An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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Leben auf Pump – Earth Overshoot Day 2017

Alarmierend: Sechs Tage früher als 2016
Ab heute, Dienstag, dem 02.08.2016, sind die natürlichen Ressourcen aufgebraucht, welche die Erde 2016 regenerieren und damit ohne Schaden zur Verfügung stellen kann. Ab dann muss die Menschheit bis Jahresende bei der Natur einen Kredit aufnehmen. Ein Parameter für diesen Kredit ist der „Earth Overshoot Day“ (EOD) – deutsch: Weltüberlastungstag oder -erschöpfungstag), jährlich berechnet vom footprintnetwork.
Trauriges Jubiläum: 25 Jahre nach der UNCED (United Nations Conference on Environment and Development) 1992 in Rio de Janeiro überschreitet der Ressourcenverbrauch von Jahr zu Jahr schneller die globale Kapazität. Heute – am 02.08.2015 – ist er erneut eingetreten, sechs Tage früher als 2016. Die restlichen fast fünf Monate dieses Jahres lebt die Menschheit damit „auf Pump“. Jahr für Jahr tritt dieser Welterschöpfungstag früher ein (siehe solarify.eu/2016-earth-overshoot-day).
Earth Overshoot Day als Marke des Raubbaus
Der sogenannte Earth Overshoot Day (siehe solarify.eu/earth-overshoot-day) bezeichnet den Tag des Jahres, an dem die Ressourcen für das laufende Jahr aufgebraucht sind; man kann ihn auch den ökologischen Fußabdruck des Menschen pro Jahr nennen. Er zeigt die Aufzehrung der globalen Gemeinschaftsgüter in Jahreszyklen an und ist damit eine Art Maß für die Überschreitung der Biokapazität der Erde. Anschauliches Beispiel ist der Earth Overshoot Day deshalb, weil er im Kalender immer weiter nach vorne rückt. Dabei werden zwei rechnerische Größen gegenübergestellt: zum einen die biologische Kapazität der Erde zum Aufbau von Ressourcen sowie zur Aufnahme von Müll und Emissionen, zum anderen der Bedarf an Wäldern, Flächen, Wasser, Ackerland und Lebewesen, den die Menschen derzeit für ihre Lebens- und Wirtschaftsweise verbrauchen. Fiel er 1987 noch auf den 19. Dezember, rückte er in sechs Jahren (1993) schon auf den 21. Oktober vor, und war er 2003 einen weiteren Monat nach vorne gerückt; 2012 fiel er auf den 22. August: 2013 kam er zwei Tage früher – am 20. August – 2014 am 19.08. und 2015 am 13.08. – ganze sechs Tage eher. Im vergangenen Jahr war es der 08.08.2016.
Earth Overshoot Day 2016: Welches Land verbraucht wieviel?
An diesem Tag sind die Ressourcen erschöpft, zu deren Erneuerung die Erde ein ganzes Jahr brauchte. Ab diesem Zeitpunkt begeben wir uns in den „ecological overshoot“, das heißt, der EOD markiert den Tag, an dem wir beginnen, über unsere jährlichen natürlichen Ressourcen hinauszugehen – oder, anders gesagt: wir beginnen, unsere globalen Ressourcenvorräte abzubauen – kurz: wir treiben Raubbau an unseren Vorräten und den unserer Nachkommen. Obwohl der Earth Overshoot Day nur eine grobe Schätzung des Ressourcenverbrauches innerhalb einer bestimmten Zeit darstellt, ist er (bislang) das einzige Instrument, das uns die Lücke zwischen unserem Bedarf/Verbrauch an/von Ressourcen und der Kapazität unserer Erde veranschaulicht.
[note Global Footprint Network ist ein internationaler Think Tank mit dem Ziel, Nachhaltigkeit voranzutreiben. Dazu wird der Ecological Footprint genutzt. Der Footprint ist ein Buchhaltungswerkzeug, das misst, wie viele Naturressourcen und –dienstleistungen wir verbrauchen, wieviele wir haben und wer wieviele Ressourcen konsumiert. Indem wir ökologische Grenzen ins Zentrum aller relevanten Entscheidungsfindungsprozesse rücken, unterstützen wir die Bemühungen, den globalen Overshoot zu beenden und eine Gesellschaft zu schaffen, in der alle Menschen innerhalb der verfügbaren Ressourcen unseres Planeten gut leben können.]
Die ursprüngliche Methode zur Berechnung des ökologischen Fußabdrucks wurde um 1990 von Mathis Wackernagel und William Rees an der University of British Columbia entwickelt. Für einen Großteil der Länder und Regionen kann ein ökologischer Fußabdruck von 1961 bis heute nachgezeichnet werden. Das Global Footprint Network lässt über 6.000 Datenpunkte pro Land, Kopf und Jahr in die Berechnung einfließen.
Swiss Overshoot - wie viele Erden bräuchten wir - Grafik © footprintnetwork.org
Rechnerisch 1,7 Erden zur Deckung des weltweiten Jahresbedarfs nötig
Ein leerer Einkaufswagen rattert über das Pflaster. Ein großes Banner zeigt die Webseite eines Online-Versandhandels. Darauf ist eine Erdkugel abgebildet. Daneben steht „Die Erde (Unikat)“ und in roten Lettern „nicht verfügbar – Ab 1.1.2018 wieder lieferbar“. Mit dieser Aktion wollen die Organisationen INKOTA, Germanwatch, BUNDjugend, FairBindung und Naturschutzjugend (NAJU) gemeinsam auf den Erdüberlastungstag und seine Folgen aufmerksam machen.
„Die Erde ist kein Online-Shop mit scheinbar unbegrenztem Angebot. Jetzt ist der Laden leer. Alles, was wir ab heute verbrauchen, ist Diebstahl an künftigen Generationen. Es ist Aufgabe der Politik, das zu verhindern“, sagt Christoph Röttgers von der Naturschutzjugend. „Die Übernutzung der ökologischen Ressourcen ist die Konsequenz unseres nicht hinterfragten ökonomischen Wachstumsmodells. Doch grenzenloses Wirtschaftswachstum ist auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen nicht möglich“, fügt Robin Stock von FairBindung hinzu.
„Vor allem in den Bereichen Verkehr, Energieversorgung und Landwirtschaft ist Deutschland alles andere als ein umweltbewusster Vorreiter. Das muss sich dringend ändern, damit wir die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen erreichen können“, betont Lena Michelsen vom entwicklungspolitischen INKOTA-netzwerk.
Johanna Kusch von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch fordert: “Die künftige Bundesregierung sollte verbindliche und messbare Ziele zur Reduktion des absoluten Ressourcenverbrauchs festschreiben und dann für die konsequente Umsetzung sorgen – insbesondere auch gegenüber Unternehmen. Die CO2-Emissionen in Deutschland müssen nach Jahren der Stagnation endlich wieder sinken.“ Kira Heinemann von der Jugend im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUNDjugend) ergänzt: „Wir leben und wirtschaften ungehemmt zulasten der Menschen im Globalen Süden und künftiger Generationen.“
Um den weltweiten Bedarf an natürlichen Ressourcen wie Wälder, Ackerland und Fischgründe zu decken, bräuchte die Weltbevölkerung rechnerisch 1,7 Erden. Würden alle Länder der Welt so wirtschaften wie Deutschland, wären sogar 3,2 Planeten nötig. Hierzulande tragen die CO2-Emissionen sowie der Verbrauch von Ackerland und Waldflächen am meisten zum enormen ökologischen Fußabdruck bei.
Höchster gemessener CO2-Wert seit 650 Jahren

Im Interview mit Pascal Fournier in SWR2 sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete , es sei „ein symbolisches Datum, aber ich halte es trotzdem für wichtig. Gerade wenn es um den Bereich der Nachhaltigkeit geht, dann geht es ja darum, dass wir nicht zu Lasten zukünftiger Generationen wirtschaften.“ Er räumte ein, dass wir „letztlich global gesehen ja nicht weniger sondern sogar mehr an Ressourcen verbrauchen. Auch wenn wir oft natürlich Vorreiter sind oder uns auch als Vorreiter bezeichnen, gibt es auch in Deutschland durchaus Hausaufgaben noch zu machen. Wir brauchen natürlich gerade für die Zukunft noch verstärkte Anstrengungen, dass wir eben auch bei der Einsparung, gerade wenn es um CO2 geht, voranschreiten. Natürlich ist der Gesetzgeber gefordert. Wir haben in der letzten Legislatur einen Klimaschutzplan auch umgesetzt, der die einzelnen Sektoren auch mit einzelnen Maßnahmen versieht. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber es darf natürlich nicht so sein, dass, wenn ein Ziel nicht erreicht wird, dann wird es einfach für die Zukunft nach oben geschraubt. Wir müssen unsere Ziele ernst nehmen und dann natürlich auch ein Bewusstsein schaffen, dass jeder letztlich auch verantwortlich ist, diese Ziele zu erreichen. Wir haben, gerade wenn es um die CO2-Einsparung geht, bis 2020 ein Ziel von 40 Prozent, bis 2050 von über 80 Prozent Einsparungen. Das zu erreichen, das ist an sich schon eine sehr, sehr große Herausforderung, aber es ist natürlich so, dass gerade die westlichen Industrienationen, auch wenn man es global betrachtet, ja mehr Ressourcen beanspruchen als die sich entwickelnden Länder.“
Lenz forderte einen Preis für CO2: „Am schnellsten ging es meiner Meinung nach gerade, wenn man das klimaschädliche CO2 auch mit einem angemessenen Preis versehen würde. Da sind wir natürlich auf nationaler Ebene gefragt. Wir brauchen aber auch europäische Konzepte, wir brauchen auch globale Konzepte. Wenn es um den Ressourcenverbrauch geht, dann ist Deutschland meiner Meinung nach gut aufgestellt. Wir haben eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Aber alleine nochmal auf das CO2 zurückzukommen: Wir haben mittlerweile den höchsten gemessenen Wert seit 650 Jahren… Deswegen ist es umso wichtiger, dass die Maßnahmen auch umgesetzt werden.“
[note Anmerkung von Solarify: Deutschland hat weder „einen Klimaschutzplan … umgesetzt“, noch „eine funktionierende Kreislaufwirtschaft“ – es bleibt das Geheimnis das Abgeordneten, der das sagte.]
->Quellen:

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...