An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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EU-Parlament fordert Einstieg in grüne Finanzwende

Initiativbericht Nachhaltiges Finanzwesen verabschiedet
Am 29.05.2018 hat das Europaparlament einen Initiativbericht über ein Nachhaltiges Finanzwesen (Sustainable Finance) verabschiedet. Wie das Büro des wirtschafts- und finanzpolitischen Sprechers der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, Sven Giegold, mitteilte, stammt der Bericht aus der Feder der grünen Berichterstatterin Molly Scott Cato (UK) und wurde von einer breiten Mehrheit aus Grünen, Christdemokraten (EVP) und Sozialdemokraten (S&D) unterstützt, während die Liberalen (ALDE) sich weitgehend enthielten, die Linken (GUE) geteilt waren und Rechtskonservative (EKR) und Rechte (EFDD, ENF) dagegen stimmten. Ziel des Berichts ist es, das Finanzsystem stabiler zu machen, es an langfristigen Zielen auszurichten und mehr Investitionen in nachhaltige Projekte zu lenken.

Der Bericht fordert unter anderem eine umfassende Klassifikation nachhaltiger Geldanlagen, die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren in treuhänderische Pflichten und Offenlegungsregeln und ein Label für nachhaltige Finanzprodukte. Die Kommission hat letzte Woche Gesetzgebungsvorschläge zum selben Thema vorgelegt.
Dazu der Kommentar von Sven Giegold:
“Dieser Bericht ist ein großer Erfolg unseres Einsatzes für nachhaltige und stabile Finanzmärkte und übertrifft in vielen Punkten die Pläne der EU-Kommission. Europa muss mutig neue Standards setzen und sich zum Leitmarkt für nachhaltige Finanzprodukte machen. Nachhaltige Finanzprodukte sind auch ein Beitrag zu den in Paris vereinbarten Klimazielen. Klimaschädliche Investitionen bergen eine große Gefahr für die Finanzstabilität, da sie im Zuge des Klimawandels plötzlichen Entwertungen unterliegen können. Diese Gefahr müssen wir zurückdrängen durch Transparenz und durch Anreize für Investoren, Kapital aus riskanten umweltschädlichen Sektoren abzuziehen (Divestment).
Nur ein Label für nachhaltige Finanzprodukte, wie vom Parlament gefordert, kann Verbrauchern eine einfache und transparente Unterscheidung solcher Produkte ermöglichen. Die Kommission ist jetzt am Zug ein solches Label auf den Weg zu bringen, damit die grüne Agenda für Finanzmärkte auch Kleinanleger*innen zugute kommt. Kapitalerleichterungen für grüne Anlagen von Banken sollten nach Ansicht des Parlaments Tabu bleiben, solange das mutmaßlich geringere Risiko grüner Investitionen nicht nachgewiesen ist.
Das Parlament ist sich einig, dass die Klassifikation für nachhaltige Finanzprodukte die Dimensionen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung beinhalten muss. Die Kommission sollte die Parlamentsposition aufgreifen und die vorgeschlagene Klimaklassifikation zügig auf alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit ausweiten. Mit unserer Forderung, nicht nur Nachhaltiges in der Klassifikation zu benennen, sondern auch schädliche Investitionen auszuschließen, konnten wir gegen die Christdemokraten nur einen Minimalkonsens erreichen. Wir fordern: Fossile und nukleare Investitionen haben in nachhaltigen Geldanlagen nichts zu suchen, denn sie untergraben die Glaubwürdigkeit dieses jungen Marktes.”
Anlässlich der Verabschiedung des Initiativberichts über ein Nachhaltiges Finanzwesen am 29.05.2018 durch das Europa-Parlament haben die europäischen Grünen eine Liste ihrer politischen Erfolge und Misserfolge erstellt:
ERFOLGE: Was wir erreicht haben

  • „Breite Definition von ‘nachhaltig’ als ökologisch, sozial und in Bezug auf Unternehmensführung (ESG)
  • Forderung an die Kommission, eine robuste, glaubwürdige und technologie-neutrale Klassifizierung für nachhaltige Geldanlagen zu entwickeln
  • Forderung an Kommission und Mitgliedstaaten, aus direkten und indirekten Subventionen fossiler Energieträger auszusteigen
  • Forderung an Kommission und Mitgliedsstaaten, mit ihren öffentlichen Investitionen zum Erreichen der vereinbarten Klimaziele beizutragen
  • Forderung von verbindlichen Stresstests für Finanzunternehmen, um die Gefahren plötzlicher Wertverluste von Geldanlagen in fossilen Energieträgern einzuschätzen
  • Forderung eines Mandates für die Europäischen Finanzaufsichtsbehörden, Standards für die Offenlegung und die interne Risikobewertung von Nachhaltigkeitsrisiken von Finanzunternehmen zu entwickeln
  • Forderung verbindlicher Offenlegungspflichten von Nachhaltigkeitsfaktoren für Unternehmen
  • Forderung, die Regeln zu treuhänderischen Pflichten von Akteuren der gesamten Investitionskette um Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden zu erweitern, egal ob sie eine mögliche finanzielle Auswirkung haben oder nicht
  • Forderung eines EU-Standards für green bonds mit starken Nachhaltigkeitskriterien
  • Forderung eines EU-Labels für nachhaltige Finanzprodukte, die Minimalkriterien erfüllen und im Einklang mit den Pariser Klimazielen sind
  • Forderung von EU-Standards für die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsindikatoren in die Kredit-Ratings der Ratingagenturen
  • Forderung, die Mandate der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden und der nationalen Aufsichtsbehörden um die Analyse von Nachhaltigkeitsrisiken zu ergänzen
  • Forderung, dass die Europäische Investitionsbank ihre Kreditvergabe kompatibel mit den Pariser Klimazielen macht, aus der Finanzierung CO2-intensiver Projekte aussteigt und mehr Kapital für ökologische Investitionen bereitstellt
  • Forderung an die EZB, ihr Anleihenkaufprogramm mit den Pariser Klimazielen in Einklang zu bringen
  • Forderung an die Kommission nach einem verbindlichen gesetzlichen Rahmen für die Sorgfaltspflicht von Investoren in Bezug auf ESG-Faktoren
  • MISSERFOLGE: Was wir in den Verhandlungen gegen die Christdemokraten (EVP), Liberalen (ALDE) und rechte Europaskeptiker (ECR) nicht durchsetzen konnten
  • Starke Liste an Negativkriterien, was abgesehen von fossilen Energien unter keinen Umständen in einem nachhaltigen Finanzprodukt sein darf, wie beispielsweise Kernenergie und Flughafeninfrastrukturen
  • Forderung eines EU-weiten CO2-Mindestpreises und einer CO2-Einfuhrsteuer
  • Forderung nach Kreditleitlinien (credit guidance) für den Bankensektor, die dafür sorgen, dass ein allmählich steigender Anteil der Bilanzsumme in nachhaltige Sektoren investiert wird“

->Quellen:

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...