Nach Tumult im EU-Parlament
Eigentlich wollte das EU-Parlament mit dem Votum Geschlossenheit zeigen und ein starkes Signal in Sachen Transatlantische Handelsprtnerschaft TTIP mit den USA aussenden – doch für eine geordnete Debatte gehen die Meinungen und Überzeugungen zu weit auaseinander. Martin Schulz verschob die Abstimmung kurzerhand. n-tv: „Jetzt geht es ans Eingemachte.“ euractiv.de: „Zwischen den Fraktionen gibt es nun heftigen Streit darüber, wer Schuld hat.“
Ursprünglich wollte das Europaparlament seine Forderungen zum geplanten Abkommen festlegen. Zwischen den Fraktionen hat es aber bis zuletzt Unstimmigkeiten geben. Linke und Konservative warfen einander gar fehlendes Demokratieverständnis vor. Nach einer tumultartigen Diskussion verschob das EU-Parlament auf Antrag von Christdemokraten, Konservativen und Liberalen die TTIP-Debatte schließlich mit der äußerst knappen Mehrheit von 183 gegen 181 Stimmen. Ihr Argument: Die Debatte sollte nicht von der Abstimmung getrennt geführt werden.
Bereits vorher hatte der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, das Votum über eine TTIP-Resolution vertagt. Demnach hat er Artikel 175 der Geschäftsordnung angewendet. Dieserbefugt den Parlamentspräsidenten zu der Zurückverweisung eines Berichts in den Ausschuss, wenn mehr als 50 Änderungsanträge eingegangen sind. Zu der Entschließung über das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA lagen aber 116 Anträge vor. Der Präsident fürchtete eine „inkohärente Abstimmung“. Streitauslösend hatten die im Abkommen vorgesehenen geheimen Schiedsgerichte gewirkt. Ein neuer Termin für Debatte und Abstimmung wurde nicht vereinbart.
Mehrere Monate hatte der Berichterstatter und Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange von der SPD, für eine Resolution geworben, die von einer breiten Mehrheit der Abgeordneten getragen wird. „Wir wollen keine privaten Schiedsgerichte“, sagte Lange jetzt im Rahmen einer Pressekonferenz. Die EVP-Fraktion habe dieser Position nicht zustimmen wollen. „Offensichtlich will sie sich eine Hintertür offenhalten“.
Votum des Parlaments nicht bindend – vorerst
Vor allem Vertreter der Linken und der Grünen lehnen die hinter verschlossenen Türen tagenden Schiedsstellen ab. Sie fordern stattdessen eine Art internationalen Gerichtshof, öffentliche Anhörungen sowie eine Berufungsinstanz. Damit wollen sie das Recht der Staaten garantieren, im öffentlichen Interesse Regeln zu erlassen. Der Streit über die Schiedsgerichtsbarkeit spaltet auch die Sozialdemokraten. Die Kritiker befürchten, dass bei privaten Schiedsstellen europäische Investoren in den USA gegenüber US-Unternehmern benachteiligt würden und US-Konzerne sich gegen europäische Staaten durchsetzen könnten.
Eine Art großer Koalition aus den europäischen Sozialdemokraten (S&D) und den Christdemokraten (EVP) sprach sich nach langen Beratungen von Hunderten von Anträgen schließlich in der Resolution für das umstrittene Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren (ISDS) aus. Es sollte demnach – wenn auch reformiert – Teil des Abkommens bleiben. Erst in der vergangenen Woche ruderten Teile der sozialdemokratischen Fraktion zurück, wie EurActiv berichtete. Sie bekräftigten ihre ursprüngliche Position zum Schlichtungsverfahren im Freihandelsabkommen vom März. Diese sieht vor, überhaupt keine Schlichtungsklausel in das Abkommen aufzunehmen.
Das Votum des Europaparlaments ist in jedem Fall nicht bindend. Seine Position ist aber für die laufenden TTIP-Verhandlungen von Bedeutung: Abkommen mit Drittstaaten können nämlich nur in Kraft treten, wenn sie vom Straßburger Parlament ratifiziert werden.
Grüne sprechen von „miesen Tricksereien“
Der Aufschub zeige, „wie nervös die große Koalition im Europaparlament ist“, sagte die deutsche Grüne Ska Keller. Aus Angst, dass der Bericht abgelehnt werden könnte, sei die Entscheidung vertagt worden. Die Panik sei „Ergebnis des großen öffentlichen Ducks und damit auch ein Erfolg der Zivilgesellschaft“. Kellers französischer Fraktionskollege Yannick Jadot warf Schulz „miese Tricksereien“ vor.
Auch der Vorsitzende der liberalen ALDE-Fraktion, Guy Verhofstadt, greift die sozialdemokratisch S&D-Fraktion scharf an: „Die Sozialdemokraten wollen die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Gleichzeitig verzögern sie eine wichtige Abstimmung zu TTIP und gefährden damit Arbeitsplätze, die das Freihandelsabkommen schaffen würde.“ Dieses Verhalten schädige den Ruf des Hauses, so Verhofstadt.
BDI lobt Verschiebung
BDI-Präsident Grillo hat die Verschiebung der Abstimmung begrüßt. Früher sei der EU vorgeworfen worden, die Verhandlungen seien intransparent und die Kritik werde nicht ernst genommen, sagte Grillo am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. Insofern sei es „positiv, dass man sich mit den Änderungsanträgen beschäftigt und es dann nochmal, hoffentlich zeitnah die Abstimmung gebe.“.
Grillo verteidigte TTIP erneut. „Freihandel ist wichtig“ und sichere Wachstum, sagte er. Kein Land könne die Güter, die es brauche, selbst produzieren. Grillo begrüßte, dass die EU-Kommission Vorwürfen der Intransparenz entgegentrete und Unterlagen zu den Verhandlungen veröffentlicht habe. Zudem gebe es bei den geplanten Schiedsgerichten nun die „Superchance“, Kritik an früheren Vereinbarungen zu berücksichtigen und ein „beispielhaftes Abkommen“ zu schaffen.
Nun muss sich der zuständige Wirtschaftsausschuss abermals mit dem Thema beschäftigen und versuchen, einen Kompromiss zu finden, der im Plenum eine Mehrheit erhalten kann – frühestens in vier Wochen.
->Quellen:
europarl.europa.eu
n-tv.de
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