Unser ehemaliger Institutsdirektor Claus Dierksmeier, der am Tübinger Institut für Politikwissenschaft eine Professur für „Globalisierungsethik unter besonderer Berücksichtigung der Weltethos Idee“ innehat, veröffentlichte jüngst zwei neue Aufsätze. Fokus seiner Arbeit ist die Globalisierungsethik im Hinblick auf ihre wirtschaftlichen und politischen Anwendungen – auch im Bereich neuer Technologien und Künstlicher Intelligenz. Sein Schwerpunkt liegt dabei auf einer säkularen Begründung von Weltethos aufgrund der Idee „qualitativer Freiheit“.
Die Veröffentlichungen behandeln diese Themen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven, die den Weltethos-Bezug nicht auf den ersten, sehr wohl aber auf den zweiten Blick erkennen lassen.
Im einen – einem englischsprachigen Essay für das Renovatio Journal des Zaytuna College – argumentiert Dierksmeier mit Blick auf westliche Philosophietraditionen, inwiefern das Schöne für das Gemeinwohl unverzichtbar ist. Obschon Ästhetik in den Augen vieler etwas Oberflächliches und Unwesentliches sei, zweitrangig gegenüber den vermeintlich dringlicheren und ernsthafteren Belangen des menschlichen Verhaltens und des Miteinanders in Vielfalt, versucht Dierksmeier ein Licht darauf zu werfen, warum wir – Individuen, Institutionen und die Gesellschaft – nach wie vor gute und starke Gründe haben, um uns mit dem Schönen auseinanderzusetzen. Ästhetische Erfahrung enthalte, so Professor Dierksmeier, immer auch eine transzendentale Dimension, die zu philosophisch-theologischen Überlegungen Anlass gab und gibt.
Die zweite Veröffentlichung ist ein Aufsatz, der – ebenfalls in englischer Sprache – im Band „Kant and Artificial Intelligence“ im Mai 2022 im DeGruyter Verlag erscheint. In „Partners, Not Parts. Enhanced Autonomy Through Artificial Intelligence? A Kantian Perspective“ will der Lehrstuhlinhaber für Globalisierungsethik das kritische Potenzial des Kant’schen Konzepts autonomiefördernder Institutionen aufzeigen. Im Mittelpunkt dieser Überlegungen steht dabei der Gedanke, dass soziale Institutionen die Individuen entsprechend ihrer persönlichen Autonomie behandeln sollten, dass Einzelne also nicht als bloßer Teil eines Ganzen untergehen und in ihrer moralische Verfasstheit als Selbstzweck missachtet werden. Vielmehr sollten Einzelne als Mitglieder integriert werden, deren Ziele für die jeweilige Organisation co-konstitutiv werden. Dierksmeier zeigt anhand der Bewertung zweier bestehender alghorithmischer Anwendungen im Bereich der professionellen Partnervermittlung auf, dass die Kant’sche Perspektive hier eine normative Orientierung bieten kann.