An-Institut der Stiftung Weltethos
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Geheimes Papier: Bundesregierung will doch private Schiedsgerichte

Gabriel ertappt, bzw. entlarvt
BM Sigmar Gabriel, SPD - © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft„Wir brauchen keine privaten Schiedsgerichte“, hat Wirtschaftsminister Gabriel (SPD) immer wieder – z. B. beim TTIP-Tag im Berliner Willy-Brandt-Haus  – versichert und erklärt, man wolle stattdessen einen internationalen Wirtschaftsgerichtshof. Doch das waren wohl eher Placebo-Erklärungen. Denn wie diese Woche öffentlich wurde, setzt sich die Bundesregierung hinter verschlossenen Türen genau für eine Ausweitung eben dieser Schiedsgerichte ein – so das Münchner Umwelt-Institut in einer Mitteilung.

Vor diesen Schiedsgerichten können internationale Investoren -z.B. im Fall des Abschlusses von CETA und TITIP – Schadensersatz einfordern, wenn politische Entscheidungen ihre (erwarteten!) Gewinne zu beeinträchtigen drohen. Im aktuellen Fall geht es um Alt-Verträge zwischen EU-Mitgliedern aus dem Westen und Ländern des ehemaligen Ostblocks. Die EU-Kommission fordert die Abschaffung der Verträge, weil viele der betreffenden Länder inzwischen Mitgliedstaaten der EU sind. Dagegen schlägt die Bundesregierung gemeinsam mit weiteren Regierungen in dem jetzt bekannt gewordenen Papier vor, das System auf die ganze EU auszuweiten.
Die aktuelle Situation – bisher geheim
„Investitionsschutz“ ist ein System von Sonderrechten, die international agierende Konzerne vor privaten Schiedsgerichten einklagen können. Hinter verschlossenen Türen schlagen die Regierungen von Deutschland, Österreich, Frankreich, Finnland und den Niederlanden eine massive Ausweitung des Systems vor.
Seit der Debatte um TTIP und einiger spektakulärer Klagen wie der von Vattenfall gegen den Atomausstieg (siehe: http://www.solarify.eu/2014/10/01/285-vattenfall-stiehlt-sich-aus-den-atom-kulissen/), ist das System bekannt. Eigentlich steht es in ganz Europa unter Druck und kaum einE PolitikerIn möchte sich öffentlich für die Schiedsgerichte aussprechen. Gerade in den genannten Staaten ist die Bevölkerung besonders kritisch. Dass sich unsere Regierungen hinter dem Rücken der BürgerInnen für eine Ausweitung des Systems aussprechen, ist ein Skandal.
Der Hintergrund des Skandals
Als sich die Staaten des ehemaligen Ostblocks in den 1990er Jahren der EU zuwandten, schlossen viele von ihnen Verträge mit westeuropäischen Staaten, die Investitionen aus dem Westen fördern sollten. Dazu gab man den InvestorInnen Sonderrechte und Schutz vor staatlichen Maßnahmen, die sie vor privaten Schiedsstellen einklagen können.

Die EU-Kommission kämpft seit Jahren gegen diese alten Verträge. Inzwischen sind elf der ehemaligen Ostblockstaaten in die Europäische Union eingetreten. Derartige Verträge zwischen EU-Mitgliedern widersprechen dem Geist und dem Recht der Union. Fälle, in denen ein niederländischer Konzern Estland vor ein Schiedsgericht zieht, weil ihm nicht erlaubt wurde, die Wasserpreise in der Hauptstadt Tallin zu erhöhen oder die Drohung des österreichischen Holzhändlers Schweighofer gegen das neue rumänische Waldgesetz letztes Jahr darf es in der EU nicht geben.

Der Plan: Ein Investitionsschutzvertrag für die ganze EU
Die Kommission hat den Druck immer wieder erhöht. Im April antworteten die fünf genannten Regierungen mit einem skandalösen Vorschlag: Die alten Verträge wollen sie in einen neuen gesamteuropäischen Vertrag überführen, der die Sonderrechte für die Konzerne auf die ganze EU ausdehnt. Schiedsgerichte würden so Konzernklagen zwischen allen Mitgliedsstaaten verhandeln.
Als Begründung für diesen Vorschlag führen die fünf Regierungen nicht nur an, dass sie den InvestorInnen in Osteuropa den „Schutz“ nicht nehmen wollen, sondern auch die öffentliche Meinung. Wenn jetzt die Verträge innerhalb der EU aufgehoben werden, so arumentieren sie, wie sollen wir dann begründen, dass wir solche Verträge mit den USA und Kanada brauchen?
Doch die fünf Regierungen haben unterschätzt, dass Europa längst viel demokratischer geprägt ist als die Institutionen der EU. Es ist einfach nicht mehr möglich, dass eine Handvoll Regierungen von Mitgliedsstaaten im Geheimen Politik gegen 500.000.000 Menschen macht. Jetzt, wo der Vorschlag öffentlich ist, geben wir ihm keine Chance mehr, Wirklichkeit zu werden.
Quelle: umweltinstitut.org//bundesregierung-will-klagerechte-fuer-konzerne-ausweiten

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...