissenschaftler in der Diskussion mit den Gästen ihren Dissens in Bezug auf die Regulierung der Finanzmärkte. Prof. Starbatty beklagte die zunehmende Regulierung von Märkten. Es sei falsch zu glauben, dass sich über Regulierungen Krisen vermeiden ließen. Dem widersprach Prof. Otte. Er verwies in dem Zusammenhang auf die Praktiken der sogenannten Schattenbanken – Institute, die nicht der Bankenregulierung unterliegen, aber klassische Bankgeschäfte machten, viele davon hochspekulativ. Das Problem läge in der engen Vernetzung der Schattenbanken mit den regulären Banken, so Otte.

In Zeiten von Hedge-Fonds und komplexen sowie undurchsichtigen Finanzinstrumenten setzt der Wirtschaftsprofessor mit einer Dozentur in Graz auf vernünftige Anleger und auf genossenschaftliche Banken, wobei er deren Breitenwirkung mit historischem Blick skeptisch beurteilte. Dennoch war er hoffnungsvoll: „Wir sind noch wenige, die gegen den Wind kämpfen. Aber irgendwann dreht der Wind.“

Angesichts der eher düsteren Aussichten im Hinblick auf die Zukunft des Finanzmarkts, die an diesem Abend von zwei bedeutenden Ökonomen gezeichnet wurden, erinnerte Institutsdirektor Prof. Claus Dierksmeier an seine Erfahrungen mit der argentinischen Finanzkrise, die er bei einem Forschungsaufenthalt in Buenos Aires 2001selbst mit erlebt hatte: „Alles, was von Menschen gemacht wurde, kann auch wieder von Menschen verändert werden.“ Dabei sei wichtig, Alternativen zum Status Quo durchzudenken – dafür sei das Weltethos-Institut gegründet und die Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen worden. Hoffnung mache die Einsicht: „Denken hilft!“



Ca. 250 Gäste bei der Veranstaltungsreihe “Klüger wirtschaften”, Foto: WEIT

Presseberichte:
www.debatare.de/meinungen/die-nachste-blase-kommt-bestimmt/
Reutlinger Generalanzeiger vom 17. Januar 2013
Schwäbisches Tagblatt vom 17. Januar 2013