An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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Anti-CETA- und TTIP-Proteste in Berlin und BW

Campact und Greenpeace gemeinsam
TTIP-Protest-Schriftzug vor SPD-Parteitag- Foto © Gerhard Hofmann, Agentur ZukunftWas ist eigentlich sozialdemokratisch? TTIP und CETA offenbar nicht. Die transatlantischen Handelsabkommen sind in der SPD heftig umstritten: 70 Prozent der SPD-Mitglieder lehnen TTIP in seiner gegenwärtigen Form ab, das ergab eine Forsa-Umfrage im Juli dieses Jahres. Im Gegensatz zu ihrem Parteichef Sigmar Gabriel. Gegen dessen Politik protestierten am 11.12.2015 Campact und Greenpeace-Aktivisten vor und beim SPD-Parteitag in Berlin.

Greenpeace-Aktivisten erinnerten den Vorsitzenden an den Streit in den eigenen Reihen – und das Vermächtnis eines berühmten Vorgängers im Amt: „Demokratie schützen: Willy Brandt würde TTIP stoppen!“, steht auf ihren Bannern am Eingang der Parteitagshalle in Berlin. Während der Begrüßungsrede Gabriels ließen die Aktivisten von der Anti-TTIP-Protest bei Gabriel-Rede - Foto © greenpeaceDecke über der Rednertribüne ein zwei mal vier Meter großes Portrait Willy Brandts mit der gleichen Parole herab.
„Die SPD-Führung kann nicht länger die Basis ignorieren und muss endlich gegen TTIP und CETA Position beziehen“, sagt Christoph Lieven, Greenpeace-Experte für Handel. Wird TTIP umgesetzt, können in Deutschland ansässige ausländische Unternehmen künftig vor Schiedsgerichten gegen Gesetze und deren Umsetzung klagen, durch die sie ihre Investitionen hier im Land gefährdet sehen. „Dieses Abkommen gefährdet unsere Demokratie, weil es Unternehmen zu viel Einfluss an den Parlamenten vorbei gibt“, so Lieven weiter.
Hinter den Handelsabkommen steckt der Wunsch, die Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks anzukurbeln – durch einen ungehinderten Austausch von Waren. Die Mitglieder der Europäischen Union könnten dabei den Kürzeren ziehen. Denn ihre hohen Verbraucherschutzstandards stehen auf dem Spiel: Regelungen zu Gen-Food oder Zusatzstoffen in Kosmetik, die Konsumenten gemeinsam mit Organisationen wie Greenpeace hart erkämpft haben.
Ein paralleles Rechtssystem, das nur Konzernen dient
Auch Gesetze und deren Umsetzung können betroffen sein, wie das Unternehmen Vattenfall zum zweiten Mal zeigt: Absurderweise kann der schwedische Energiekonzern Vattenfall die Bundesrepublik Deutschland vor einem bei der Weltbank in Washington angesiedeltes Schiedsgericht verklagen – weil der deutsche Atomausstieg angeblich seinem Geschäft schade. Bereits 2011 hatte Vattenfall durch ein Schiedsgerichtsverfahren erreicht, dass die wasserrechtliche Genehmigung für das Kohlkraftwerk Moorburg zu Gunsten Vattenfalls und zu Lasten der Umwelt verändert wurde.
Der Widerstand gegen die Schiedsgerichte ist groß, doch die jüngste Alternative der Europäischen Kommission klingt kaum besser. Sie schlägt ein Investitionsgericht vor, das im Kern aber auf das Gleiche hinausläuft: Es soll exklusiv für TTIP ein paralleles Rechtssystem geschaffen werden, das nur den Interessen der Konzerne dient. Das EU-Parlament hat diesen Vorschlag zwar befürwortet, die SPD-Basis aber nicht.
In CETA, dem fertig verhandelten Abkommen mit Kanada, sind die Schiedsgerichte weiterhin in der alten Form enthalten. „Sigmar Gabriel macht einen Spagat, wenn er einerseits private Schiedsgerichte ablehnt und andererseits einen CETA-Vertrag ratifizieren möchte, der diese privaten Schiedsgerichte enthält“, so Lieven. Das Abkommen soll in den kommenden Monaten dem EU-Rat und dem Europäischen Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden. Wie Willy Brandt wählen würde, steht bei den Greenpeace-Aktivisten vor dem Parteitag außer Frage.
TTIP-Umfrage: Mehrheit in Baden-Württemberg erwartet von Landesregierung Ablehnung von TTIP im Bundesrat
46% halten TTIP für eine “schlechte Sache für Deutschland”

TTIP-Protest vor SPD-Parteitag - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur ZukunftProtest vor dem SPD-Bundesparteitag in Bertlin – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Eine absolute Mehrheit (55%) in Baden-Württemberg erwartet von ihrer Landesregierung, dem umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP im Bundesrat nicht zuzustimmen. Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen TNS Emnid-Umfrage im Auftrag der Bürgerbewegung Campact. 39 Prozent befürworten dabei eine Ablehnung, 16 Prozent sind für eine Enthaltung, und nur 25 Prozent für eine Zustimmung.
Beim Grünen-Parteitags in Reutlingen wird auch um die Positionierung der Partei zu den Abkommen TTIP und CETA gerungen. Der Bundesrat wird die Abkommen ratifizieren müssen. Die Grünen in Hamburg, Bremen und Rheinland-Pfalz haben in Beschlüssen bereits eine Zustimmung zum bereits fertig verhandelten CETA-Abkommen ausgeschlossen.
Die TTIP-Kritiker in der Partei werden sich von den Umfrageergebnissen bestärkt fühlen: In einer zweiten Fragen hielten 46 Prozent der Befragten TTIP für eine “schlechte Sache für Deutschland”, 30 Prozent für eine gute Sache.
“Die Bürger wollen vor der Wahl wissen: Werden die Grünen in der nächsten Landesregierung TTIP und CETA im Bundesrat die Zustimmung verweigern? Sie haben dafür klares Mandat der Wähler aus Baden-Württemberg”, kommentiert Gerhard Neubauer von Campact.
->Quellen:



Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...