An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

First slide

Das Projekt World Citizen School geht zu Ende – eine Bilanz

Nach elf lern- und lehrreichen Jahren kommt das Projekt „World Citizen School“ am Weltethos-Institut zu einem Abschluss. Die School durchlief eine Zeit voller Aufbrüche und Umbrüche, während derer der Kern der Sache aber nie verloren ging: Die Befähigung von Studierenden zur Übernahme von Verantwortung im Sinne der Weltethos-Werte. Durch Identitäts- und Begegnungslernen auf Basis des Dialogs um gemeinsame Werte, Ziele und Visionen sowie die Förderung und Vernetzung von studentischem Engagement konnten viele Impulse gegeben und auch nachhaltige Strukturen geschaffen werden.

Im Frühjahr 2013 entstand am Weltethos-Institut an der Universität Tübingen die Vision, einen Ort zu schaffen, der Studierenden Denk- und Handlungsfreiräume bietet und es ihnen ermöglicht, Neues zu entdecken und die Gesellschaft mitgestalten zu können. Das damalige Team unter Leitung von Michael Wihlenda motivierte der Gedanke, Menschen zusammenzubringen, um gemeinsam und projektbasiert die Welt ein Stück besser zu machen.

Unter dem Titel “Netzwerktreffen für Studierenden-Initiativen für gesellschaftlichen Mehrwert” wurden interessierte Vertreter*innen aller bekannten Initiativen eingeladen. Das Feedback ermutigte das Team, den Austausch fortzuführen und zu intensivieren. Den Aktivitäten lag von Beginn an die Philosophie der selbst organisierten Bildung zu Grunde – ein weltoffener und ganzheitlicher Ansatz, der mit dem Begriff der “World Citizen School” passend beschrieben ist, weswegen dieser auch zum Namen des Projekts wurde. 

Als “Schule für Weltbürger*innen” war das Ziel, die Selbst- und Weltverantwortung junger Erwachsener im Sinne der Weltethos-Idee zu fördern. Dafür wurde der Bildungsansatz des „gegenseitigen Empowerments“ mit dem Bottom-up-Ansatz „von Studierenden für Studierende“ zusammengebracht: Durch die gegenseitige Unterstützung sollten Studierende befähigt werden bzw. sich selbst befähigen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Dafür wurde im Laufe der folgenden Jahre viel ausprobiert, seit Beginn verstand sich die School als lernende Organisation.

Unter dem Motto „Act. Learn. Change.“ erhielten die Mitglieder der School einen freien Lernraum, um zu experimentieren, Projekte zu entwickeln, gemeinsam zu gestalten und somit Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen. Als Social Reporter, Coaches oder Researcher übernahmen sie Kommunikations-, Beratungs- und Forschungsaufgaben für studentische Hochschulinitiativen, förderten deren inhaltliche Ausrichtung und verbesserten Prozesse und Vernetzung.

Die World Citizen School – eine weltethische Praxisschule

  • ein Raum für selbst bestimmtes, werteorientiertes Lernen.
  • ein Dach für gesellschaftlich engagierte Studierende.
  • ein Fundament für sozialinnovative Ideen.

Als Teil des Weltethos-Instituts an der Universität Tübingen und mit der Unterstützung vieler Kolleg*innen an der Universität Tübingen konnte aus dem Prototyp nach und nach ein verbreitungsfähiges Modell entwickelt werden. Dank gilt hier insbesondere den unterschiedlichen Leitungen der School, Dr. Katja Duckek, Dr. Julia Schönborn und Dr. Michael Wihlenda, den vielen studentischen Mitarbeiter*Innen der vergangenen Jahre sowie im Besonderen Dr. Christopher Gohl, Prof. Claus Dierksmeier und dem Generalsekretär der Stiftung Weltethos, Dr. Stephan Schlensog.

Zahlen, Daten, Fakten

Über den Zeitraum von elf Jahren wurden unterschiedliche Lernangebote bzw. -formate geschaffen und ausgetestet. Einen umfassenden Einblick in die ersten Jahre bietet der „Wirkungsbericht 2013 – 2016“. Insbesondere die ab 2018 angebotenen Veranstaltungen zu Projektmanagement- und Führungsthemen waren mit fast 60 Teilnehmenden pro Semester gut besucht. Auch die Social Innovation Camps konnten zeitweise über 30 Personen erreichen. Über die gesamte Laufzeit konnten viele Studierende und studentische Initiativen von den Inhalten der School profitieren. Zahlreiche Vorträge und wissenschaftliche Publikationen wurden in dieser Zeit veröffentlicht, der Goodnews-Letter erreichte über 1.000 Abonennten.

Seit etwa 2020 ließen die Teilnehmendenzahlen allerdings sukzessive nach, bis zuletzt nur noch einstellige Werte erreicht werden konnten. Auch der enge Kontakt zu den studentischen Initiativen wurde geringer. Dies ist sicherlich zu einem gewissen Anteil der Pandemie zuzuschreiben, auch wenn es gelang , durch digitale Angebote weiterhin präsent zu sein. In der Folge der Lockdowns ließ die grundsätzliche Engagementbereitschaft bei Studierenden nach, was nicht zuletzt auch mit der geringeren Vor-Ort-Anwesenheit verbunden war. Hinzu kam, dass inzwischen Tätigkeiten der School durch  neue Einrichtungen (mit-)übernommen wurden, etwa die Begleitung und Vernetzung der Initiativen sowie überfachliche Qualifizierungsangebote. Zusätzliche personelle Wechsel und geringe kapazitative Ausstattung führten letztendlich dazu, dass im Herbst 2023 eine strategische Neuausrichtung der School im Raum stand.

Aus den vielfältigen und fruchtbaren Erfahrungen der Vorjahre entstand so am Ende ein kompetenz- und praxisorientiertes Lernprogramm, das die Kernthemen der School und ihrer grundlegenden Idee der Weltverantwortung und gesellschaftlichen Mitgestaltung wieder stärker in den Vordergrund rückt. Es besteht aus Impulsen, Anwendungspraxis, freier Gestaltung und Reflexion zu den Themen Identitätslernen und Wertebildung, Verantwortung, Purpose, Nutzen und Dialogfähigkeit. Dieses Programm kann nun als Projektformat durch das Weltethos-Institut angeboten werden.   

Was bleibt?

Die World Citizen School traf zum Zeitpunkt ihrer Gründung einen echten Nerv. Nach einem Vortrag auf der UN PRME DACH Konferenz 2014 entstand noch unter dem alten Namen ein “Student Hub” an der HTW Chur in der Schweiz. So gab es früh einen ersten fremdsprachigen Ableger – die World Citizen School Aix-Marseille – die der Student David Schneider im Rahmen seines Auslandssemesters initiierte.

Im Laufe der Jahre konnten zudem Erfolge verzeichnet werden, die auch nach Abschluss des Projekts weiter Bestand haben werden, darunter:

  • Die Menschenrechtswoche, gegründet im Jahr 2015, inzwischen eine feste Institution im Tübinger Umkreis.
  • Vernetzungsformate für Hochschulinitiativen und Stadtgesellschaft, z.B. der „Marktplatz für gute Geschäfte“, der gemeinsam mit der Stadt Tübingen in diesem Jahr zum dritten Mal stattfand
  • Ein Programm für die Gestaltung von selbstorganisierter Nachhilfe für Schüler*innen
  • Der „Dies Digitalis“, eine digitale Version des „Markts der Möglichkeiten“ der Universität Tübingen. Diese innovative Vernetzungsveranstaltung entstand während der Pandemie und war Vorreiter für weitere ähnliche Formate.
  • Lernmaterialien für Social Innovation Education, Teamcoaching, agiles Arbeiten und Workshopgestaltung
  • Ein Hochschul-Kooperationsnetzwerk, u.a. mit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, der Universität Koblenz-Landau und der Universität Konstanz.

2018 wurde der Verein World Citizen Alliance e.V. gegründet. Der Verein verfolgt auch weiterhin den Zweck der Verbreitung transformierender Social-InnovationLernprogramme und Lernmaterialien, den weiteren Ausbau des Hochschulnetzwerks, die Kommunikation von Best Practice-Beispielen, leistet Begleitforschung und bietet Train-the-Trainer-Angebote.

Ein Fazit

Die “World Citizen School” hat in Tübingen Pionierarbeit geleistet und wichtige Diskussionen angestoßen. Das ist auch daran erkennbar, dass der von der School verfolgte, transformative Lehransatz auch am Weltethos-Institut an der Universität Tübingen beraten wird. An anderen Hochschulen hat er sogar bereits Einzug in ganze Studiengänge gefunden, wie etwa der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung in Koblenz, einem Kooperationspartner des Weltethos-Instituts. Die Beteiligung der Studierenden an der Gestaltung der Lehr- und Lernformate ist ein wichtiger Baustein zu einem reflektierten und verantwortlichen Umgang miteinander.

Der „Markt“ für gesellschaftliches Engagement und sozialinnovative Gründungen hat sich in den letzten Jahren – nicht nur durch die rasante Digitalisierung – deutlich weiterentwickelt und professionalisiert. Dies hat auch Auswirkungen auf die Ansprüche und Bedarfe von Hochschulinitiativen und Gründungsinteressierte. Bundesweite Netzwerke und Institutionen bieten inzwischen zahlreiche Beratungs- und Unterstützungsleistungen an. Aus diesen Gründen kann das Projekt „World Citizen School“ in seiner aktuellen Form mit gutem Gewissen abgeschlossen werden. Nichtsdestotrotz ist die Idee der Bildung von Weltbürgern im weltethischen Sinne Hans Küngs weiterhin ein zentrales Thema des Weltethos-Instituts und könnte in einer Neuauflage der School jederzeit wieder aufgegriffen werden.