Am 10. Februar fand in der altehrwürdigen Aula der Universität Tübingen die feierliche Abschiedsvorlesung von unserem ehemaligen Institutsdirektor, Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Ulrich Hemel, statt. Ungewöhnlich war, dass einer, der sich in den Ruhestand verabschiedet, sich gleichzeitig weiterhin für so viele Großprojekte und Ziele für eine bessere Welt engagiert:
Da wäre zum einen der Globale Bildungsfonds für den der Theologe und Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler bereits namhafte Personen und Institutionen gewinnen konnte; dann der Inclusivity Index – ein Meta-Index für soziale, ökonomisch, ökologisch und ethische Entwicklungen in Ländern, den er am Weltethos-Institut in Kooperation mit einem Think Tank in Lateinamerika auf den Weg gebracht hat; da wäre auch das Engagement für die Ergänzung der Nachhaltigkeitsziele um eine SDG18 für Gute religiöse und weltanschauliche Praxis sowie die Idee für einen internationalen Friedensmarsch, an dem auch Palestinenser*innen und Israelis, Russ*innen und Ukrainer*innen gemeinsam teilnehmen. „Warum soll das nicht denkbar und somit auch realisierbar sein?“, so der ehemalige Manager, dessen Tatkraft allein von seinem Ideenreichtum überboten wird. „Der Überflieger“ lautete der Titel eines Portraits über Hemel, das DIE ZEIT im Jahr 2008 veröffentlichte. Seine Abschiedsvorlesung lässt erahnen, wieso.
Unter dem Titel „Weltethos – eine konkrete Utopie“ stellte der bisherige Institutsdirektor eindrucksvoll dar, dass die aktuellen globalen Krisen und Konflikte zwar herausfordernd sind, jedoch ethisches Handeln und positive Entwicklungen durch konkrete Utopien realisierbar bleiben. Er beschönigt nicht, sondern schöpft Zuversicht aus den Errungenschaften, die viele heutzutage für selbstverständlich halten. Schließlich sei die Abschaffung der Sklaverei oder die Erklärung der Menschenrechte oder die Ächtung der Todesstrafe zu früheren Zeiten auch reine Utopie gewesen. So war sein Vortrag nicht nur eine Reflexion über die drängenden Fragen unserer Zeit, sondern auch ein Appell, an der Vision eines gemeinsamen ethischen Fundaments für die Weltgesellschaft festzuhalten. In den vergangenen sechs Jahren haben sich Ulrich Hemel und das von ihm geleitete Weltethos-Institut dieser Aufgabe gestellt. Und diese Vision von einer Welt, die sich an verbindlichen Werten und Normen ausrichtet, so die Universitätsrektorin, Prof. Dr. Dr. h.c. Dōshisha Karla Pollmann, „hat enorme Bedeutung in einer Zeit, die von Krisen geprägt ist.“
Das zeigte auch die Teilnahme zahlreicher namhafter Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, die Ulrich Hemel zum Abschied die Ehre erweisen wollten, die aber auch je auf ihre Weise und in ihren Funktionen mit der Weltethos-Idee verbunden sind.
Grußworte sprachen neben der Rektorin der Universität Tübingen, Prof. Dr. Karla Pollmann, Prof. Dr. Bernd Engler, Präsident der Stiftung Weltethos, sowie Dr. Philipp Bocks, Vertreter der Karl Schlecht Stiftung, die das Institut an der Universität Tübingen langfristig fördert. Besonders ermutigend: Die Anwesenheit der zahlreichen Weltethos-Ambassadors und Partner*innen des Weltethos-Institut, die sich je auf ihre Weise in ihrem beruflichen Alltag für verbindende Werte einsetzen. Sie haben an dem Institut, das auf Forschung, Lehre und den Bildungstransfer in Wirtschaft und Gesellschaft spezialisiert ist, mit Ulrich Hemels Weltethos Ambassador Programm eine Community gefunden, die wächst.
All dies übergab Ulrich Hemel mit herzlichen Worten und den besten Wünschen für gutes Gelingen an seinen Nachfolger, den Ökonom und Theologen, Prof. Dr. Nils Goldschmidt. Der neue Direktor möchte in diesen volatilen Zeiten die Verbindlichkeit und den Dialog stärken. Es sei sein Anliegen, die Arbeit des Institutes weiterzuführen zu einer „glaubhaften Weltethos-Idee, auf die man sich verlassen kann und die zu verbindlichem, wertebasiertem Handeln motiviere. „Wir müssen im Gespräch bleiben, wenn wir die Welt gestalten wollen. Derzeit verlernen wir im Zeitraffer, was Toleranz und Akzeptanz bedeuten. Hier gegensteuern ist auch Weltethos und weltbürgerliche Verantwortung. In diesen Zeiten, die politisch, ökologisch und technologisch auf der Kippe stehen, braucht es Orte wie das Weltethos-Institut, um den hohlen Phrasen das verbindliche Gespräch und gemeinsam mit der Universität die verantwortliche Forschung entgegenzustellen“, so der neue Institutsdirektor.
Mit rund 150 Gästen bot der Abend neben inspirierenden Redebeiträgen auch Raum für angeregte Gespräche und fachlichen Austausch. Die musikalische Begleitung sowie ein geselliges Beisammensein mit Snacks und Getränken trugen zur feierlichen Atmosphäre bei. Die Abschiedsvorlesung von Professor Hemel war damit nicht nur eine Würdigung seines beeindruckenden Wirkens, sondern auch eine Ermutigung, den Weltethos-Gedanken weiterzutragen und aktiv zu gestalten.
»Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch«, schrieb Friedrich Hölderin 1802. Und 223 Jahre später, keine 500 Meter von dem Ort entfernt, an dem der berühmte Dichter die zweite Hälfte seines Lebens verbrachte, verstärkt Ulrich Hemel diese Zeilen mit der nachdrücklichen Einladung an alle, „das Rettende“ in Zeiten der Not eben selbst zu sein.














Fotos: Michelle Schulz / Weltethos-Institut
Text: Anna Tomfeah