Eine Auswertung der Nachrufe zum Tod Hans Küngs am 06. April 2021
Hans Küng verstarb am 06. April 2021 mit 93 Jahren. Dem Tod folgten eine Vielzahl an Nachrufen in deutschen (taz, Zeit Online, Süddeutsche, der Tagesspiegel, der Spiegel, etc.) wie auch internationalen Medien (New York Times, The Washington Post, The Guardian, NZZ, etc.). In den Artikeln wurde Küngs Leben nachgezeichnet. Küng als Mann, der seine Werte kannte und vertrat. Der Fokus liegt in vielen der Nachrufe auf seiner Rolle in der katholischen Kirche und nicht zuletzt dem Entzug seiner Lehrerlaubnis als Theologieprofessor im Jahr 1971. Zentral wird dabei sein Werk „Unfehlbar? Eine Anfrage“ gesehen, die dem Entzug der Lehrbefugnis vorherging (tagesschau, 06.04.2021). Der Disput mit der Kirche, der ihm zu großer Bekanntheit verhalf, führte dazu, dass “some scholars viewed Dr. Küng as the most serious threat to the Catholic Church since Martin Luther” (Washington Post, 08.04.2021). Seine Berühmtheit ermöglichte, „dass er eine Stiftung namens „Weltethos“ ins Leben rufen kann“ (Welt, 06.04.2021). Dieses Projekt gründete er, um seine Idee von einer friedlichen Welt voranzutreiben. Sein Grundsatz lässt sich dabei wie folgt zusammenfassen: „Kein Frieden zwischen den Nationen ohne Frieden unter den Religionen. Kein Frieden zwischen den Religionen ohne Dialog.“ (taz, 06.04.2021). „Am Ende führt Küngs Weltethos schnurstracks zu den revolutionären Kraftzentren der Aufklärung und – so schließt sich der Kreis – des Christentums: Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und vor allem Gegenseitigkeit. Was du nicht willst, das man dir tu …“ (Süddeutsche Zeitung, 07.04.2021). Ihn auf einen Papst- und Kirchenkritiker zu reduzieren, würde, so dessen langjähriger Weggefährte und ehemaliger Präsident der Stiftung Weltethos, Professor Karl-Josef Kuschel, Hans Küng nicht gerecht. „Er war ja nicht nur im engeren Sinne Theologe (…), er war ja auch ein Zeitkritiker, ein Zeitdiagnostiker, dem es gelungen ist, aus der Mitte seiner christlichen Überzeugungen wichtige Akzente zur Diagnose der Zeit zu liefern.“ Dabei denke er an Küngs Auseinandersetzungen mit dem Kapitalismus, dem Wirtschaftsethos oder an jene mit den Naturwissenschaften, beschreibt der Tübinger Theologe im Audio-Interview (SWR 2, 07.04.2021). Auch laut einem Artikel in der FAZ stand für Küng die Wirtschaft bei seinem Projekt im Zentrum: „Er sprach sich für die Soziale Marktwirtschaft aus.“ (FAZ, 08.04.2021). Die Gründung des Weltethos-Instituts im Jahr 2011, sah Küng als die Anerkennung seiner Arbeit an. „„Nicht zuletzt, weil meine Jahre gezählt sind und ich möchte, dass mein Lebenswerk nach meinem Tod fortgeführt wird“, sagte Küng damals“ (Der Tagesspiegel, 06.04.2021). „Dass sein Geist fortlebt, dafür bürgen nicht nur seine Schriften, sondern auch das Projekt Weltethos, mit dem Hans Küng eine Idee artikulierte, deren Zukunft gerade erst anbricht.“ schreibt Claus Dierksmeier in seinem Nachruf (philosophie Magazin, 07.04.2021). In abschließenden Worten würdigt Gregor Dotzauer Küng als jemanden, der „weder Freund noch Feind kaltgelassen [hat]. Das können nur ganz Große behaupten.“ (Der Tagesspiegel, 06.04.2021). In seinem privaten Nachruf schreibt der Theologe Karl-Josef Kuschel zur Zukunft von Küngs Vermächtnis: „Und in Zeiten, in denen die Trumps, die Putins und die Erdogans an der Macht sind und die Nationen wieder spalten, ist die Weltethos-Agenda alles andere als erledigt. Sie bleibt auch in Zukunft brisant. Ein Weltethos-Institut in Tübingen und vor allem die „Stiftung Weltethos“ wird Küngs Vermächtnis wachhalten und neuen Herausforderungen anpassen.“ (Hier der Nachruf zum Download)
Presseschau
Lucas Wiegelmann, Welt (06.04.2021): Der Wandelprediger
- „Irgendwann ist er so berühmt, dass er eine Stiftung namens „Weltethos“ ins Leben rufen kann. Sie soll statt des innerkirchlichen Klein-Kleins den für den Frieden entscheidenden Dialog der Religionen vorantreiben. Das ist jetzt der Maßstab: die Zukunft des Planeten, nicht irgendwelche Fußnoten in irgendwelchen Christologie-Traktaten.“
Wilhelm Triebold, Schwäbisches Tagblatt (06.04.2021): Hans Küng: Ein Garde-Schweizer im Vorhof zum Himmel
- „Der Theologe und Institutsbegründer Hans Küng starb am gestrigen Dienstag im Alter von 93 Jahren.“
- „Das Weltethos, das er sich auf die Fahnen schrieb, war insofern eine ebenso größenwahnsinnige wie vernünftige Idee: Aber eben auch, wie Bundespräsident und Weltethos-Redner Frank-Walter Steinmeier vor zwei Jahren in Tübingen feststellte, als „oft kleinteilige Arbeit an Verständigung und Frieden“.“
Roger Haight, America (06.04.2021): Hans Küng, influential Vatican II theologian censured by John Paul II, dies at 93
- “After being disowned by the papacy as a Catholic spokesperson in the early days of St. John Paul II’s pontificate, he flourished again as an organic intellectual of the world by mediating among religions and stimulating a global ethic.”
- „Alle Weltreligionen, das war Küngs feste Überzeugung, könnten ein positives Verhältnis zur Moderne finden, alle könne ein «Weltethos» verbinden, zu dessen Erforschung in Tübingen die «Stiftung Weltethos» sowie das universitäre «Weltethos-Institut» gegründet worden seien.“
Taz (06.04.2021): Theologe Hans Küng ist tot
- „Zeitlebens mahnte er Politik, Kirche und Wissenschaft zu einem umfassenden Bewusstseinswandel. Modelle für ein friedliches 21. Jahrhundert suchte seine Stiftung „Weltethos“. In diesem Rahmen predigte er seit den 80er Jahren unermüdlich seine einfache Formel: Kein Frieden zwischen den Nationen ohne Frieden unter den Religionen. Kein Frieden zwischen den Religionen ohne Dialog.“
Claus Dierksmeier, philosophie Magazin (07.04.2021): Ein weiter, kosmopolitischer Geist
- „Dass sein Geist fortlebt, dafür bürgen nicht nur seine Schriften, sondern auch das Projekt Weltethos, mit dem Hans Küng eine Idee artikulierte, deren Zukunft gerade erst anbricht.“
Matt Schudel, The Washington Post (09.04.2021): Hans Küng, Catholic theologian who challenged papal authority, dies at 93
- “After retiring as a professor in 1995, Dr. Küng established the Global Ethic Foundation, which seeks to promote understanding across cultures and religions. His admirers included former secretary of state Henry Kissinger, former United Nations secretary general Kofi Annan and Nobel Peace Prize laureate Desmond Tutu.”
Christian Geyer, FAZ (07.04.2021): Der Entschärfer der Weltreligionen
- Weltethos wird nicht genannt
Lothar Schröder, RP Online (07.04.2021): God save the Küng
- “Aus dieser Erkenntnis heraus entstand das weiterhin aktuelle „Projekt Weltethos“. Es war und wollte grenzenlos sein und mündete in jene drei sehr einfachen, aber nur schwer zu widerlegenden Grundsätzen: Kein Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen. Kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen. Und kein Dialog zwischen den Religionen ohne Grundlagenforschung in den Religionen.“
FAZ (08.04.2021): Hans Küng gestorben
- „Im Februar 1990 ging er auf Einladung des Forum-Gründers Klaus Schwab in einem Vortrag der Frage nach: „Warum brauchen wir globale ethische Standards, um zu überleben?“ Es war der Startschuss für das Projekt Weltethos, das Küng in den letzten Jahrzehnten seines Lebens beschäftigte. „Eine Weltepoche, die anders als jede frühere geprägt ist durch Weltpolitik, Welttechnologie, Weltwirtschaft und Weltzivilisation, bedarf eines Weltethos“, sagte Küng 1993. Im gleichen Jahr sprach sich das Parlament der Weltreligionen für die Erklärung zum Weltethos aus, die Hans Küng entworfen hatte. Vertreter aller Weltreligionen einigten sich damit auf Werte, welche die Menschheit verbinden.“
- „Küng beließ es nicht bei Erklärungen, er hielt den Draht zur Wirtschaft. „Die Wirtschaft stand für das Projekt Weltethos von Anfang an im Zentrum“, schrieb Küng später. Er sprach sich für die Soziale Marktwirtschaft aus.“
Stefan Kornelius, Süddeutsche Zeitung (07.04.2021): Der Politische
- „Küng hat in seiner zweiten Schaffensphase den revolutionären Anspruch hin zur Universaltheologie getrieben, zum Weltethos und zu nichts Geringerem als den Werkzeugen für einen Weltfrieden. Was ist es also, was die Menschheit verbinden könnte? Welche Werte teilen die großen Religionen der Erde? Und müsste eine Verständigung, ein ethischer Kanon, nicht zu etwas Unerhörtem führen: dem Weltfrieden?“
- „Am Ende führt Küngs Weltethos schnurstracks zu den revolutionären Kraftzentren der Aufklärung und – so schließt sich der Kreis – des Christentums: Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und vor allem Gegenseitigkeit. Was du nicht willst, das man dir tu …“
Deutschlandfunk (07.04.2021): Breite Würdigung des verstorbenen Theologen Küng
- „Das von Küng ins Leben gerufene „Projekt Weltethos“ würdigte den Theologen als Visionär. Er habe seit Jahrzehnten daran gearbeitet, mit der Weltethos-Idee Verantwortung in der Wirtschaft und Frieden zwischen den Kulturen zu fördern.“
Jüdische Allgemeine (07.04.2021): Streitbarer Mahner
- „»Hans Küng war eine ganz wichtige Stimme des interreligiösen Dialogs. Wie kaum ein anderer hat er sich mit seinem Projekt ›Weltethos‹ für eine international verbindliche ethisch-moralische Grundlage eingesetzt, die für alle Menschen gelten sollte«, erklärte das Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland, Rabbiner Jehoschua Ahrens.“
- „Küng, einer der renommiertesten Theologen weltweit und Begründer der Stiftung Weltethos, war am Dienstagmittag im Alter von 93 in seinem Haus in Tübingen gestorben. In den vergangenen 30 Jahren engagierte sich Küng vor allem für den Dialog der Weltreligionen, insbesondere im »Projekt Weltethos«. 1979 hatte ihm der Vatikan die Lehrerlaubnis entzogen, unter anderem wegen seiner Kritik an der Lehre der Unfehlbarkeit des Papstes. Der Wissenschaftler erhielt viele Auszeichnungen, darunter mehr als ein Dutzend Ehrendoktorwürden.“
Der Tagesspiel (06.04.2021): Begründer der Stiftung Weltethos Theologe Hans Küng ist tot
- „Die Gründung eines entsprechenden Institutes an der Universität Tübingen 2011 bezeichnete er als Anerkennung dieser Arbeit. „Nicht zuletzt, weil meine Jahre gezählt sind und ich möchte, dass mein Lebenswerk nach meinem Tod fortgeführt wird“, sagte Küng damals. Hinter dem Projekt steht die Überzeugung, ohne Frieden unter den Religionen könne es keinen Frieden unter den Staaten geben.“
SWR (06.04.2021) Kirchenkritiker Hans Küng in Tübingen verstorben
- „Die Gründung eines entsprechenden Institutes an der Universität Tübingen 2011 bezeichnete er als Anerkennung dieser Arbeit. „Nicht zuletzt, weil meine Jahre gezählt sind und ich möchte, dass mein Lebenswerk nach meinem Tod fortgeführt wird“, sagte Küng damals.“
Philipp Gessler, Spiegel.de (07.04.2021): Der unfehlbare Papstkritiker
- „Die Idee des Weltethos-Projekts, kein Frieden ohne den Frieden zwischen den Religionen, ist so schlicht wie wahr. Und weitsichtig. Denn das war lange vor 9/11, lange vor der Verfolgung von Muslimen durch Hindus oder Juden durch Muslime, um nur wenige der weltweiten religiösen Konflikte anzudeuten.“
Margot Käßmann, Zeit Online (07.04.2021): Prophet der Kirchenkritik
- „Es geht darum, dass Religionen nicht länger ein Faktor der Konfliktverschärfung sind, sondern einen genuinen Beitrag zur Konfliktentschärfung, zur Versöhnung leisten. Hans Küng hat mit der Stiftung Weltethos eine solche Vision hinterlassen. Das ist eine ungeheure Lebensleistung.“
Ulrich Pick, tagesschau (06.04.2021): Ein frommer Rebell und Reformer
- „Frieden unter den Völkern und Staaten sei nur dann möglich, wenn sich die Religionen und Konfessionen versöhnten, so die zentrale These des Projekts.“
ZDF (06.04.2021): Theologe Hans Küng gestorben
- „In den vergangenen 30 Jahren engagierte er sich vor allem für den Dialog der Weltreligionen, insbesondere im „Projekt Weltethos“. Die Gründung eines entsprechenden Institutes an der Universität Tübingen 2011 bezeichnete er als Anerkennung dieser Arbeit.“
Gregor Dotzauer, Der Tagesspiegel (06.04.2021): Ohne Religionsfrieden kein Weltfrieden
- „Zur Krönung seiner sicher nicht auf falscher Bescheidenheit gründenden Lebenswegs aber wurde das Projekt Weltethos, das 1990 mit der gleichnamigen Programmschrift seinen Ausgang nahm. Küng konnte sich Weltfrieden zurecht nur als Religionsfrieden vorstellen. Im Wissen, dass vor allem die monotheistischen Religionen gewalttätige Züge entfalten, erarbeitete er sich in drei Büchern neben einem revidierten „Christentum“ den „Islam“ und „Das Judentum“.“
- „[…]hat er weder Freund noch Feind kaltgelassen. Das können nur ganz Große behaupten.“
Peter Stanford, The Guardian (08.04.2021): Hans Küng obituary
- „On his retirement in 1996, he established the Stiftung Weltethos/Global Ethic Foundation at Tübingen to promote co-operation and dialogue between the faiths around the world.”
Douglas Martin, The New York Times (06.04.2021): Hans Küng, Catholic Theologian Critical of the Church, Dies at 93
- “Two years later he founded and led the Global Ethic Foundation, a research and teaching organization associated with the University of Tübingen that aims to promote ethical values worldwide and foster dialogue among religions and cultures.”
Jan Feddersen, taz (07.04.2021): Ein Katholik der Zukunft
- „In den vergangenen Dekaden kümmerte er sich um Dinge, die weit über Tübingen hinaus wiesen, etwa mit der von ihm gegründeten Stiftung Weltethos, dem tapferen Versuch, so etwas wie eine globale Ethik für alle Religionen zu formulieren – und im früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan fand er für dieses Projekt seinen engsten Fellow und Freund.“
Karl-Josef Kuschel, SWR 2 (07.04.2021): Verzweiflung über die verschleuderte Glaubwürdigkeit der Kirche
- „Nun er war ja nicht nur im engeren Sinne Theologe. Sein Werk umfasst ja sehr, sehr viel mehr. Er war ja auch ein Zeitkritiker, ein Zeitdiagnostiker, dem es gelungen ist aus der Mitte der Theologie heraus, auch aus der Mitte seiner christlichen Überzeugungen wichtige Akzente zur Diagnose der Zeit zu liefern. Wenn ich da an seine Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus denke – Wirtschaftsethos, wenn ich an seine Auseinandersetzungen mit den Naturwissenschaften denke – sein großer Vorstoß zum Dialog mit Technik und Naturwissenschaft, oder wenn ich an seine Parole denke (…) ‚Kein Weltfrieden ohne Religionsfrieden‘ und der Religionsfrieden geht nicht ohne Religionsdialog. Das sind ja wichtige Akzente, die er als public intellectual, also als öffentlicher Intellektueller gesetzt hat, weit über (…) die Theologie hinaus.“
Autorin der Presseschau: Daria Kasnitz; Ergänzungen: Anna Tomfeah