An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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Fortschritte bei der Finanztransaktionssteuer

Soll bis 2021 kommen
Am 13. und 14. Juni fanden in Luxemburg die Sitzungen der Eurogruppe und des ECOFIN-Rates statt. Ein großer Sprung wurde bei der Reform des ESM erzielt – dies ist wichtig für Stabilität der Bankenunion und der Gemeinschaftswährung. Die europäischen Finanzminister verständigten sich zudem auf Kernpunkte für einen künftigen Haushalt der Eurozone, dessen Finanzierung im Rahmen des Mehrjährigen Finanzrahmens entschieden werden soll. Auch bei der Finanztransaktionssteuer wurden Fortschritte erzielt – noch dieses Jahr sollen die Grundlagen gelegt werden, um die Steuer 2021 erheben zu können.
Deutschland und Frankreich wollen kleineren Mitgliedstaaten die umstrittene Finanztransaktionssteuer (FTT) mit Zugeständnissen schmackhaft machen. Ländern mit voraussichtlich geringen Einnahmen aus der geplanten Steuer soll ein Mindestanteil garantiert werden, der sich aus den Einnahmen anderer Länder speist. Das steht in einem Dokument des deutschen Finanzministers Olaf Scholz und seines französischen Kollegen Bruno Le Maire. Inzwischen sind Olaf Scholz und Bruno Le Maire  bei der Finanztransaktionssteuer einen Schritt auf ihre europäischen Kollegen zugegangewn. Die beiden Finanzminister wollen kleinere Länder stärker an der Abgabe beteiligen. So könnte neuer Schwung in die festgefahrenen Verhandlungen kommen.

Damit solle sichergestellt werden, dass auch kleinere EU-Länder die mit der Erhebung der Steuer verbundenen Kosten finanzieren können. Griechenland, der Slowakei und Slowenien stünden so mindestens 20 Millionen Euro Einnahmen zu. Der deutsche Fiskus würde nach dem Konzept von seinen 1,24 Milliarden Euro FTT-Einnahmen 19 Millionen Euro abgeben. Eine Verwendung der Gelder für den geplanten Haushalt für Euroländer soll zulässig sein, heißt es in dem Dokument vom EU-Finanzministertreffen vorige Woche in Luxemburg. Das Papier dient als Grundlage für die weiteren Verhandlungen.
Abgabe von mindestens 0,2 Prozent – Kampf gegen Schlupflöcher
Einstimmigkeitsprinzip hemmt notwendige Steuerreform der EU

Die Einführung einer Steuer auf Börsengeschäfte wird seit der Finanzkrise vor zehn Jahren in der EU diskutiert. Da es bei Steuerfragen der Einstimmigkeit der 28 Mitgliedsländer bedarf, kamen die Pläne nicht weit. Auf Initiative von Paris, Berlin und Wien soll es nun einen neuen Versuch geben, bei dem einige Länder voranpreschen. Nach EU-Recht ist das erlaubt, wenn neun Länder bei dieser sogenannten vertieften Kooperation mitziehen.
In dem Dokument sind zehn solcher Länder aufgezählt. Beim Kauf von Aktien einheimischer Konzerne ist eine Abgabe von mindestens 0,2 Prozent im jeweiligen Land vorgesehen. Die CDU/CSU und SPD hatten die Einführung der Steuer im Koalitionsvertrag vereinbart.
Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber kritisierte den Vorschlag. Eine Steuer, die europäischen Unternehmen die Finanzierung erschwere und langfristig orientierten Investoren Steine in den Weg lege, helfe Europa nicht weiter, sagte er. „Die Tatsache, dass man einige Mitgliedstaaten mit Zusatzzahlungen bestechen muss, damit sie überhaupt mitmachen, sagt eigentlich schon alles über die Vorschläge von Scholz und Le Maire.“

Die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe, zuständige Berichterstatterin: Die Verhandlungen zur Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer kommen voran. Die ersten Vorschläge zur Verteilung der Steuereinnahmen bieten auch kleineren Staaten Anreize zur Einführung der Steuer. „Es sind ermutigende Signale, die wir aus den Verhandlungen empfangen haben. Die Vorschläge zur Verteilung der Steuereinnahmen aus der Finanztransaktionssteuer zeigen, dass es trotz aller Schwierigkeiten Fortschritte gibt. Ein erfolgreicher Abschluss der Verhandlung bis Jahresende erscheint nun in Reichweite. Mit ihrem gemeinsamen Vorschlag gewährleisten Bundesfinanzminister Olaf Scholz und der französische Finanzminister Bruno Le Maire, dass sich die Einführung der Steuer auch für kleinere Staaten wie Slowenien oder die Slowakei lohnt. Darüber hinaus kann die nun vorgeschlagene Regelung einen Anreiz für weitere Staaten bilden, sich der verstärkten Zusammenarbeit anzuschließen. Wir befürworten die nun angestrebte Einführung einer Finanztransaktionssteuer nach französischem Vorbild im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit. Dies sollte jedoch nur der erste Schritt zu einer umfassenden Besteuerung der Finanzaktivitäten in der gesamten Europäischen Union sein.“
Finanztransaktionssteuer trifft angeblich die „Armen“

inanzexperten und Anlegerschützer schlagen Alarm: Die deutsche Aktienkultur ist in Gefahr. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) plant eine Finanztransaktionssteuer für Deutschland. Sie würde vor allem Kleinanleger treffen.

Was in Frankreich schon eingeführt ist, dürfte bald auch in Deutschland kommen: die Finanztransaktionssteuer. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat sie am vergangenen Freitag gemeinsam mit neun anderen EU-Staaten mit anderen Staaten klammheimlich durchgesetzt. Die neue Abgabe auf den Kauf und Verkauf von Aktien soll 2021 vor der nächsten Bundestagswahl kommen.

Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Österreich, Belgien, Portugal, Griechenland, Slowenien und die Slowakei hätten sich darauf verständigt, eine solche Börsensteuer nach französischem Modell einzuführen, sagte Bundesfinanzminister Scholz. In Frankreich werden seit August 2012 Käufe von Aktien von französischen Unternehmern mit 0,3 Prozent besteuert, die mindestens eine Marktkapitalisierung von einer Milliarde Euro haben. In Großbritannien gibt es ebenfalls eine Finanzsteuer, die auf die „Stempelsteuer“ aus dem 17. Jahrhundert zurückgeht.

Ökonomen, Anlegerschützer und sonstige Finanzexperten sind über den Vorstoß des Bundesfinanzministers nicht begeistert. Sie kritisieren die „Scholz-Steuer“ und bezweifeln, dass diese die Spekulation eindämmt. „Die Steuer ist ordnungs- und finanzpolitisch absurd“, meint Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in der „Welt“. Er verstehe nicht, warum ausgerechnet mit der Aktie eine Anlageform besteuert wird, die keine Spekulation darstelle. Sinnvoll – wenn überhaupt – wäre eine Steuer auf Derivate, Optionen und spezielle Finanzinstrumente wie CDS.

Auch Finanzwissenschaftlerin Isabel Schnabel, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, erwartet von der Finanztransaktionssteuer keinen spürbaren Effekt auf die Finanzmarktstabilität. Vielmehr schaffe die Steuer neue Verzerrungen, in dem sie die Aktienanlage verteure. „Das ist gerade in einem Land wie Deutschland problematisch, das keine ausgeprägte Aktienkultur hat und dessen Sparer unter den Niedrigzinsen leiden“, sagte sie der „Welt“.

Selbst in der Politik stößt die Börsensteuer auf wenig Beifall. Für den Finanzexperten der Grünen, Sven Giegold, ist die „Scholz-Steuer“ ein Etikettenschwindel. Für professionelle Investoren sei es einfach, die Abgabe zu umgehen. So könnten Banken und Fondsgesellschaften Transaktionen an Börsenplätzen tätigen, in denen Aktienkäufe nicht besteuert werden. Zum Beispiel in Luxemburg.

So würde die Börsen-Steuer vor allem Kleinanleger treffen. Das wäre fatal. Denn gerade in der aktuellen Null- oder Negativzins-Phase sind Aktien der beste Weg, Vermögen aufzubauen. Die deutsche Aktienkultur, die nach dem Neue-Markt-Desaster allmählich wieder hochkommt, könnte so wieder beschädigt werden.

Quellen:

 

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...