An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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„Menschenwürdige Globalisierung“ – Ein Tagungsrückblick

Die bisherigen Formen wirtschaftlicher Globalisierung sind großenteils gescheitert, weil sie einseitig auf Machtgewinne oder ökonomische Dominanz ausgerichtet waren. Dazu gehört besonders die Ausbeutung von Menschen und Rohstoffen. Am Weltethos-Institut beschäftigen wir uns unter anderem damit, wie sich Globalisierung und Globalität fairer und nachhaltiger gestalten lässt. Dazu haben wir einige Thesen erarbeitet, die wir im Rahmen der Tagung „Menschenwürdige Globalisierung“ mit spannenden Referent:innen und Gästen diskutiert haben. Ziel der Tagung war es, Menschen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ins Weltethos-Institut einzuladen, um das Thema aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Hier finden Sie einige Zusammenfassungen der Beiträge.

Wie können wir in diesen Zeiten eine lösungsorientierte, Vielfalt schützende und menschenwürdige Perspektive auf Globalisierung entwickeln, die tragfähig ist? Diese Frage warf Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel (Weltethos-Institut) gleich in seiner Begrüßung auf. Am Beispiel von Baumwollbauern, die er einst in Burkina Faso traf, beschrieb er, wie insbesondere die westlichen Industriestaaten Mitverantwortung für das Scheitern einer an globalen Mindeststandards und Menschenwürde ausgererichteten Globalisierung tragen. Aber auch, welche Handlungspfade sich daraus ergeben könnten. Weltethos könne hier Auftaktgeber für eine Kultur des Dialogs sein. Ein Dialog, der an diesem Tag – als Kooperation des Forschungsinstituts für Philosophie in Hannover (fiph) und des Instituts für Sozialstrategie (ifs) – erfreulicherweise mit Menschen aus unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen zustande komme. Hemel lud die Anwesenden ein, die am Weltethos-Institut erarbeiteten Thesen für eine menschenwürdige Globalisierung, die während der Tagung ausgestellt wurden, mit kritischem Feedback zu würdigen und auch in Zukunft gerne mitzugestalten.
Mit diesen und weiteren Worten eröffnete der Institutsdirektor die Tagung und das erste Panel, das  Menschenwürdige Globalisierung aus wirtschaftlicher Perspektive in den Blick nahm.


Der erste Beitrag in diesem Panel kam von Dr. Bernd Villhauer (Weltethos-Institut) und konzentrierte sich auf die Frage, inwiefern das weltumspannende Finanzsystem sich menschenwürdiger gestalten lässt und in welchem Verhältnis wirtschaftliche und finanzielle Globalisierung zu einander stehen? Bietet das finanzielle System aktuell eigentlich den Rahmen für ethische und ökologische Mindeststandards, die gleichzeitig auch Rendite bieten? Was wäre zu bedenken, bei einer stärker auf allgemeine Menschenrechte ausgerichtete Finanzwelt? Welche Schuld trägt das Finanzsystem am Scheitern einer menschenwürdigen Globalisierung? All dies waren Fragen, die in seinem Vortrag berührt wurden. Dabei legte der gelernte Bankkaufmann Wert u.a. darauf, historisch aufzuzeigen, dass „das Böse vor der Börse“ kam. Dass also Sklavenhandel, Krieg, Ausbeutung und andere menschenunwürdige Wirtschaftsformen immer schon praktiziert wurden – auch vor dem Erstarken der globalen Finanzwirtschaft. Er betonte dabei, dass die Finanzialisierung weltweit eher sogar für mehr Wohlstand gesorgt habe. Villhauer plädiert dafür, dass zukünftig stärker über die Vereinbarkeit der Vorteile des Finanzsystems und der Berücksichtigung der Menschenrechte gefördert werden müsse. Wichtig sei dabei zu betrachten, inwiefern Menschen gleichberechtigter Marktzugang und Chancen eingeräumt würden. Zur kritischen Diskussion stellte er diesbezüglich ein Zitat von Carl Christian Weizsäcker, welcher 1999 in „Die Logik der Globalisierung“ feststellte, „heute nun ist das System der Globalisierung zunehmend ein System des gleichberechtigten, nicht privilegierten Marktzugangs“. Dies wie auch ökologische und werteorientierte Rahmenbedingungen für die Zukunft des Finanzsystems zu erreichen, müsse der Maßstab für zukünftige Entwicklung sein, so Villhauer.


Professor Dr. Jörg Baten vom Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte der Universität Tübingen schloss mit einem Beitrag zum Thema „The World Economic History of Welfare and Inequality Before, During and After Globalization Periods“ an. Damit bot er ebenfalls eine langfristigere Perspektive auf Wohlstandsentwicklung und Wachstum bzw. auf die Bildung von Humankapital aus globaler Perspektive und skizzierte, welche Methoden zu einer Messung der Wohlfahrtsentwicklung sinnvoll sein können. So ließe sich beispielsweise über die Interpretation von Daten zur Bildungs- oder Gesundheitsentwicklung wie auch zu sozialer Ungleichheit während verschiedener Globalisierungsphasen, qualitative Aussagen über Chancen und Risiken verschiedener Entwicklungen – auch für die Zukunft – treffen.
Die Studie von Sala-í-Martin et a. (2004) „Determinants of Long-Term Growth: A Bayesian Averaging of Classical Estimates (BACE) Approach“ habe beispielsweise in der Analyse von 73 Variablen aufzeigen können, dass Faktoren wie Import und Export weniger Auswirkungen auf Wachstumsentwicklungen haben, als Primärschulbildung und die Höhe von Primärinvestitionen.
In der Entwicklungsökonomie seien zudem seit mehreren Jahrzeiten humanbiologische Faktoren wie z.B. Körpergröße und Mortalitätsraten, gerade auch mit Blick auf ihre Korrelation mit Globalisierungs- wie auch De- und Re-Globalisierungsphasen interessanter geworden, so Baten. Er bot einen Überblick über die historischen Entwicklungen und wies auch auf positive Tendenzen hin. Dass beispielsweise jüngst die Lebenserwartung in Sub-Sahara-Afrika von 46 auf 56 Lebensjahren gestiegen ist, sei eine „sehr bemerkenswerte Entwicklung, die nach meinem Empfinden völlig untergegangen ist in den Nachrichten.“ Weiter in diese Richtung zu forschen, Daten gründlich auszuwerten und auch auf positive Entwicklungen hinzuweisen, sei wichtig, um dem Negativitäts-Bias mit Blick auf Globalisierung entgegenzuwirken und diese zukunftsfähiger zu gestalten.


In seinem eigenen Vortrag zum Thema „Menschenwürdige Globalisierung als Herausforderung der globalen Zivilgesellschaft: wohin geht die Reise angesichts einer zunehmend multipolaren Welt?“ bildete Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel den Abschluss des Wirtschafts-Panels. Seit 1983 sprächen erst wir nachweislich von Globalisierung und meinten damit in erster Linie deren wirtschaftliche Form, so Hemel. Es sei dabei aber wichtig, neben dem Welthandel und der Verflechtung der Finanzmärkte, auch die Globalisierung von Werten und Normen in den Blick zu nehmen, die mit dem globalen Austausch von Waren und Humankapital, aber eben auch Digitalisierung und Kommunikation einhergehe. Diese Form der Globalisierung werfe dann aber auch die Frage nach hegemonialer Werte- und Gestaltungsmacht, nach Fairness und Gerechtigkeit auf.
Zu einer menschenwürdigen Globalisierung gehöre also auch das Nachdenken darüber, was globale Zivilgesellschaft bedeute. Dazu gehören dann, so Hemel weiter, nicht nur die Ebene der Politik, sondern auch diejenige der Unternehmen und der Vereine und (auch religiösen) Organisationen. Es brauche eine Globalisierung, die soziale, ethische, wirtschaftliche und ökologische Ziele zu integrieren vermag. Daher sei es wichtig hierfür einen verbindlichen und doch kontextsensitiven Referenzrahmen zu schaffen, der Entwicklungs- und Handlungspfade für verschiedene Länder aufzuzeigen vermag. Hier setzt die Arbeit des Weltethos-Instituts an. Es wird versucht, für diese Ziele verschiedene Erhebungsmethoden und Indizes vorzuschlagen, die helfen, Länderprofile in Bezug u.a. Vertrauen, Korruptionswahrnehmung, Ungleichheitsverteilung, Investitionen oder auch ökologische Verantwortung anzufertigen, die Möglichkeiten und Notwendigkeiten aufzeigen. Es gehe, so der Institutsdirektor, darum, in einem globalen Dichtestress Anreize zu finden, um globale Zivilgesellschaft zu stärken und menschenwürdige Entwicklung zu fördern. Er lud abschließend dazu ein, an diesem Referenzrahmen gemeinsam akademisch, politisch und wirtschaftlich weiterzuarbeiten.


Nach der Mittagspause wurde das Panel mit Blick auf Globalisierung aus der Perspektive von Politik und aus dem Blick von Minderheiten eröffnet. Dazu kam Staatsministerin a.D. und Bundestagsabgeordnete Annette Widmann-Mauz ans Weltethos-Institut, um über „Menschenrechts- und wertegeleitete Außenpolitik im Spannungsfeld aktueller Krisen“ zu sprechen. „Sind Menschenwürde und Globalisierung eigentlich ein Gegensatz oder sogar eine Utopie?“, warf sie gleich zu Beginn die Frage auf, darauf verweisend, dass wir bei allen Wachstumsraten und Entwicklungstendenzen zuletzt auch verstärkt die negativen Folgen einer globalisierten Welt zu spüren bekommen haben. So zum Beispiel im Kampf um Impfstoffe weltweit, bei der Fragilität der internationalen Lieferketten, den Auswirkungen der Energie- und Getreidesanktionen, die weltweit zu enormer Inflation und Verschärfung von Lebensbedingungen geführt haben. Sie dankte dem Weltethos-Institut dafür, auf dieses wichtige Thema ein Scheinwerferlicht zu richten, da es eben besonders darum gehen müsse, wie wir die Zukunft und die multilateralen Beziehungen besser gestalten können. Dabei betonte sie, dass Außenpolitik ja immer auch globale und wertegeleitete Ziele habe, bei denen ehrlicherweise im internationalen Dialog immer auch Grenzen erreicht würden. Der Anspruch Menschenrechte zu stärken sei der richtige, aber zweifelsohne auch ein hoher, so die Bundestagsabgeordnete. „In der Praxis treffen oft Werte und Ziele auf Interessen“, beschreibt sie am Beispiel der Verhandlungen mit Katar über Energielieferungen, bei denen genau diesen Fragen die strittigen waren. Es würde deutlich, dass was moralisch als erstrebenswert gelte, oft praktisch nicht zielführend sei. Besonders ein neuer westlicher Werteimperialismus könne hier den internationalen Dialog erschweren, statt Türen für alle Beteiligte zu öffnen. Wichtig sei, so Widmann-Mauz, in der Außenpolitik Dilemmata zwischen Moral und Interessen nicht zu scheuen, sondern kontext- und kultursensibel aber auch konsequent zu agieren. Besonders in Zeiten eines sich verschärfenden globalen Systemwettbewerbs, in denen der Austausch mit der globalen Zivilgesellschaft nicht abbrechen dürfe.


Einen ganz anderen Blick auf eine menschenwürdige Globalisierung bot der Vortrag von Nadja Greku (vormals World Bank / jetzt ERIAC e.V.) „The Roma Minority: Inclusion, Exclusion, Security, and Insecurity„. Was hat dieser Beitrag mit „menschenwürdiger Globalisierung“ zu tun, mochte man sich vielleicht vorher man fragen. Der faktenreiche, spannende und pointierte Vortrag der Expertin in International Relations machte jedoch schnell deutlich: Einiges.
Nicht nur beschrieb sie die schwierige politische und wirtschaftliche Situation der größten und vor allem staatenlosen Minderheit in Europa, sie berührte auch Aspekte von historischem und strukturellem Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja. Ihr Vortrag stellte somit die Frage nach der Sichtbarkeit und Inklusion von Perspektiven und Werten, die in der Minderheit sind, und die im Zuge einer auf Humanität ausgerichteten Globalisierung Gehör, Sicherheit und Anerkennung finden wollen. Das Problem sei, dass aufgrund des verbreiteten Rassismus gegen die Minderheit, Sinti*zze und Rom*nja in vielen Ländern unter den globalen Krisen besonders stark leiden. So sind sie beispielsweise von Ausgrenzung sowohl in der Ukraine als auch in Russland aber auch anderen Ländern betroffen, worüber nur unzureichend berichtet würde. Wenige hätten je vom gewaltsamen Tod von Stanislav Tomáš durch Polizeigewalt in Tschechien gehört oder darüber, dass er in der Community von Sinti*zze und Rom*nja die weltweite Kampagne „Roma Lives Matter“ angestoßen habe. Tomáš war 2021 auf erschütternd ähnliche Weise wie George Floyd ein Jahr zuvor umgekommen.
Hoffnung gebe ihr, dass in vielen Ländern die Unterstützung von Menschen wachse, um Policies für Minderheiten wie diese zu schaffen, die sie vor Ausgrenzung und strukturellem Rassismus besser schützen. Die intensive gemeinsame Arbeit zu kultur- und minderheitssensiblen Policies habe sie sowohl in ihrer Beraterinnentätigkeit bei der World Bank, als auch bei ihrer jetzigen Tätigkeit für das European Roma Institute for Arts and Culture darin bestärkt, dass im politischen Bereich Rahmen geschaffen werden können, die ganz praktische Auswirkungen auf das Leben von Minderheiten haben. „Coherent, multi-level, multi-actor policy-making, integrated basic services and community-led devolopment does work“, so Greku. Wichtig sei dabei für die globale Entwicklung, dass man durch den Wertedialog voneinander und für die Praxis lernen wolle und Minderheiten so politische Sichtbarkeit und Teilhabe ermögliche.


Dr. Nurzat König richtete mit ihrem Beitrag unter dem Titel „Crypto-Mining and the face of Globalization in Kyrgystan. A case Study“ den Blick auf Zentralasien. Von Kirgistan aus stelle sich die Frage: Von welcher Globalisierung sprechen wir: Europäisierung, Russifizierung oder Sinisierung? Der geopolitisch im Einfluss der drei Großmächte stehende und teilweise direkt an sie angrenzende Kleinstaat zeichnet sich durch viel Berge und Gewässer und durch nur zu 20% bewohnbares Gebiet aus. Menschen wüssten im Allgemeinen wenig über das Land, obwohl es gerade wegen seiner Gegebenheiten auch in Zukunft interessant sein könnte: Kirgistan verfügt aufgrund der der vielen Berge, der über 2000 großen und kleinen Seen sowie vieler Flüsse über großes Potenzial für die Beforschung und Entwicklung hydro-elektrischer Stromgewinnung interessant sein, so die gebürtige Kirgisin.
Die ökonomische und politische Entwicklung seit dem Zerfall der Sowjetunion habe neben positiven Aspekten auch negative Folgen der Globalisierung in Kirgistan und anderen kleineren Staaten der ehemaligen Sowjetunion mit sich gebracht. So zum Beispiel wachsende Ungleichheit, Jobverluste, soziale und ökonomische Vulnerabilität. Die stärksten politischen und ökonomischen Verbindungen hat Kirgistan mit Russland und China, wobei es versucht auch in internationalen Beziehungen insbesondere in Europa seine Position zu stärken und zivilgesellschaftliche aus der EU viel zivilgesellschaftliche Unterstützung erfährt.
Eine verheerende Seite der Globalisierung habe nun aber spätestens seit wenigen Jahren durch die Cryptomining-Industrie in Kirgistan Einzug gehalten, so König. Die niedrigen Strompreise machten das Land trotz maroder Netzversorgung für den energieintensive Cryptomining-Sektor interessant, was aber nun zu einem Notstand in der Energieversorgung der Bevölkerung und der heimischen Wirtschaft geführt hat. Haushalte und Unternehmen sind täglich von Stromausfällen betroffen, die Preise für Strom sind gleichzeitig gestiegen – auch durch illegale Mining-Aktivitäten, die den Großteil der Industrie dort ausmachen. Eine so geartete Globalisierung, die aufgrund niedriger Preise in Kauf nimmt, das die Bevölkerung im harten kirgisischen Winter frieren und ihre Energieversorgung nicht mehr gewährleisten können, sei ein Fallbeispiel dafür, wie eine menschenwürdige Globalisierung eben gerade nicht gelingt.


Das dritte Panel mit Blick auf nachhaltige Entwicklung in der multipolaren Welt wurde mit einem Beitrag von Kerstin Schopp vom Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften der Universität Tübingen eröffnet. In ihrem Beitrag zum Thema „Nachhaltige Landwirtschaft in Tansania: Kleinbauern und -bäuerinnen, Globalisierung und Ethik“ besprach sie erste Ergebnisse ihrer intensiven Feldforschung vor Ort. Der Nachhaltigkeitsbegriff, den die Afrikanistin und Biologin verwendet, orientiert sich an dem der World Commission on Environment and Development und bezieht sich auf „eine Entwicklung, die intra- und intergenerational gerecht und innerhalb der planetaren und menschengemachten Grenzen stattfindet“. Unter letzteren versteht sie auch jene, die technischer oder sozialer und politischer Natur sind. Warum ist also Tansania hier besonders interessant? Weil das Land, so Schopp, einerseits reich an Biomasse ist und sich zum anderen im Spannungsfeld zwischen der ehemaligen Ujamaa-Politik – auch afrikanischer Sozialismus genannt, der Ubuntu-Philosophie und der heutigen neoliberalen Welt befinde. In der Ujamaa-Politik wurden vor allem Werte wie Einheit, Gleichheit Freiheit und Frieden proklamiert, wichtig war die Selbstversorgung, die Ernährungshoheit, aber auch die Kollektivierung der Produktionsmittel und -güter. Es habe auch Schattenseiten in dieser politischen Ära gegeben, zum Beispiel Zwangsumsiedlungen. Dennoch sei zu betonen, dass die Einführung einer gemeinsamen Landessprache, gemeinsamer Werte und wirtschaftlicher Ziele auch für einen Frieden im Land gesorgt habe, über den die Menschen sehr stolz berichten.
In ihrer Feldforschung lag der Fokus auf semi-kommerziellen und semi-/subsistenten Kleinbäuer:innen, die in der Kilimandscharo- und Arusha-Region leben und mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Es habe sich gezeigt, dass diese Gruppe sich einerseits durch emotionale Bindung zum eigenen Stück Land und seinen Ökosystem-Dienstleitungen, aber auch durch eine hohe Wertschätzung für die gemeinschaftliche Werte und Vorbilder, wie auch das Streben nach Anerkennung, Selbstversorgung und -verwirklichung diese auszeichnete. Im Spannungsfeld von Globalisierungseinflüssen, aktuell besonders durch China, sei es allerdings zunehmend schwieriger die Spannungen zwischen Ujamaa-Erbe und Ubuntu-Philosophien und fremden Wirtschafts- und Wertesystemen auszuhalten und den Umgang damit zu finden. „Wir müssen also die Lebensrealitäten der tansanischen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern mit einer menschwürdigen Globalisierung in Verbindung bringen – denn nur so können wir dann auch intra- und intergenerationell gerecht handeln“, so die Wissenschaftlerin. Dazu könnten wir die Rolle von Kooperativen stärken, um wirtschaftlich, epistemisch und auch politisch einen Beitrag im Land und darüber hinaus zu leisten.


Den Abschlussvortrag der Tagung hielt Prof. Dr. Jürgen Manemann unter dem Titel „Menschenwürdige Globalisierung im Spiegel der weltweiten ökologischen Krise: Was können, was sollen, was müssen wir tun?„.

Zunächst sei wichtig, begann der Direktor des Forschungsinstituts für Philosophie in Hannover, sich der (früheren) Gestaltungsmacht und der Mannigfaltigkeit des Begriffes „Globalisierung“ bewusst zu machen. Globalisierung sei weit mehr als nur ein Begriff, der einen Inhalt transportiere, sondern immer auch ein Appell, ein Plädoyer für ein kosmopolitisches Bewusstsein, das sich auf Basis eines wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und religiösen weltweiten Austausches über die Grenzen hinweg einstellen möge, so Manemann. Globalisierungskritiker*innen, würden jedoch seit vielen Jahren Gegenöffentlichkeiten dadurch erzeugen, dass sie auf eine hegemoniale kapitalistische und westliche Deutungsmacht der Globalisierung hinweisen, manche darunter auch mit Blick auf die ökologischen und sozialen Folgen. Es zeige sich aber zunehmend auch, dass innerhalb der Globalisierungsbefürworter*innen der Ruf nach ökologischer Verantwortung lauter werde. Die globale Gesellschaft avancierte also zu einer kosmopolitischen Weltrisikogesellschaft. Grundprinzip dieser seien „von Menschen hergestellte, antizipierte Gefahren, welche sich weder räumlich noch zeitlich oder sozial eingrenzen lassen“, zitiert Manemann Ulrich Beck aus dem Buch „Weltrisikogesellschaft“.
Mit Blick auf die Klimakatastrophe, die nun kein rein potenzielles Risiko mehr sei, schlägt Manemann einen Paradigmenwechsel von der Globalisierung hin zur „Ökologisierung“ vor. Anders als erstere, stehe die Ökologisierung für einen nach-anthropozentrischen Diskurs, in dessen Zentrum nicht mehr in erster Linie der Mensch und seine Modernisierungen, sondern vor allem Bewohnbarkeitspfade für organisches Leben verhandelt würden. Während die Weltrisikogesellschaft sich durch Nicht-Wissen auszeichne, so präge die Weltgesellschaft in der Klimakrise das Nicht-Verstehen aus. Wie soll eine einzelne Person ein empathisches Verhältnis zu statistischen Informationen bekommen, wie in Beziehung dazu stehen, in welchen Dimensionen Biodiversität und Menschenleben akut bedroht sind? Unser Vorstellungsvermögen halte nicht mehr unserem Herstellungsvermögen mit und daher gelte es jetzt besonders die Trennung von Wissen und Sinnlichkeit besser zu überwinden. Schwinde erst die sinnliche Erfahrung, gefährde die auch die Wirklichkeits- und Beziehungsfähigkeit. Ist sinnliche Erfahrung zerstört, so werde Verhalten zerstörerisch. Sinnliche Erfahrung und Erfurcht vor dem Leben lege die Quelle für Moral und sei die Grundlage für den Paradigmenwechsel hin zu einer Ökologisierung. Diese müsse in relativer Freiheit von den Wirkprinzipien der Globalisierung entfaltet werden, da sie nach-anthropozentrisch ist. Es gehe dabei aber nicht um die Abschaffung des Menschen (beispielsweise durch die Technologie), sondern um dessen Dezentrierung zugunsten allen Lebens sowie um das das Prinzip von Konvivialität und von Responsabilität (nach Donna Haraway) zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung.


Die unterschiedlichen Beiträge sowie offene Fragen und gesammelte Eindrücke wurden im Anschluss gemeinschaftlich im Plenum geteilt. Dabei wurde deutlich, dass Lern- und Dialogorte wie die Tagung wichtig und fruchtbar sind, um weiter an geeigneten Rahmenwerken für die Gestaltung von zum Beispiel einer menschenwürdigen Globalisierung zu arbeiten.

Das Team des Weltethos-Instituts bedankt sich herzlich bei allen Referent*innen und Teilnehmenden für ihre wertvollen Beiträge. Wir halten Sie zu diesem und anderen Themen gerne weiterhin mit unserem Newsletter auf dem Laufenden.