An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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CETA jetzt ohne ISDS

EU und Kanada beenden Nachverhandlungen – gemischtes Echo

Cecilia Malmström, Foto © Gerhard Hofmann, Agentur ZukunftAm 02.03.2016 hat die  EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström das Ende der Nachverhandlungen über das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA bekannt gegeben. Malmström nannte es einen Erfolg, dass die ursprünglich geheime Schiedsgerichtsbarkeit (SDS) im neuen Verrtragstext einem Investitionsgerichtshof (ICS) weicht. Demzufolge sollen die Verfahren transparenter werden, Berufsrichter werden von den Staaten ausgewählt und ausgebildet, schließlich soll es eine Berufungsinstanz geben.
Umwelt-Institut München logo neuJPGDoch das Umweltinstitut München bleibt kritisch: Die Kritikpunkte an dem umstrittenen Investionsschutz in CETA seien keineswegs ausgeräumt. Denn alle anderen Kritikpunkte würden von der Reform nicht einmal berührt. Vor einem solchen Investitionsgerichtshof könnten multinationale Unternehmen noch immer Staaten auf Schadenersatz verklagen, sollten diese politische Entscheidungen zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger treffen: Pestizidverbote, ein Ausstieg aus der Atomkraft oder ein Frackingverbot könnten die betreffenden Staaten dann teuer zu stehen kommen.
Klaus  Müller, vdzv - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft - 20160309 Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), sah das in einer Diskussionsveranstaltung beim Recherchenetzwerk Correctiv am 09.03.2016 positiver. Er sei weit entfernt davon, jetzt CETA pauschal zu verteidigen, Maria Orosz, Timo Lange, Klaus Müller, Reinhard Quick, Justus von Daniels - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft - 20160309aber man müsse jetzt das umfangreiche Kleingedruckte sorgfältig studieren, bevor der vzbv ein Urteil abgebe.
blog_campact_logo_340x105Wieder anders Campact: „Beim genaueren Hinsehen entpuppt sich ICS als Mogelpackung, denn die einzige wesentliche Verbesserung ist die Einführung einer Berufungsinstanz. Alle Gemeinheiten des alten ISDS Vorschlages tauchen auch im Modell des Handelsgerichtshofs auf. So eröffnet dieser auch Sonderklagemöglichkeiten für ausländische Konzerne – außerhalb des demokratisch legitimierten Rechtssystems.“
Vehemente Kritik komme deswegen auch vom Deutschen Richterbund (DRB). ICS sei kein internationales Gericht, sondern nur ein permanentes Schiedsgericht, dass in keiner Weise rechtsstaatlichen Gerichten gleichzusetzen sein. Der DRB sieht weder eine Rechtsgrundlage noch eine Notwendigkeit für ein solches Schiedsgericht.
Grünen-MdEP Häusling: „ICS ist Augenwischerei“ – Handels-Gerichtshof „rechtswidrig“
Martin Häusling, MdEP - Foto © gruene-landkreis-kassel.deMartin Häusling, Europaabgeordneter von Bündnis90/Die Grünen, hält nichts von der neuen Gerichtsbarkeit: „Nachdem es noch im Januar 2014 in einer Erklärung der deutschen Bundesregierung hieß: ‚Deutschland erachtet Bestimmungen zum Investitionsschutz einschließlich Investor-Staat Schiedsverfahren in Abkommen mit OECD-Staaten (…) grundsätzlich nicht als erforderlich‘, hatte Wirtschaftsminister Gabriel aufgrund des starken Drucks aus den USA, die nicht auf ISDS verzichten wollen und andererseits der starken öffentlichen Kritik in Europa, ein Gegenmodell zu ISDS vorgeschlagen. Eigens für TTIP soll ein Handels-Gerichtshof gegründet werden. Anstelle der bisher angedachten, wenig transparenten und vor allem privaten Schiedsgerichte soll der Gerichtshof als unabhängige Instanz eingeschaltet werden können, falls Unternehmen den im Abkommen vereinbarten Investitionsschutz einklagen sollten. Was es mit diesem Handels-Gerichtshof im Unterschied zu ISDS auf sich hat, kann man hier und hier nachlesen. Im Prinzip bleibt es bei einer Paralleljustiz, die internationalen Konzernen Klagemöglichkeiten einräumt, falls Gewinne aufgrund von gesetzlichen Entscheidungen ausbleiben, während Bürger diese nicht haben, falls ihre Erwartungen an mehr Arbeits-, Umwelt-, Gesundheits- oder Tierschutz ausbleiben.“
Warum Nachverhandlungen?
Anti-TTIP-Demo 10 - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur ZukunftDie Kommission steht unter Druck, denn die Ablehnung gegen CETA und TTIP wird immer größer. Besonders umstritten ist der Investitionsschutz, der einseitige Sonderrechte für internationale Konzerne schaffen soll. Um die Chancen des CETA-Abkommens im Europäischen Parlament zu verbessern, bat Malmström die erst im Oktober 2015 neu gewählte kanadische Regierung um Nachverhandlungen in diesem Bereich. Doch eine Reform des Investitionsschutzes ist nicht das, was die Menschen wollen: Bei einer Konsultation der EU-Kommission im Jahr 2014 gaben 97 Prozent der Teilnehmenden an, dass sie gar keinen Investitionsschutz in Handelsabkommen wollen. Es bleibt auch fraglich, warum der Investorenschutz – historisch einmal für unsichere Rechtsverhältnisse in Verträgen mit kommunistieschen oder Drittwelt-Staaten erdacht – bei Abkommen von Staaten mit voll funktionierendem Rechtssystem nötig sein soll. Das fragen sich auch Linke, Grüne, Foodwatch, Greenpeace und Germanwatch, sowie Dutzende weitere ablehnende NGOs.
Campact: „Was ist die Kritik am bisherigen Investitionsschutz?“
Mit dem Investitionsschutz würden internationale Konzerne prozedurale und materielle Sonderrechte erhalten: Prozedurale Sonderrechte, weil nur sie klagen können, und weil lokale Unternehmen oder einfachen Bürgern dieser Weg nicht offensteht. Materielle Sonderrechte, weil das darin enthaltene Konstrukt der „indirekten Enteignung“ nirgendwo sonst zu finden ist. Dieses Konstrukt ist zudem an und für sich indiskutabel. Es erweitert den Eigentumsbegriff auf Kosten der Gestaltungsfähigkeit der Demokratie. Dem bisherigen Investitionsschutz fehlen zudem rechtsstaatliche Verfahren, unter anderem weil die Schiedsverhandlungen oft geheim sind, es keine Berufungsmechanismen gibt, die RichterInnen in solchen auch als AnwältInnen arbeiten können und ein hohes finanzielles Interesse an den Verfahren haben. Außerdem fehlt den Schiedsverfahren die in staatlichen Gerichten vorgesehene Abwägung von Rechtsgütern und Interessen: Geschützt werden einzig und allein Investitionen. Kritisiert wird außerdem, dass Investitionsschutzfälle sehr hohe Summen an Steuergeldern kosten können und dieser Umstand von Unternehmen als Drohung gegen geplante politische Vorhaben genutzt werden kann.
Nach der Abstimmung auf europäischer Ebene müssen auch die Parlamente der Mitgliedsstaaten dem Abkommen zustimmen. Die EU-Kommission sieht das zwar anders, hat aber kaum eine Chance, sich mit ihrer Position durchzusetzen.
->Quellen:

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...