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CETA jetzt doch parlamentarisch – Pressestimmen

Kommentare deutscher Tageszeitungen
Cecilia Malmström, Foto © Gerhard Hofmann, Agentur ZukunftWie EU-Handelskommissarin Cecila Malmström in Straßburg bekanntgab, sollen die Parlamente der EU-Mitgliedstaaten nun doch über das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) abstimmen dürfen. Die EU-Kommission beschloss, von ihrer bisherigen Linie abzuweichen und das Abkommen als sogenannte gemischte Vereinbarung einzustufen. Die Kommission sei zwar nach wie vor der Auffassung, es handele sich juristisch gesehen um ein Abkommen, das allein unter die Zuständigkeit der EU falle, sagte Malmström. Sie trage jedoch der Kritik aus einigen Mitgliedstaaten Rechnung. Daher schlage die Kommission ein neues Verfahren vor: Die nationalen Parlamente sollen am Ratifizierungsprozess beteiligt werden. Gleichzeitig solle das Abkommen jedoch bereits „provisorisch“ in Kraft treten, wenn es von den EU-Staaten gebilligt und vom Europaparlament verabschiedet wurde. Vertreter von Grünen und Linken sowie die NGOs wittern die Chance, den Vertrag zu verhindern – und TTIP gleich mit.  Kommentare dazu.

Westfälische Nachrichten logo    WESTFÄLISCHE NACHRICHTEN War’s das? Auf den letzten Metern geht dem EU-Handelsabkommen mit Kanada – kurz Ceta – offensichtlich der Treibstoff aus. Das „Raumschiff“ Brüssel ist etwas unsanft auf dem Boden der Realität gelandet. Die EU-Kommission musste den Notschalter bedienen, weil es das höchst strittige Freihandelsabkommen nicht an den nationalen Parlamenten aller EU-Staaten vorbeimanövrieren konnte. Die Aussicht, dass Ceta jetzt noch erfolgreich abgeschlossen wird, ist wenig realistisch…. Nach dem Brexit steuert Europa damit einer weiteren großen Pleite entgegen.
NEUE WESTFÄLISCHE logoNun haben die Regierungen Juncker zum Beidrehen gezwungen. Die Auseinandersetzung über Fluch und Segen von Handelsabkommen hat eine derartige Wucht entwickelt, dass sie jedes Verständnis für europäische Spielregeln hinwegzuspülen droht. Daran kann auch Angela Merkel nicht gelegen sein. Jetzt hat sie es in Kauf genommen. Die aufgeregten Vorwürfe greifen zu kurz, die von Brüssel favorisierte EU-Methode sei undemokratisch. Es ist nicht einzusehen, warum es demokratisch mangelhaft sein soll, wenn die Unbedenklichkeit der CETA-Vereinbarung auf EU-Ebene geprüft würde. Jetzt ist nicht nur Juncker angeschlagen. Die Frage steht im Raum, ob die EU mit ihren Spielregeln noch in der Lage ist, internationale Verträge abzuschließen.
NORDWEST-ZEITUNG logoWir haben verstanden! So lässt sich die Ankündigung der EU-Kommission interpretieren, die nationalen Parlamente der Gemeinschaft über das bereits ausgehandelte Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (Ceta) abstimmen zu lassen. Laut eines juristischen Gutachtens wäre Brüssel dazu zwar nicht verpflichtet gewesen, hat aber – gerade noch rechtzeitig – die Brisanz erkannt, die in diesem Vertrag steckt. Hätte man die Sache einfach durchgedrückt, wäre das Wasser auf die Mühlen derjenigen gewesen, die schon immer den Machtverlust der Nationalstaaten und das Hineinregieren der EU in die jeweiligen Länder kritisiert haben. Nach der Brexit-Entscheidung hätte das eine Welle von weiteren Austritts-Referenden nach sich ziehen können.
NÜRNBERGER NACHRICHTEN logoDie Schuld für ein nun mögliches Scheitern des Ceta-Abkommens muss die Kommission bei sich selbst suchen. Wenn der Handelsvertrag mit Kanada tatsächlich das „fortschrittlichste Abkommen, das wir haben“ (Juncker) ist, wenn er der Wirtschaft tatsächlich so gut bekommt und keine Verbraucherstandards geopfert werden – warum ist es dann nicht gelungen, das den Bürgern auch klar zu machen? Wer nun argumentiert, die Parlamentsabstimmungen in den 28 EU-Staaten seien der sichere Tod von Verträgen wie Ceta und TTIP, der offenbart vor allem eines: sein seltsames Demokratieverständnis. Denn ein gutes Abkommen müsste vor Parlamenten keine Angst haben. Im Gegenteil: Erst das Plazet der Volksvertreter macht es, im demokratischen Sinne, zu einem wirklich guten Abkommen.
STRAUBINGER TAGBLATT_LANDSHUTER ZEITUNG logoAm Ende vieler Legenden und Mythen um diese Dokumente bleiben alle beschädigt zurück: Die EU wird auf lange Zeit kein vergleichbares Abkommen mehr aushandeln können und wollen. Die Unternehmen stöhnen weiter unter doppelten Kontrollen und Mehrfach-Auflagen. Schon bald könnten es nicht mehr Europa und die USA sowie Kanada sein, die technische Standards setzen, sondern China, Indien und einige wachstumsstarke Schwellenländer. Gewinnen sieht irgendwie anders aus.
Internationale Presse:
FINANCIAL TIMES (London) Angesichts der vergifteten Atmosphäre, die alle Handelsabkommen derzeit umgibt, könnte das Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada nun durchaus einem schmerzlich langsamen Ratifizierungsprozess ausgesetzt sein oder gar völlig in der Versenkung verschwinden. Die politischen Rahmenbedingungen für die Beziehungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten und dem (Brüsseler) Zentrum sind aber derzeit so angespannt, dass es wenig Sinn gemacht hätte, sie wegen eines Handelsabkommens von ohnehin nur eingeschränkter Bedeutung weiter anzuheizen. Rein technisch ist das Europaparlament bevollmächtigt zur Ratifizierung von Handelsabkommen – eine Befugnis, die ihm durch den 2009 in Kraft getreten Vertrag von Lissabon gegeben wurde. Die Mitgliedstaaten müssen zwar zustimmen, aber dafür nicht notwendigerweise ihre Parlamente befragen. Jedoch erscheint es angesichts… des wachsenden Missbehagens mit der EU politisch weise, den nationalen Parlamenten mehr Kontrolle zu überlassen.
NEUE ZÜRCHER ZEITUNG Das Einknicken der EU-Kommission ist in dieser Form falsch. Wenn sich viele Bürger der EU von deren Institutionen entfremdet und durch das EU-Parlament zu wenig vertreten fühlen, wenn sie der Meinung sind, Brüssel sei zu weit weg von ihrem eigenen Leben, und sie sich deshalb mehr (direkte) Mitsprache in der Union wünschen, muss der institutionelle Rahmen der EU grundsätzlich überdacht werden. Keine Union kann auf Dauer bestehen, wenn ihre Bürger sie nicht mittragen. Doch dies darf nicht ad hoc geschehen. Die EU schadet sich selber, wenn sie in einer Art Affekthandlung den eigenen institutionellen Rahmen einfach über den Haufen wirft. Das EU-Parlament ist eine demokratisch legitimierte Institution und darf als solche die Handelspolitik der Union – und seit den Lissabon-Verträgen auch Investitionsabkommen – gestalten und für die gesamte Union zeichnen. Die Rechtsgrundlage der EU sieht in Handelsfragen kein Anrufen der nationalen Parlamente vor. Setzt die EU nun – abhängig von der jeweiligen Grundstimmung in ihren Mitgliedsländern – einfach ihre eigenen Spielregeln außer Kraft, schafft sie dadurch nur institutionelle Unsicherheit.
Europäische Union DER STANDARD (Wien) Das EU-Quotensystem harrt bis heute der konsequenten Umsetzung, und auch eine von Brüssel geplante Adaption, wonach widerwillige Länder pro nicht aufgenommenen Flüchtling 250.000 Euro in die EU-Kasse zahlen sollen, wird vermutlich Wunschdenken bleiben. (…) Orbán betreibt sein eigenes fremdenfeindliches Spiel, in dem nur die Regeln gelten, die er selbst aufstellt. (…) Die Bevölkerung dankt es ihm mit hohen Zustimmungswerten, und auch das Referendum wird mit einer überwältigenden Mehrheit gegen das EU-Quotensystem enden. Dankbar muss man ihm aber auch außerhalb Ungarns sein – dafür, dass er das Flüchtlingsthema wieder aufs Tapet bringt, das wegen Brexit, Anschlägen in der Türkei und hierzulande wegen einer Wahlwiederholung fast schon in der Versenkung verschwunden ist.
DE MORGEN (Brüssel) Österreich und Ungarn gehen am 2. Oktober an die Wahlurnen. Der Rest Europas wird die Wahlen dort verfolgen um zu sehen, ob das Brexitgefühl womöglich auf das europäische Festland überschwappt. (…) Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble droht in einem Interview, dass die nationalen Regierungen mehr selbst die Initiative ergreifen müssen, falls Brüssel – sprich: die Europäische Kommission – die Probleme nicht löst. Der deutschen Presse zufolge gibt es Spannungen in der Großen Koalition in Deutschland. Christdemokraten wie Merkel oder Schäuble wollen mehr Macht für die Mitgliedstaaten, während die Sozialdemokraten aus der Kommission eine „echte europäische Regierung“ machen wollen (…). Es ist nicht das erste Mal in der EU-Geschichte, dass darüber gestritten wird. Aber es kommt immer häufiger vor, dass dieser Kampf nicht nur in Sitzungssälen geführt wird, sondern auch in Wahllokalen. So wie demnächst in Österreich und Ungarn.
EL MUNDO (Madrid) Im Windschatten des Brexit wollen alle ultranationalistischen, antieuropäischen und ausländerfeindlichen Populisten nun Jahrzehnte von Brüderlichkeit, von politischen Abkommen und Diplomatie in Europa durch Befragungen voller Demagogie ersetzen. Daher ist eine strategische Antwort der 28, die eine immer wahrscheinlicher werdende Plebisziten-Ansteckung verhindert, dringend nötig. Das ungarische Referendum wird schon mal am 2. Oktober mit der Wiederholung der Präsidentenwahl in Österreich zusammenfallen, bei der die Ultrarechte die meisten Stimmen holen könnte. Hoffen wir, dass der europäische Traum – und genau das steht auf dem Spiel – nicht zum Alptraum wird.
WEDOMOSTI (Moskau) Russland braucht nicht darauf zu hoffen, dass ein möglicher Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union die Positionen Europas in Bezug auf Russland wesentlich ändern wird. Denn Großbritannien wird ja zum Beispiel Nato-Mitglied bleiben – und auch weiterhin eine hörbare Stimme in Europa sein. London hat erst vor kurzem Moskau scharf kritisiert, etwa wegen des Vorgehens in der Ukraine und in Syrien. Der Graben zwischen Großbritannien und der EU ist nicht so tief, als dass Russland davon wirklich einen Vorteil haben könnte. Darauf zu hoffen, dass Großbritannien sich von Europa abgetrennt, wäre naiv. London wird auch weiter seine Verbündeten unterstützen.
->Quellen:

 

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...