An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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TTIP und CETA durchwinken? Nein!

Von Heribert Schmitz
Es sieht so aus, als ob die Bundesregierung und auch viele Parlamentarier sich entschlossen hätten, CETA und TTIP durchzuwinken. Deshalb hier eine Zusammenfassung von Gründen, warum das nicht sein darf.
Wenn die Abkommen (CETA sowohl als TTIP) dazu dienen würden, die jetzt geltenden Standards (Sozial-, Umwelt-, Verbraucherschutz., Kultur) in Europa und USA zu erhalten und ggfs. weiter auszubauen, um damit auch eine Vorgabe für etwaige globale Standards zu setzen, dann wäre ich ein glühender Verfechter solcher Abkommen.
Leider ist aber trotz aller beruhigenden Beteuerungen der EU-Kommission und auch der Bundesregierung genau das Gegenteil der Fall.
Um das Ganze zu verstehen, muss man die Ausgangslage der Verhandlungen verstehen und die damals von den wesentlichen Lobbygruppen eingebrachten Positionen einbeziehen. Es würde zu weit führen, diese im Einzelnen zu erläutern. Ihnen liegen diese Ausgangspositionen ja sicherlich vor.
Die Ausgangslage der Verhandlungen war, dass man die gegenseitigen Standards akzeptiert. Es ist also nicht falsch, wenn die Bundesregierung behauptet, dass unsere Standards nicht gesenkt würden. Dies ist jedoch nur eine Momentaufnahme. Im Wettbewerb bedeutet ein solch gegenseitiges Anerkennen der Standards, dass sich letztendlich die niedrigsten Standards durchsetzen. Das ist das Prinzip der freien Marktwirtschaft.
Es war eindeutiges Ziel aller Lobbygruppen, die Abkommen dazu zu benutzen, die Standards zu senken, im Minimum auf die jeweiligen Standards der anderen Seite. Durch den Wettbewerb würden die Staaten aber dann gezwungen, die Standards jeweils auf die im Wettbewerb günstigsten Niveaus zu senken. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Unternehmenssteuern, die in den vergangenen Jahren aufgrund des Wettbewerbsdrucks immer weiter gesenkt wurden. Ich erinnere hier nur an die erst jüngst gemachte Aussage der sog. Wirtschaftsweisen, die mit dem Hinweis auf günstigere Steuern in Entwicklungsländern der Bundesregierung empfehlen, die Steuern zu senken. Welcher Hohn, aber so funktioniert das halt.
Wenn man jetzt berücksichtigt, wie viele unterschiedliche Standards es allein in Europa zum Thema Sozialstandards, Umweltstandards. Verbraucherschutz, Steuern usw. gibt, wird deutlich, wohin das Ganze zwangsläufig führt. Hinzu kommt das strittige Investitionsschutzabkommen, das eine Paralleljustiz etabliert, die allen Investoren die Sicherheit gibt, dass es in Zukunft keine Gesetze geben wird, die einen negativen Einfluss auf die Gewinne haben. Für etwaige geringere Gewinne wären die Staaten schadenersatzpflichtig.
Dies ist keine Theorie, sondern Praxis: Weltweit werden Staaten bereits von Unternehmen verklagt. (Siehe hierzu einschlägig bekannte Fälle, ich möchte hier nur an einige Beispiele erinnern z.B. wurde die Bundesrepublik von Vattenfall wg. des Atomausstiegs, der ägyptische Staat wg. der Einführung von Mindestlohn, Australien wg. des Verbots von Tabakwerbung verklagt. Es gibt hierzu zig weitere Beispiele). Interessanterweise laufen auch alle diese Verfahren unter strengster Geheimhaltung. So ist es z.B. nicht möglich, die Klage von Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland einzusehen.
Berlin: (hib/HLE) Um die vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall eingereichte Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen des Atomausstiegs geht es in einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (18/3434). Bei der Klage handelt es sich um ein sogenanntes Investor-Schiedsverfahren. Die Bundesregierung soll angeben, wie Vattenfall die Höhe der Klageforderung von 4,675 Milliarden Euro begründet. Die Bundesregierung soll auch mitteilen, ob die von Vattenfall geforderte Verzinsung der Klageforderung angesichts der Niedrigzinsphase gerechtfertigt ist und welche Kosten für Rechtsanwälte und Gutachter bisher anfielen. Gefragt wird weiter, ob auch der Energieversorger E.ON durch einen Erfolg der Klage von Vattenfall Entschädigungszahlungen erhalten würde.
Ein Investitionsschutzabkommen in Kombination mit Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der jeweiligen Standards hätte zur Folge, dass der Staat aber auch Länder und Kommunen keinerlei Gesetze bzw. Verordnungen mehr erlassen könnten, die in irgendeiner Form negativen Einfluss auf die Gewinne von Unternehmen hätten. Hierdurch würde unsere Demokratie zum Papiertiger. Mir ist es schleierhaft, warum unsere Parlamentarier und die Bundesregierung das nicht sehen.
Seinerzeit haben sich die Befürchtungen bezüglich der Wettbewerbssituation in der EU, dass sich die niedrigsten Standards der jeweiligen EU Länder durchsetzen würden, deshalb nicht bestätigt, weil es weiterhin nationale Gesetzgebungen (z.B. Mitbestimmung, Mindestlohn ….) gab, und die EU zum Glück dazu beigetragen hat, die Standards zu halten bzw. sogar anzuheben. Eine solche Institution (EU) wird es zwischen EU und USA nicht geben. Hier wird ausschließlich das freie Spiel der Märkte wirken und mit dem geplanten Investitionsschutzabkommen werden die aktuellen Standards zumindest zementiert (es wird keinen höheren Standards mehr geben, ohne dass die Staaten dafür zahlen); über den freien Markt werden die Standards allerdings nach allen Erfahrungen nach unten gedrückt. Warum z.B. unterstützt die US Finanzindustrie besonders dieses Abkommen, weil sie sich davon versprechen, dass die stärkeren Finanzmarktregulierungen in den USA über ein solches Abkommen wieder aufgeweicht werden können.
Warum werden die sehr negativen Erfahrungen aus dem NAFTA Abkommen für die Regierungen und die Bürger nicht für eine Bewertung herangezogen? Meines Erachtens erliegen deutsche Politiker einer Fehleinschätzung, wenn sie glauben, dass sich die 28 EU Staaten und die USA auch in Zukunft auf höhere Standards (Sozial-, Arbeits-, Umwelt-, Agrar-, Lebensmittel- und Gesundheitsstandards) verständigen können. Das wird letztendlich keine Bedeutung mehr haben, da jede Veränderung in der Gesetzgebung, die zu Mehrkosten für die Unternehmen führen, durch Schadenersatz-Forderungen gegen die Staaten unterlaufen werden.
Die Kombination macht’s: gegenseitige Anerkennung der Standards und gleichzeitig das Investitionsschutzabkommen. Wer weiß, wie freie Marktwirtschaft funktioniert, muss zur Kenntnis nehmen, dass dies zwangsläufig zu einer Reduzierung der Standards auf den jeweils für die Unternehmen günstigsten Level führt, dies wird massiv unterstützt und beschleunigt durch das geplante Investitionsschutzabkommen. Mehrere Lobbygruppen haben bereits klar formuliert, dass sie ein Freihandelsabkommen ohne Investitionsschutz ablehnen. Warum wohl bestehen die Unternehmen auf der Einbeziehung des Investitionsschutzes in den beiden Abkommen? Es ist ja auch interessant zu sehen, dass es erheblichen Widerstand in den USA gegen dieses Abkommen gibt, und zwar aus unterschiedlichen Motiven.
Das Fatale ist, dass ein solches Abkommen auch nicht mehr korrigierbar wäre. Mit einem solchen Abkommen werden nicht nur die Standards zwangsläufig gesenkt sondern hiermit wird auch unsere Demokratie ausgehöhlt. Welche Gesetzesinitiativen im Sinne und Interesse der Bürger und des Allgemeinwohls sind dann überhaupt noch denkbar? Nur noch Gesetze, welche die Unternehmen entweder nichts kosten oder für die Unternehmen positiv sind, bzw. solche, die notwendig werden, um Standards zu senken, damit unsere Unternehmen weiterhin diesem Wettbewerb standhalten können, werden durch unsere Parlamente beschlossen werden können. Dies würde zu einer Aushöhlung und letztendlich Zerstörung unserer bis jetzt gelebten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung führen.
Wollen wir das wirklich?
Noch sind die Details des Abkommens nicht bekannt.. Warum verstehen wir nicht, dass es darauf letztlich überhaupt nicht mehr ankommt? Das Prinzip des Abkommens ist, dass beide Seiten die jeweiligen Standards anerkennen. Da können jetzt bestimmte Punkte verhandelt werden, welche die Bevölkerung beruhigen. Über die Zeit wird der Wettbewerbsdruck dazu führen, dass sich die Standards und Regulierungen durchsetzen werden, die für die Unternehmen niedrigere Kosten bedeuten und damit letztendlich zu De-Facto-Standards werden.
Es wird ja gerne von den Befürwortern das Argument benutzt, dass ein solches Abkommen eine Blaupause für weitere Abkommen z.B. mit China sein sollte und uns dies dann in eine bessere Verhandlungsposition bringen würde. Wie naiv muss man eigentlich sein, um nicht zu sehen, dass wir bei gleicher Anwendung des Prinzips “Anerkennung der jeweiligen Standards“ letztendlich bei den Standards der Chinesen landen würden.
Wenn man das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung von Standards auch auf globale Vereinbarungen z.B. mit China anwendet, dann bedeutet das, dass dann auch deren Standards, die ggfs. stark von unseren bzw., den Standards der USA abweichen, akzeptiert werden müssten. Oder wollen wir dann z.B. den Chinesen erzählen, dass das zwar für das Verhältnis EU und USA gílt aber nicht für das Verhältnis zu China. Wie weltfremd sind wir eigentlich?
Wir alle wissen, dass unser Planet nur überleben kann, wenn wir uns alle bemühen und dafür einsetzen, dass in allen Bereichen (Energie, Rohstoffe, Landwirtschaft) nachhaltig gewirtschaftet wird. Wie wir wissen, werden wir dem bereits heute nicht gerecht, d.h. wir brauchen mehr und konsequente Nachhaltigkeit und nicht weniger. Das bedeutet, dass wir darauf hin arbeiten müssen, dass in Zukunft keine Kosten mehr „externalisiert“ werden dürfen, sondern dass alle Kosten in den jeweiligen Preisen für die Produkte und sonstigen Leistungen enthalten sein müssen und nicht auf die Allgemeinheit bzw. die Umwelt abgewälzt werden dürfen. Die Forschungsgruppe Ethisch Ökologisches Rating an der Frankfurter Goethe-Universität widmet sich genau dieser Fragestellung. Solche Abkommen, wie jetzt geplant, würden diese Anstrengungen nicht nur unterlaufen sondern bei konsequenter Umsetzung sogar geradezu unmöglich machen.
Auch die Argumente, dass solche Freihandelsabkommen zu einer erheblichen Steigerung des Wachstums in Europa und zu Mehrbeschäftigung führen würden, müssen in Relation gesehen werden. Im besten Fall (offizielle Angaben der EU-Kommission) geht man davon aus, dass sich das Volumen über 10 Jahre um 0,5% verbessern könnte, das ist lächerlich, das sind 0,05 % /Jahr. Selbst wenn man das unterstellt -und die Chancen für die einzelnen EU Länder werden sehr unterschiedlich bewertet- lohnt es sich da wirklich, ein solches Abkommen mit derart weitreichenden Folgen abzuschließen?
Warum konzentriert man sich dann nicht auf die offensichtlich positiven Bereiche, wie technische Standards und technische Zulassungsverfahren? Es werden immer Beispiele gebracht, die jedem einleuchten, z.B. die unterschiedlichen Farben der Blinker an Autos oder die unterschiedlichen Farbcodierungen der Leitungen in Kabeln oder die unterschiedlichen Genehmigungsverfahren. Vorausgesetzt die Standards würden dadurch nicht gesenkt, hätte kein Mensch etwas dagegen, wenn diese angepasst würden oder wenn Genehmigungsverfahren beschleunigt würden. Das sind die Interessen unserer mittelständischen Unternehmen, aber darum geht es den global operierenden Konzernen doch gar nicht. Über die wirklich kritischen Fragen werden nur Nebelkerzen gezündet und Beruhigungspillen verabreicht. Wobei natürlich auch fragwürdig ist, ob der „beste Fall“ überhaupt jemals eintritt. So haben sich die bei einem ähnlichen Abkommen zwischen USA, Kanada und Mexiko (das sog. NAFTA Abkommen) Vorhersagen auch nicht erfüllt. Im Gegenteil: in einigen Bereichen hat dies zu erheblichen Verschlechterungen insbesondere in Mexiko geführt.
Dazu kommt die Geheimniskrämerei der EU, die verhindert, dass Fakten und Verhandlungsergebnisse offen gelegt werden. Selbst unseren Parlamentariern ist der Zugang verwehrt. Die amerikanische Verhandlungsseite besteht darauf, dass alle Dokumente und Verhandlungsergebnisse absolut vertraulich behandelt werden.
Die EU-Kommission vertritt den Standpunkt, dass die Abkommen nur von der EU (Kommission und Parlament) geschlossen werden und es keiner Zustimmung der einzelnen Länder und deren Parlamenten bedarf. Wobei auch das allerdings leider keine Sicherheit bringen würde, wenn man sich die für mich nicht nachvollziehbaren Argumente von Teilen der Bundesregierung und Parlamentariern anschaut.
Wenn man jetzt berücksichtigt, dass wir nicht weniger sondern mehr Nachhaltigkeit, mehr Umweltschutz brauchen, dann wird deutlich, dass dieses Abkommen genau in die falsche Richtung geht. Ich arbeite ehrenamtlich in einer Forschungsgruppe „Ethisch Ökologisches Rating“ an der Goethe Universität in Frankfurt mit, die sich intensiv mit Fragen der Nachhaltigkeit und deren Umsetzung befasst. Ein solches Abkommen würde unsere Arbeit der letzten 20 Jahre konterkarieren und unterlaufen.
Bezeichnenderweise hat es die EU-Kommission auch abgelehnt, eine von 250 Nichtregierungsorganisationen beantragte Bürgerinitiative zu registrieren. Will man damit verhindern, dass der Bürgerwille bekannt wird? Hier haben übrigens in weniger als einer Woche bereits mehr als 600.000 europäische Bürger unterschrieben.
Die SPD hat ein kritisches Positionspapier zu TTIP verabschiedet, aber ich muss leider feststellen, dass diese Position anscheinend sehr wackelig ist, wenn man sich jüngste Kommentare von Gabriel zum Thema CETA und TTIP anschaut. Ich kann einfach nicht glauben, dass Gabriel sich von seinen Zusagen gegenüber Partei und Öffentlichkeit so einfach verabschiedet. Das wäre Unglaubwürdigkeit pur.
Ich kann im Gegenteil nur hoffen, dass die Bundesregierung und das deutsche und europäische Parlament die Weitsicht haben, die Abkommen in der jetzigen geplanten Form abzulehnen. Ich fürchte allerdings nach jetzigem Kenntnisstand, dass die EU-Kommission versuchen wird, die Abkommen durchzupauken bzw. soweit Fakten zu schaffen, dass es den nationalen Regierungen und Parlamenten sehr schwer gemacht wird, sich dann noch dagegen zu wehren.
Dabei bin ich glühender Anhänger von Freihandelsabkommen, wenn diese eine nachhaltige Wirtschaft mit höheren Standards im Sozial-, Arbeits-, Umwelt-, Agrar-, Lebensmittel- und Gesundheitsbereich zum Ziel haben um gemeinsam höhere Standards zu entwickeln. In einem solchen Szenario wäre das Argument auch sinnvoll, dass ein solches Abkommen zur Blaupause für weitere Abkommen z.B. mit den BRIC-Staaten dienen könnte. Solange aber das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung der jeweiligen Standards gilt, ist dies reines Wunschdenken.
Abschließend noch ein Wort zu CETA: Ich halte dieses Abkommen in der Tat für mehr als eine Blaupause für TTIP. Sollte TTIP nicht kommen und CETA würde in der jetzigen Form abgeschlossen, wären trotzdem alle negativen Folgen über CETA erreichbar, da alle Unternehmen dann den Weg über das CETA-Abkommen nehmen würden. Interessanterweise hat Herr Karel de Gucht stets jede Änderung an CETA abgelehnt. In einer solchen Situation ist man geradezu gezwungen, die Abkommen abzulehnen.
 
 

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...