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SPD-Konvent brüskiert Hunderttausende Freihandels-Kritiker

BUND: „Votum pro Ceta gefährdet Schutz von Umwelt und Verbrauchern“ – Weizsäcker: „Nur Schadendbegrenzung“

Hubert Weiger, BUND - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur ZukunftDer BUND-Vorsitzende Hubert Weiger zeigte sich enttäuscht über das Votum des SPD-Konvents am 19.09.2016 zugunsten des Freihandelsabkommens Ceta. Damit habe sich eine Mehrheit der Delegierten über den Protest Hunderttausender Kritiker und die ablehnende Haltung großer Teile der SPD-Basis hinweggesetzt. Das Plädoyer des Konvents für nachträgliche Präzisierungen des Ceta-Vertrages werde die negativen Auswirkungen des Abkommens nicht abmildern können. Inakzeptabel sei Ceta vor allem wegen der Sonderklagerechte für Großinvestoren und der Gefährdung von Standards zum Schutz von Umwelt und Verbrauchern.
„Gabriel hat es geschafft, den Konvent mit Versprechungen und Vertröstungen über eventuelle Ceta-Nachbesserungen auf seine Seite zu ziehen. Große Teile der SPD und ihrer Wähler sehen die Freihandelsabkommen kritisch. Hunderttausende demonstrieren gegen Ceta und TTIP und die SPD schafft es nicht, über ihren Schatten zu springen und sich von Ceta zu verabschieden“, sagte Weiger.
Anti-Ceta-TTIP-Demo in München - Foto © Evi NeukumDie Ankündigung, im weiteren parlamentarischen Verfahren noch Änderungen am Ceta-Abkommen durchzusetzen, könne Gabriel nicht wirklich garantieren. „Nickt der EU-Ministerrat Ende der Woche Ceta ab, ist es höchst fraglich, ob sich später noch substantielle Änderungen im Vertragstext realisieren lassen. Das Votum des Konvents, Ceta nicht anzuwenden bevor es einen Konsultationsprozess mit der Zivilgesellschaft gegeben hat, greift zu kurz. Eine vorläufige Anwendung schafft bereits Fakten, ohne dass die nationalen Parlamente darüber abgestimmt haben. Das ist und bleibt undemokratisch“, sagte der BUND-Vorsitzende.
„Sollte Gabriel beim EU-Rat in Bratislava Ceta durchwinken, wird der Protest gegen das fragwürdige Freihandelsabkommen weitergehen. Weder im EU-Parlament noch im Bundestag darf es Mehrheiten für sogenannte Freihandelsabkommen geben, die den Schutz von Umwelt und Verbrauchern gefährden“, sagte Weiger.
Ernst-Ulrich von Weizsäcker: „Nur Schadendbegrenzung“
Ernst-Ulrich von Weizsäcker - Foto @ Gerhard Hofmann, Agentur ZukunftErnst-Ulrich von Weizsäcker, Ko-Chair des Club of Rome und FGEÖR-Unterstützer, hat „erhebliche Zweifel, dass Ceta große wirtschaftlichen Vorteile schaffen wird. Nach den Erfahrungen aus dem nordamerikanischen Nafta-Abkommen kann diese Sorte von Freihandel vielen kleinen und mittleren Unternehmen und der Landwirtschaft schaden, also Sektoren, die alle arbeitsplatz-intensiv sind“. Gewinner seien eher die Großkonzerne. Man müsse Gabriel zwar für seinen erfolgreichen Einsatz in Sachen öffentlich-rechtlicher Investitionsgerichtshof sehr danken. Aber: „Leider taugt das Ergebnis nur zur Schadensbegrenzung“. Denn auch dieser unabhängige Handelsgerichtshof werde sich mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der „gerechten und billigen Behandlung“ von Investoren herumschlagen müssen. Weizsäcker. „Ist das nicht die Einladung an Investoren, Kompensationsforderungen auf den Tisch zu bringen, wenn sie sich benachteiligt fühlen? Die Allgemeinheit soll dann den ‚Schaden‘ für den privaten Investor übernehmen.“ (Nach klimaretter.info)
Das Ergebnis des Parteikonvents kommentiert Stefan Krug, Leiter der Politischen Vertretung von Greenpeace
Greenpeace logo„Die Vorschläge der SPD-Führung sind nichts mehr als eine Beruhigungspille für parteiinterne Kritiker. Die Delegierten sollen mit vagen Formulierungen und frommen Wünschen bei der Stange gehalten werden. So sollen inhaltliche Zusatzerklärungen zu einzelnen Bestimmungen von CETA „möglichst“ noch vor der Abstimmung im Ministerrat „beziehungsweise“ danach stattfinden. Zusatzerklärungen nach Verabschiedung des Vertrages sind jedoch nicht nur von ihrem rechtlichen Status her unklar, sondern lösen die Probleme von CETA nicht.
Die SPD hatte in Wolfsburg Angst vor ihrer eigenen Courage. Die Partei hatte nicht den Mut, zu ihren eigenen Beschlüssen zu stehen, in denen sie klare Bedingungen für Handelsabkommen wie CETA formuliert hat. Weder das EU-Parlament noch der Bundestag können Details des Vertrages nachbessern, wenn ihn der EU-Ministerrat CETA im Oktober verabschiedet hat. Parteichef Gabriel hat heute nur mit Taschenspieler-Tricks eine Niederlage abwehren können, aber er hat damit dem Ansehen der Partei und den Menschen in Europa einen Bärendienst erwiesen.“

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...