An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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Aktueller Stand zu CETA und TTIP den Umwelt- und Agrarbereich betreffend

CETA fertig verhandelt
Martin Häusling, MdEP - Foto © martin.haeusling.euDer Europaabgeordnete Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen/EFA im Europaparlament und Mitglied im Umweltausschuss, hat einen Zwischenstand zu CETA und TTIP für seinen Themenbereich veröffentlicht:
Der Text von CETA  ist bisher nur auf Englisch verfügbar. Sobald es in alle Amtssprachen der EU übersetzt wurde, wird es im Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament diskutiert werden.Cecilia Malmström - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur ZukunftLaut EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström sind CETA und TTIP „ziemlich wahrscheinlich“ gemischte Abkommen, das heißt, dass sie auch von den Parlamenten der Mitgliedstaaten abgestimmt werden müssen. Auch die deutsche Regierung geht davon aus, dass es sich um gemischte Abkommen handelt.
Prof. Dr. Franz C. Mayer, LL.M. (Yale), Universität Bielefeld - Foto © BMWiFür CETA hat Prof. Dr. Franz C. Mayer im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums ein Gutachten erstellt, das zu dem Ergebnis kommt: CETA muss als gemischtes Abkommen angesehen werden. Da TTIP noch weit umfangreicher ist, kann man davon ausgehen, dass dies auch für TTIP gilt. Wenn sich Kommission und Rat nicht einigen können, ob die Abkommen gemischt sind oder nicht, muss der Europäische Gerichtshof entscheiden.
Kurzbewertung des CETA-Vertragstextes
Der Schutz der Umwelt und von Arbeitsstandards sind eher als allgemeine Bestimmungen und vergleichsweise schwach ausgestaltet und ohne effektive Sanktions- oder Durchsetzungsmechanismen. Im Rahmen des Abkommens sollen verschiedene Kooperations- und Dialogforen zur regulierenden Zusammenarbeit institutionalisiert werden, in denen die Umsetzung des Abkommens begleitet und weitere Liberalisierungen des Handels vereinbart werden sollen. Viele dieser Regelungen betreffen Regelungen im Arbeitnehmer-, Verbraucher- und Umweltschutz. stop CETA, TTIP, TISADie möglichen Folgen des Abkommens in diesen Bereichen ergeben sich somit nicht allein aus den bereichsspezifischen Vereinbarungen, sondern im Zusammenspiel mit der regulativen Zusammenarbeit. Gegenüber den primären Zielen des Abkommens, Handelsliberalisierung und Investitionsschutz, werden diese Standards bzw. Regulierungen auch nicht als genuine Rechte des Staates, sondern als begründungsbedürftige Ausnahmen behandelt.
Im Bereich landwirtschaftlicher Produkte/Verfahren und Gentechnik sieht CETA jenseits des Abbaus von Zöllen oder Mengenbeschränkungen zunächst keine ausdrückliche Liberalisierung vor. Deren Behandlung in den Foren der regulatorischen Kooperation nach Verabschiedung des Abkommens kann aber unter Lobbydruck zu einer schleichenden Erosion bestehender Standards beitragen und in Bereichen, in denen keine grundsätzlichen Marktzugangsverbote bestehen, kann der Investitionsschutz (ISDS) dazu beitragen, Re-Regulierungen oder verbesserte Standards zu erschweren.
Investitionsschutz – Augenwischerei
Die Passagen zum Investitionsschutz und zum Schiedsgerichtsverfahren enthalten im aktuellen endgültig veröffentlichten Text auch in CETA einige Aspekte des Handelsgerichtshofes, so wie die EU ihn für TTIP vorschlägt, anstatt die inzwischen als unhaltbar betrachteten ISDS (Bewertung s.u.).
Europäische Ursprungsbezeichnungen – jetzt auf kanadisch…
Zwar hat Kanada die europäischen Ursprungsbezeichnungen anerkannt, aber ein besserer Schutz der europäischen Angaben vor kanadischen, ähnlich klingenden Produktnamen wurde von der EU-Verhandlungsseite nicht durchgesetzt: Am Markt „etablierte“ kanadische Produkte dürfen auch weiterhin Feta, Gorgonzola, Fontina, Asiago sowie französischer Munster heißen. Bei neuen Produkten dürfen die Namen weiterhin „anklingen“. Die Bezeichnungen „Black Forest Ham“ und „Bayerisches Bier“ sind für kanadische Produkte ebenfalls weiterhin erlaubt. Siehe auch: http://www.martin-haeusling.eu/images/141002_Positionspapier_CETA_Haeusling_okt14.pdf
„Vorläufige Anwendung“ von CETA
Da das Ratifizierungsverfahren in den Mitgliedsstaaten Jahre dauern kann, gibt es die Möglichkeit, den Vertrag vorläufig anzuwenden. Die vorläufige Anwendung endet mit dem Inkrafttreten des Vertrags. Dieses Verfahren ist nur für die Teile des CETA-Vertrags möglich, die der EU-Kompetenz unterliegen. Für die vorläufige Anwendung ist nur eine qualifizierte Mehrheit im Rat nötig (Artikel 207 AEUV). Das heißt, diese ist ohne Mitwirkung des EU-Parlaments rechtlich möglich. Der Rat erlässt auf Vorschlag des Verhandlungsführers (d.h. die Kommission) einen Beschluss, mit dem die Unterzeichnung der Übereinkunft und gegebenenfalls deren vorläufige Anwendung vor dem Inkrafttreten genehmigt werden (Art. 218 AEUV). Dieses Verfahren würde Teile von CETA inkraftsetzen, obwohl gar nicht sicher wäre, dass das Europaparlament oder alle Parlamente der Mitgliedstaaten zustimmen.
TTIP – Verhandlungsstand
Anfang März 2016 fand in Brüssel die 12. Verhandlungsrunde zu TTIP statt. Das umstrittene Thema Investitionsschutz kam diesmal zum ersten Mal zur Sprache. Noch sind die TTIP-Verhandlungen weit davon entfernt, gegen Ende des Jahres abgeschlossen zu werden, wie es die Kommission als Zielvorgabe angekündigt hat.
„Es werden keine Standards gesenkt“…
Nach wie vor betonen die EU-Kommission und die deutsche Regierung, dass es keine Abschwächung von Standards im Umwelt- und Verbraucherschutzbereich oder bei der Lebensmittelqualität geben wird (also keine „Chlorhühnchen“, keine Gentechnik etc.) und dass diese Bereiche gar nicht zur Verhandlung stünden. Diese Aussagen waren nicht nur von Anfang an unglaubwürdig, sie sind auch faktisch falsch, wie Äußerungen und Dokumente aus den USA zeigen: Tom Vilsack  - Foto © Bob Nichols - USDA, Public Domain, wikimedia.orgUS-Landwirtschaftsminister Tom Vilsack sagte im Dezember 2015 in einer Aussprache im Agrarausschuss des Europäischen Parlaments, wenn es keine Einigung im Sinne der US-Interessen bei geschützten geografischen Angaben, Gentechnik, Chlor- und Säurebädern zur Fleischdesinfektion gebe, werde es TTIP nicht geben. Diesen Verhandlungsstandpunkt kann man auch ganz offiziell auf der Internetseite des US-Landwirtschaftsministeriums nachlesen.
Handels-Gerichtshof „rechtswidrig“
Nachdem es noch im Januar 2014 in einer Erklärung der deutschen Bundesregierung hieß:
„Deutschland erachtet Bestimmungen zum Investitionsschutz einschließlich Investor-Staat Schiedsverfahren in Abkommen mit OECD-Staaten (…) grundsätzlich nicht als erforderlich“, hatte Wirtschaftsminister Gabriel aufgrund des starken Drucks aus den USA, die nicht auf ISDS verzichten wollen und andererseits der starken öffentlichen Kritik in Europa, ein Gegenmodell zu ISDS vorgeschlagen. Eigens für TTIP soll ein Handels-Gerichtshof gegründet werden. Anstelle der bisher angedachten, wenig transparenten und vor allem privaten Schiedsgerichte soll der Gerichtshof als unabhängige Instanz eingeschaltet werden können, falls Unternehmen den im Abkommen vereinbarten Investitionsschutz einklagen sollten. Was es mit diesem Handels-Gerichtshof im Unterschied zu ISDS auf sich hat, kann man hier und hier nachlesen. Im Prinzip bleibt es bei einer Paralleljustiz, die internationalen Konzernen Klagemöglichkeiten einräumt, falls Gewinne aufgrund von gesetzlichen Entscheidungen ausbleiben, während Bürger diese nicht haben, falls ihre Erwartungen an mehr Arbeits-, Umwelt-, Gesundheits- oder Tierschutz ausbleiben. Der Deutsche Richterbund schrieb im Februar an die EU-Kommission und bezeichnete den von ihr geplanten „öffentlichen Investitionsgerichtshof“ als rechtswidrig und zudem überflüssig.
Der Mittelstand profitiert?
TTIP soll nach Aussagen der EU-Kommission und der Deutschen Regierung nicht nur internationalen Konzernen sondern vor allem dem Mittelstand Vorteile bieten. Das sehen mehr als 2.000 Mittelstandsunternehmen in Deutschland allerdings nicht so, sie wenden sich gegen TTIP: KMU gegen TTIP – s.a.: http://blog.ethisch-oekologisches-rating.org/aufruf-kmu-gegen-ttip/.
Eine im Auftrag von Unternehmensgrün durchgeführte Studie beleuchtet die Gefahren, die sich gerade für Mittelstandsunternehmen durch TTIP (und CETA) ergeben können. Die Studie kam im Januar 2016 zu dem Schluss: „Ruinöse Konkurrenz für Landwirte – Risiko für qualitätsorientierte kleine und mittlere Betriebe“. Im März 2016 wird deutlich: Der deutsche Mittelstand lehnt das geplante Freihandhandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der Europäischen Union (EU) mehrheitlich ab. Zu diesem Urteil kommt eine repräsentative Mitgliederbefragung des Forschungsinstituts Prognos für den Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) und die Schöpflin Stiftung. „Eher negative“ oder „sehr negative“ Auswirkungen“ befürchten demnach 62 Prozent der 800 Firmen, die sich in der Erhebung geäußert haben.
Widerstand gegen CETA und TTIP
Gegen CETA hat eine Musiklehrerin in Deutschland mit einer Onlinepetition die größte deutsche Bürgerklage organisiert. Anfang März 2016 haben über 165.000 Bürger diese Klage unterstützt. Prof. Dr. Andreas Fisahn - Foto © Uni BielefeldDer renommierte Rechtsprofessor Prof. Dr. Andreas Fisahn von der Universität Bielefeld hat sich bereit erklärt, die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen CETA zu verfassen, sobald die deutsche Fassung von CETA vorliegt – Rechtseinschätzung von Prof. Andreas Fisahn
Das internationale Bündnis „Stop TTIP“ stellte bei der Europäischen Kommission schon 2014 einen Registrierungsantrag für eine Europäische Bürgerinitiative (EBI) gegen das TTIP-Abkommen. Diese wurde von der EU-Kommission trotz Erlangung einer ausreichenden Anzahl an Unterschriften als unzulässig abgelehnt (nicht rechtskräftig). Wegen der Ablehnung hat „Stop TTIP“ am 10.11.2014 Klage gegen die Europäische Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg eingereicht. Die selbst organisierte Bürgerinitiative hat inzwischen mehr als 3 Millionen Unterschriften gegen TTIP gesammelt. Hier kann man die Zahl der Unterschriften nach Europäischen Mitgliedstaaten aufgeschlüsselt einsehen.
In Deutschland haben sich bis Ende 2015 mehr als 300 Kommunen in Beschlüssen gegen TTIP und CETA ausgesprochen. Hier kann man die Positionen der deutschen Parteien zu TTIP nachlesen. In Europa steht die Europäische Volkspartei (EVP) hinter TTIP; die sozialdemokratische Partei (S&D) ist ähnlich gespalten, wie in Deutschland; die Grünen und Linken sind gegen TTIP.
->Quellen und weitere Infos:

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...