Wolfgang Bauer ist Journalist bei der Hamburger ZEIT und sehr erfahren in der Berichterstattung über Krisen und Kriege. Er diskutierte am 28. Februar mit Prof. Jürgen Wertheimer und Dr. Bernd Villhauer über die Verantwortung der Presse, über Objektivität in Zeiten des Populismus und der „fake news“, über die Schwierigkeit, auch denen noch gerecht zu werden, die sich schwerer Verbrechen schuldig gemacht haben. So berichtete er eindrucksvoll von einem Interview mit einem verurteilten Kriegsverbrecher, der mittlerweile mit seiner Familie in den Niederlanden wohnt. „Sie spielen dann zum Beispiel Schach mit einem solchen Mann, unterhalten sich über philosophische Themen und wissen die ganz Zeit, dass er vermutlich hunderte von Männern, Frauen und Kindern auf dem Gewissen hat.“ Wie können wir solche Biographien besser verstehen? Was können wir beitragen, um den Kult der Radikalität und Gewalt nicht stärker werden zu lassen?
Solche Fragen stellen sich die Mitarbeiter des Cassandra-Projekts um Prof. Wertheimer, das am diesem Abend auch vorgestellt wurde. Benannt nach der berühmten Seherin aus der griechischen Mythologie, will das wissenschaftliche Team Krisenfrüherkennung durch Literaturanalyse ermöglichen. Dass das Projekt vom Bundesverteidigungsministerium finanziert wird, sorgte für zusätzlichen Gesprächsstoff. Bauer und Wertheimer vertraten dabei einen betont realpolitischen Standpunkt („Wie sollen Flugverbotszonen und humanitäre Versorgungskorridore ohne Waffengewalt gesichert werden?“), während WEIT-Geschäftsführer Villhauer nach den moralischen Dilemmata fragte, die sich aus solchen Strategien ergeben.
Das Cassandra-Projekt, das bis 2020 fortgeführt wird, wird zu gegebener Zeit im Weltethos-Institut seinen Zwischenstand bekannt geben und über Tätigkeiten berichten. Darüber hinaus soll Raum für kritischen Dialog geschaffen werden. Der Termin wird noch bekannt gegeben.
Text: Bernd Villhauer