TTIP-Verhandlungen: Beim Schutz regionaler Produkte könnte Deutschland Motor sein
Aus dem Medienspiegel des Bundespresseamtes
Frage Grieß: Warum sind die Regeln so lax, dass beim Kölsch z.B. die Gerste nicht in der Nähe des Doms angebaut werden muss? Antwort: Weil wir natürlich hier ganz unterschiedliche Interessen haben, und die Interessen haben sich leider auch in diesem Wirrwarr an Siegeln und Kennzeichnungen in der Europäischen Union durchgesetzt… Trotzdem – für die Verbraucher ist es wichtig, in der globalisierten Welt, auch Lebensmittelwelt, ein bisschen Heimat wiederzufinden und darauf sich eigentlich auch verlassen zu können… Hier hätte die Europäische Union guten Grund nachzubessern, und Deutschland könnte hier ein Motor sein…
Antwort Müller: Es gibt (bei TTIP) zwei unterschiedliche Dinge, die man trennen muss. Das Eine ist: Wenn das Freihandelsabkommen kommt, gibt es gerade einen Bedarf an mehr Orientierung, an mehr Verlässlichkeit. Das heißt, sowohl die Amerikaner wollen wissen, was ist kalifornischer Wein… und was ist eben die berühmte Rostbratwurst aus Thüringen oder das Lübecker Marzipan oder die Aachener Printen. Man muss sich drauf verlassen können. Und insofern wäre es wichtig, wenn die Europäische Union ihre Hausaufgaben macht, bevor sie das Freihandelsabkommen verhandelt, nämlich zuerst eindeutig klärt, wo sind regionale Produkte drin, wo steht es drauf.
Frage:… Zum Beispiel der Schwarzwälder Schinken: Die Schweine dürfen ja etwa aus Niedersachsen kommen… Das halten Sie für einen Systemfehler, da soll die EU ihre Hausaufgaben machen?
Antwort: Das ist genau richtig. Wenn Sie dieses Produkt nehmen, dann handelt es sich dabei um eine geschützte geographische Angabe, d.h. nur eine einzige Produktionsstufe der Erzeugung, Verarbeitung oder Herstellung muss in dem bestimmten Gebiet stattfinden, und insofern haben wir hier tatsächlich das Problem, dass falsche Erwartungen geweckt werden…
Insofern kann es vielleicht wirklich sein, dass TTIP hier ein bisschen was Gutes hätte, weil, wenn man sich tatsächlich drauf einigen muss, dass die Dinge, die schützenswert sind, auch wirklich ernst gemeint sind und nicht so einem leichten Schmu unterliegen, wenn das der notwendige Druck ist, wenn das die Europäische Union bisher nicht von alleine geschafft hat, dann könnte man dem Ganzen dankbar sein.
Das Problem ist, das ist ja nicht das Interesse der Amerikaner. So, wie wir den Bundeslandwirtschaftsminister am Wochenende verstanden haben, wäre es ja im Interesse der Amerikaner, dass auch sie aus Texas z.B. Schwarzwälder Schinken importieren könnten… Das kann es ja eben auch nicht sein. Das heißt, die regionalen Siegel sind hier unter einer Bedrohung, einmal aus dem Schlendrian, wie wir ihn in der EU bisher haben, und womöglich ganz andere Interessen aus den USA…
Frage:… Halten Sie es für möglich, dass die EU sich durchringt, diese regionalen Siegel zu reformieren, um sie zu erhalten?
Antwort: Ich glaube, dass wir Dynamik erleben werden, die ich mir, die Sie sich, die vielleicht auch die Betroffenen selber sich noch gar nicht ausmalen können, weil ich glaube, wir rücken hier an etwas sehr, sehr Wichtigem für die Menschen, an das Heimatgefühl. Und wir wissen, je globalisierter die Welt wird,… dass sie dann einen Ausgleich suchen, dass das, was in der großen weiten Welt an Warenvielfalt auf sie einströmt, für sie dann beherrschbar wird, wenn sie eben auch ein bisschen Heimat wiederfinden. Und ich glaube, die Meldung vom Wochenende hat jetzt sehr, sehr viele Landwirte, Einzelhändler, aber auch viele Verbraucherinnen und Verbraucher wachgerüttelt: Moment, da geht uns was verloren, wenn TTIP käme, wenn wir es vorher nicht ganz sauber und klar präzise regeln. Diese Dynamik könnte noch sehr interessant werden.
->Quelle: Interview mit Klaus Müller, Vorstand Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) von Thielko Grieß im DLF; Sendung: „Informationen am Morgen“, 06.01.2015,