An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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TISA – noch mehr als CETA und TTIP

Der nächste Anschlag der Konzerne, so Campact

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http://www.stopp-ttip.info/

„Regeln gegen die nächste Finanzkrise. Datenschutzvorgaben für Konzerne. Rückkauf von Stromnetzen. – All das wird unmöglich mit dem geplanten Dienstleistungsabkommen TISA, dem großen Bruder von TTIP.  Wir wollen TISA stoppen“ – schreibt Canpact.
Und weiter:TISA  (Abkürzung für „Trade in Services Agreement” oder auch „Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen“) soll den Handel mit Dienstleistungen zu liberalisieren. Damit werden nationale Märkte für ausländische InvestorInnen geöffnet, die teilweise sogar ihren eigenen ArbeiterInnen mitbringen können.

TISA wird verhandelt zwischen 23 Parteien – den EU, USA, Kanada, Mexiko, Japan, Chile, Chinesisch Taipeh, Costa Rica, Hong Kong China, Island, Israel, Kolumbien, der Koreanischen Republik, Neuseeland, Norwegen, Pakistan, Panama, Paraguay, Peru, Schweiz und der Türkei.
Nicht nur die Gefahr der Liberalisierung öffentlicher Güter wie Abfallentsorgung, Wasserversorgung, Bildung und Gesundheit oder anderer Dienstleistungen wie Datenschutz ist problematisch. Das Abkommen wird deshalb so große Auswirkungen haben, weil es außerhalb der Welthandelsorganisation (WTO) verhandelt wird und damit den Weg ebnet für zukünftige plurilaterale statt multilaterale Abkommen. Weitere Informationen dazu im Campact-Blog.

Das Trade in Services Agreement ist ein Nachfolgeabkommen des 1995 beschlossenen General Agreement on Trade in Services der WTO, kurz GATS.
Ursprünglich war das Abkommen ein Vorschlag der USA. Die Verhandlungen über die verschiedenen Vertragsbedingungen laufen seit Anfang 2012. Alle Sitzungen fanden – streng geheim – in Genf statt. Die geheimen Verhandlungstreffen finden außerhalb von üblichen Orten, wie etwa WTO-Einrichtungen, statt, etwa in der australischen Botschaft. Die Teilnehmer wollen, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, die Verhandlungspapiere frühestens fünf Jahre nach Abschluss des Vertrags an die Öffentlichkeit lassen.

Die SZ unter anderem:
Gegner vermuten, dass TISA umstrittene Privatisierungen zementieren wird. In den vergangenen Jahren wurden überall klassische staatliche Aufgaben wie Bildung, Gesundheit oder Wasserversorgung privatisiert, wobei es öfter Proteste gab – etwa weil Leistungen teurer, aber nicht besser wurden. Nun soll TISA die Wiederverstaatlichung einmal privatisierter Betriebe verbieten, behaupten Kritiker. Dafür gibt es bisher keinen Beleg, allerdings sickerte durch, dass eine Sperrklausel entstehen könnte: Hat ein Land zugestimmt, in einem Bereich wie Gesundheit Konkurrenz zuzulassen, sollen private Anbieter für immer auf dem Markt bleiben dürfen.
Belegt ist durch von Wikileaks enthüllte Dokumente, was bei den Finanzmärkten geplant ist: Eine stramme Liberalisierungs-Agenda. Europäische Konzerne erhoffen sich größere Anteile auf Märkten wie Australien, Hongkong, Taiwan oder Chile, die ihre Finanzindustrie bisher abschotten. Gleichzeitig halten ausländische Banken in Europa nur einen Marktanteil von 25 Prozent, in Deutschland sogar nur etwa zehn Prozent – da wäre viel Potenzial für Einsteiger und neue Konkurrenz. Nach TISA-Artikel 3 und 7 soll sich nun jedes Land verpflichten, ausländischen Banken oder Versicherern Zugang zu ihrem Markt zu gewähren – auch durch den Kauf heimischer Anbieter. Ein heißes Thema: Als 2008 chinesische Investoren die Dresdner Bank kaufen wollten, verhinderte das die Bundesregierung.
Ebenfalls hochpolitisch wäre der Kauf deutscher Sparkassen, die gesetzlich geschützt sind: Nur eine Bank, die am Gemeinwohl orientiert ist, darf sich Sparkasse nennen. Der Verband: „Grundsätzlich gilt auch für TISA die Feststellung der EU-Kommission, dass öffentliche Dienstleistungen nicht . Ob Datenschutz oder Konzernklagen, Privatisierungen oder Sparkassen: Es gibt viele heikle Punkte bei TISA, die dafür sprechen, dass die Öffentlichkeit sich bald mehr dafür interessiert.

Erst als Wikileaks am 19. 06.2014 einen geheimen TISA-Entwurf aus dem Kapitel zu Finanzdienstleistungen veröffentlichte, kam erstmals die von den Parteien vereinbarte Bestimmung zur Vertraulichkeit des Verhandlungsverfahren ans Licht des Tages: Die Geheimhaltung soll erst fünf Jahre nach Inkrafttreten oder, falls TISA nicht in Kraft treten sollte, fünf Jahre nach Ende der Verhandlungen.
Am 17.12.2014 veröffentlichte Netzpolitik.org den Verhandlungsstand: Die von TiSA betroffenen Dienstleistungen gehen demnach weit über das bisher Bekannte hinaus. Für TiSA gehört zu freiem Wettbewerb auch freier Datenfluss, kein Land mehr soll eine Firma daran hindern können, Informationen außer Landes zu schaffen. Die Daten von Kommunikationsanbietern sollen ungehindert zwischen Ländern ausgetauscht werden können. Kein Unterzeichner darf einen Diensteanbieter eines anderen Unterzeichners daran hindern, Informationen zu übertragen, auf sie zuzugreifen, sie zu verarbeiten oder zu speichern. Das schließt persönliche Daten mit ein, wenn der Vorgang in Zusammenhang mit der Ausführung der Geschäfte des Diensteanbieters steht.
TISA soll zwar Handelshemmnisse bei Dienstleistungen beseitigen – mit ähnlichen massiv kritisierten Geheimhaltungsvereinbarungen wie bei ACTA und TTIP.  Die taz: „Öffentliche Dienstleistungen zur Gesundheits-, Wasser- und Energieversorgung, bei der Bildung, im Finanzsektor sowie in allen anderen Bereichen sollen über das bereits in den letzten 20 Jahren erreichte Ausmaß dereguliert und internationaler Konkurrenz ausgesetzt werden.“ Demnach würde durch TISA die Rückübernahme von privatisierten Energie- und Wasserunternehmen (Rekommunalisierung) ausgeschlossen. (Eine solche Rückübernahme würde durch eine geplante Ratchet Clause verhindert). Unternehmensvertreter verschiedener Dienstleistungsbereiche (Coalition of Services Industries) nannten Regelungen und Subventionen von Staatsbetrieben als Beispiele für Markteintrittsbarrieren.

netzpolitik.org: Der im Geheimen verhandelte TiSA-Handelsvertrag — kurz für “Agreement on Trade in Services” — gefährdet den Schutz persönlicher Daten beim Transfer zwischen Staaten. Das beweist ein geleakter Verhandlungsstand, den wir in journalistischer Partnerschaft mit Associated Whistleblowing Press und ihrer lokalen, spanischen Plattform filtrala.org exklusiv veröffentlichen. Datenschutzregelungen, wie die geplante Europäische Datenschutzgrundverordnung, würden ausgehebelt und ad Absurdum geführt, falls sich der vorliegende Entwurf durchsetzen kann.

Ausländische Dienstleister sollen laut TISA Leiharbeiter beliebig für temporäre Einsätze in die einzelnen Unterzeichnerstaaten entsenden dürfen. Jederzeit können weitere Punkte einfließen: Nach Vertragsunterzeichnung können neue Marktchancen für Unternehmen eingerichtet werden – ohne  demokratische Einflussnahme der Bevölkerung.
Unter den Geltungsbereich von TiSA fallen nicht nur Finanzdienstleistungen, sondern mindestens ebenso:

  • Juristische Dienstleistungen durch Anwälte, Notare, etc.
  • Technische Dienste wie Internetversorgung
  • Elektronische Transaktionen
  • Digitale Signaturen
  • Buchhaltungs- und Auditierungsleitungen
  • Steuerberatung
  • Architekturleistungen
  • Städtebauliche Leistungen
  • Technische und wissenschaftliche Prüfungen
  • Veterinärleistungen
  • Bildungsleistungen

(nach Wikipedia)
campact logo„Mit aller Kraft stemmen wir uns seit einem Jahr gegen TTIP und CETA. Dank unzähliger Bürger/innen bisher mit Erfolg. Die Handelsabkommen sind in aller Munde – und wanken. Doch jetzt kommt es ganz dicke. Im Schatten von CETA und TTIP erwächst in TISA nahezu unbemerkt eine neue gigantische Bedrohung.
Besonders heikel an TISA: In Zukunft sollen Konzerne auch mit der öffentlichen Daseinsvorsorge – also mit Bildung, Gesundheit und Wasser Kasse machen dürfen. Was einmal privatisiert ist, darf dann nie mehr öffentlich organisiert werden – egal ob Wasserversorgung, öffentlicher Nahverkehr oder Stadtwerke. Neue Maßnahmen zur Marktregulierung, etwa zur Vermeidung neuer Finanzkrisen, werden verboten. Auch Regeln für die Weitergabe oder Speicherung unserer Daten wären passé. Damit droht die Demokratie außer Dienst gestellt zu werden.
Heute stehen wir da, wo wir vor einem Jahr mit TTIP standen: Kaum jemand kennt TISA, aber bereits 2015 könnten die Verhandlungen abgeschlossen werden. Daher wollen wir nun wiederholen, was uns bei TTIP gemeinsam gelungen ist: TISA zum Top-Thema machen. Dazu braucht es eine gewaltige Kraftanstrengung – denn auch bei TTIP und CETA dürfen wir nicht nachlassen.
Die EU-Kommission beteuert seit Neuestem, sie hätte ihre Lektion gelernt: Internationale Abkommen müssen transparent verhandelt werden. Doch TISA entlarvt dies: Die Verhandlungen finden unter strenger Geheimhaltung statt. Sogar nach dem Abschluss der Verhandlungen – egal, ob erfolgreich oder nicht – sollen alle Dokumente fünf Jahre lang geheim bleiben. Das Kalkül: Wenn die Folgen von TISA spürbar werden, sollen die Verantwortlichen politisch nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden können.
Die Dimensionen von TISA übersteigen sogar die von TTIP. Denn TISA umspannt den ganzen Globus: Von Chile über die Schweiz bis Hongkong und Australien sind 50 Länder direkt betroffen – und auch alle anderen kommen unter Druck. Denn die „Wirklich guten Freunde von Dienstleistungen“, wie sich die TISA-Verhandler nennen, wollen gezielt die Regeln der Welthandelsorganisation WTO umgehen. Dort scheiterten TISA-ähnliche Vorhaben bisher am Widerstand der ärmeren Länder, die schon bittere Erfahrungen mit konzerndiktierten Abkommen gemacht haben.
Um TISA zu stoppen, will Campact deshalb auch mit den Schwesterorganisationen in Australien, Kanada, Schweden, Irland, Neuseeland, Großbritannien und den USA zusammenarbeiten. Erste gemeinsame Plänesollen bereits auf einem globalen Treffen im Januar geschmiedet werden. Start soll vor der australischen Botschaft in Genf sein, wenn dort die Verhandlungen fortgesetzt werden – mit Info-Materialien, einem internationalen Appell und Aktionen.
->Quellen:

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...