„TTIP ist eine Brücke in die Zukunft“
von Peter Tauber, CDU-Generalsekretär auf EurActiv.
Viele Ängste in Bezug auf TTIP beruhen auf Mythen, mahnt CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Richtig sei: Ein transatlantisches Freihandelsabkommen würde weltweiten Wohlstandsgewinn bedeuten. Davon könnte gerade Deutschland enorm profitieren.
Seit 2014 dreht sich vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin ein Werbewürfel. Darauf ist unter dem Schriftzug „TTIP“ eine Brücke zu sehen. Das Bild der Brücke wurde bewusst gewählt: Es ist ein Symbol. Brücken helfen, Hindernisse zu überwinden und zu neuen Ufern aufzubrechen. Brücken verbinden.
Das transatlantische Freihandelsabkommen ist eine Brücke in die Zukunft. Die bekannte Symbolik verdeutlicht die Chancen und Vorteile des transatlantischen Freihandelsabkommens, das bei zu vielen ein weitgehend unbekanntes oder durch Gerüchte und Mythen verzerrtes Vorhaben ist. Ein Vorhaben, das von fundamentaler Bedeutung für den weiteren wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands, Europas und der westlichen Welt insgesamt ist.
Wirtschaftliche Bedeutung Europas schrumpft
Es ist damit auch entscheidende Grundlage dafür, die Werte und Standards, die uns wichtig sind, in Europa zu halten und bestenfalls auch global stärker zu verankern. Es braucht wirtschaftlichen Erfolg und auch darauf beruhend politisches Gewicht, um mitzuentscheiden, welche Musik auf den internationalen Märkten gespielt wird und in welcher Tonlage. Dass wir hier sehr aufpassen müssen, verdeutlicht folgende Entwicklung: Europa und Nordamerika standen in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts noch für rund die Hälfte des weltweiten Wachstums – heute ist es nur noch etwa ein Zehntel.
Das bedeutet, dass andere Teile der Welt kräftig aufholen, aber auch, dass wir zunehmend die Rolle des Taktgebers verlieren. Wenn sich das fortsetzt, können wir herzzerreißend über unsere Werte und Standards, zum Beispiel beim Klima- und Umweltschutz diskutieren und täglich für selbige auf die Straße gehen – es wird nur im globalen Konzert keinen mehr interessieren. Dann wird Asien den Takt vorgeben. Wir brauchen deshalb wieder mehr Schwung und gemeinsame Entwicklungsperspektiven für die europäische und amerikanische Wirtschaft.
Globale Arbeitsteilung bringt Wohlstand
Das transatlantische Freihandelsabkommen ist hierfür ein hervorragendes Instrument. Es soll entscheidende Schwungräder für die wirtschaftliche Entwicklung antreiben: Freihandel und Wettbewerb. Schon hier tut sich einer der zentralen Punkte der Auseinandersetzung auf. Kritiker stellen Freihandel und Wettbewerb als „Nullsummenspiel“ dar, welches lediglich dazu führt, dass ein bestimmtes Produkt statt an Punkt A nunmehr an Punkt B hergestellt wird und besonders Arbeitnehmer und Verbraucher in Unsicherheit stürzt.
Wir müssen dieser falschen Argumentation entgegentreten und die Dinge richtig stellen. Handel und Wettbewerb sind in der Lage, Kundenwünsche zu einem guten Preis-Leistungsverhältnis zu erfüllen, technischen Fortschritt voranzutreiben und bei guter Wettbewerbsfähigkeit gute Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten zu bieten. Vor allen Dingen ermöglichen sie eine globale Arbeitsteilung, die einen weltweiten Wohlstandsgewinn ermöglicht.
Das heißt nicht, dass nicht auch einzelne Akteure durch Freihandel und Wettbewerb verlieren können, aber die überwältigende Mehrheit profitiert, auch wenn dies in unterschiedlichem Ausmaß geschieht. Zwei Studien der Bertelsmann-Stiftung von 2014 bestätigen dies in Bezug auf den Europäischen Binnenmarkt als auch auf die Globalisierung. Deutschland ist hier einer der größten Gewinner in Europa. Die Bertelsmann-Stiftung bestätigt auch, dass gerade Deutschland von der Ausweitung des Freihandels mit den USA profitieren würde.
Mythen aushebeln
Auch andere Nebelschleier im Zusammenhang mit diesem Freihandelsabkommen gilt es zu lichten:
1. Mythos: Ziel sei es, unsere hohen Standards zu schleifen und niedrigere amerikanische zu verankern. Fakt ist: Zum einen sind amerikanische Standards zum Teil strikter als die europäischen – etwa im Bereich bestimmter Kosmetik- bzw. Drogerieartikel. Zum anderen sollen Standards nicht unisono vereinheitlicht werden, sondern es geht darum, dass diese gegenseitig anerkannt werden, wenn unterschiedliche Vorschriften ein vergleichbares Sicherheitsniveau erreichen. So hat es z. B. keine erwähnenswerte Auswirkung auf die Sicherheit im Straßenverkehr, ob der Autoblinker wie bisher getrennt orange (EU) und rot (USA) oder überall in einer der beiden Farben blinkt.
2. Mythos: Das transatlantische Freihandelsabkommen ist nur was für Großkonzerne. Fakt ist: Im Zweifelsfall kommen die großen Konzerne wegen der großen Stückzahl ihrer Produkte und durch umfangreiche Rechtsabteilungen, die sie sich im Gegensatz zum Mittelstand leisten können, mit den unterschiedlichen Anforderungen auf beiden Seiten des Atlantiks besser zurecht. Das heißt: mehr Übersicht, Transparenz und Vergleichbarkeit helfen vor allem dem Mittelstand. Das Freihandelsabkommen wird vielen deutschen Unternehmen den amerikanischen Markt erstmals öffnen können.
3. Mythos: Gegenseitige Konsultation bei der Festlegung künftiger Standards und Schiedsgerichte im Rahmen von Investitionsschutzabkommen untergraben die nationale Exekutive, Legislative und Judikative. Fakt ist: Beide Instrumentarien gibt es schon seit langer Zeit – etwa in Europa, was das Vorgehen zur Festlegung von Standards angeht, oder Schiedsgerichte seit etwa einem halben Jahrhundert im Zuge unzähliger Investitionsschutzabkommen. Beides hat nicht zur Handlungsunfähigkeit der nationalen Institutionen geführt. Vielmehr bietet sich die Chance, in Zukunft Normen und Standards besser miteinander abzustimmen und Schiedsgerichte effizienter und transparenter als heute zu gestalten. Die Bundesrepublik Deutschland hat übrigens seit 1959 134 Investitionsschutzabkommen mit verschiedenen Ländern geschlossen. Meist sind diese explizit auf Wunsch der deutschen Wirtschaft zustande gekommen.
Wir sollten diese Chancen ergreifen, Bedenken aufgreifen und das transatlantische Freihandelsabkommen mit Leben erfüllen, damit wir als Deutsche und Europäer für die globale Wirtschaft fit bleiben und weiter gemeinsam mit unseren amerikanischen Partnern als ein wichtiger Taktgeber in der Globalisierung fungieren können.
Der Autor
Peter Tauber ist Mitglied im Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss „Digitale Agenda“. Seit Dezember 2013 ist er Generalsekretär der CDU.