An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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Grünen-Stellungnahme zu TTIP

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Stellungnahme im Rahmen des Konsultationsverfahrens der Europäischen Kommission zum Investitionsschutzkapitel im geplanten Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP
Der Bundestag wolle beschließen:
Grüne Bundestagsfraktion logoDer Deutsche Bundestag stellt fest: Die EU-Kommission hat am 27. März 2014 ein Konsultationsverfahren zu den Modalitäten des Investitionsschutzes und der Investor-Staat-Streitbeilegung im Rahmen des TTIP begonnen. Die Fraktionen des Deutschen Bundestages begrüßen grundsätzlich, dass die EU-Kommission der wachsenden öffentlichen Kritik an Verfahrensfragen sowie Inhalten des geplanten Transatlantischen Freihandelsabkommens dadurch begegnet, dass sie nun die Bürgerinnen und Bürger in Europa zu einem zentralen Punkt, dem geplanten Investitionsschutzkapitel, befragt.

Grünen-Protest - Foto Greens, EFA, FlickrDer Deutsche Bundestag kritisiert: Allerdings bestehen begründete Zweifel, ob es sich bei diesem Konsultationsprozess um eine ernst gemeinte, ergebnisoffene Befragung der Bürgerinnen und Bürger Europas handelt. Dagegen spricht, dass in der fünften Verhandlungsrunde zum TTIP in Arlington vom 19. bis 23. Mai 2014 offenbar auch das Thema „Investitionsschutz“ auf der Tagesordnung steht. Dies widerspricht der Ankündigung von EU-Kommissar De Gucht, während des laufenden Konsultationsprozesses die Beratungen zum Investitionsschutzkapitel im TTIP nicht fortsetzen zu wollen.

Gleichzeitig hat die Kommission dem Vernehmen nach die Mitgliedstaaten aufgefordert, die öffentliche Kritik am Investitionsschutz einzustellen; versucht hiermit offenbar die legitime Debatte hierüber auszubremsen. Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob die Konsultation tatsächlich nur der Beruhigung der kritischen Öffentlichkeit dienen soll, während die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen weitergehen.
Auch scheint die EU-Kommission mit der Paraphierung des europäisch-kanadischen Freihandelsabkommens (CETA) so schnell wie möglich Fakten schaffen zu wollen. Dies ist in Bezug auf TTIP kritisch zu sehen, weil die Beratungsgrundlage im TTIP-Konsultationsverfahren Auszüge aus dem weitgehend ausverhandelten Investitionsschutzkapitel in CETA sind. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso die Erkenntnisse aus dem Konsultationsprozess nur auf TTIP, aber nicht auf CETA angewendet werden soll.
Anders als von der EU-Kommission angekündigt stellen die vorgelegten CETA-Passagen zudem keinen grundlegend neuen Ansatz im Investitionsschutzrecht dar. Sie ähneln überwiegend dem bereits existierenden kanadischen Musterabkommen. Das oftmals vorgetragene Argument, man brauche eine Investitionsschutzkapitel im TTIP, um damit international einen neuen Standard zu setzen, wird somit hinfällig.
Eine vollständige und umfassende Bewertung des vorgelegten Investitionsschutzkapitels ist darüber hinaus nicht möglich, da im Konsultationsdokument nur Auszüge aus dem CETA-Kapitel und nicht der gesamte Text dargestellt wurden. Damit bleibt für die Öffentlichkeit unklar, welche Passagen des Textes fehlen und in welchem Zusammenhang die einzelnen Regelungen stehen.
Insbesondere ist aber zu kritisieren, dass im Konsultationsdokument keine grundsätzliche Frage nach dem „ob“ von Investitionsschutz im TTIP enthalten ist. Damit verkennt die EU-Kommission einen wichtigen Punkt der öffentlichen Debatte zum Investitionsschutz, nämlich ob ein Mechanismus zur außergerichtlichen Streitbeilegung zwischen Rechtsstaaten überhaupt notwendig ist.
III. Der Deutsche Bundestag nimmt zu den Fragen im Rahmen der Konsultation wie folgt Stellung: Unabhängig von dieser grundsätzlichen Kritik am Konsultationsverfahren der EU-Kommission nimmt der Deutsche Bundestag zu einzelnen materiell-rechtlichen Fragen, die im Rahmen des Konsultationsverfahrens aufgeworfen werden, sowie zur grundlegenden Frage des Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahrens Stellung.
Bewertung der Notwendigkeit von ISDS-Mechanismen in TTIP und CETA und Kommentierung der materiell-rechtlichen Fragen zum Investitionsschutz
Viele bilaterale Investitionsschutzabkommen und Investitionsschutzkapitel in Freihandelsabkommen enthalten die Möglichkeit direkter Klagen von Investoren gegen das Investitionsland im Rahmen sogenannter Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren (ISDS). Auch im Rahmen der Verhandlungen zu TTIP und CETA ist ein solcher Mechanismus zur Streitbeilegung vorgesehen. Rechtspolitisch ist hochumstritten, ob das geplante TTIP-Abkommen einen solchen außergerichtlichen Streitbeilegungsmechanismus enthalten sollte. Es wäre deshalb angemessen und sinnvoll gewesen, dass die EU-Kommission im Rahmen ihres Konsultationsprozesses Fragen zur grundsätzlichen Notwendigkeit und grundsätzlichen Bewertung von ISDS aufgenommen hätte. Dass sie dies nicht (oder nur im Rahmen des abschließenden Freifeldes zur allgemeinen Kommentierung) ermöglicht, ist eine falsche Vorfestlegung und beeinflussende Darstellung, die der Deutsche Bundestag ausdrücklich kritisiert.
Bewertung der Notwendigkeit von ISDS-Mechanismen in TTIP und CETA
Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismen stellen eine außergerichtliche Möglichkeit zur Konfliktlösung zwischen Staaten und Investoren aus einem anderen Staat dar, ohne dass der Kläger zunächst den innerstaatlichen Rechtsweg beschritten haben muss. Die EU-Kommission schlägt vor, diesen Weg auch für das TTIP einzuführen, obwohl die EU – laut Konsultationsdokument – den nationalen Rechtsweg bevorzugt.
Die Grundidee des Investitionsschutzes und der internationalen Schiedsverfahren bestand darin, einen Schutzmechanismus für Investoren zu entwickeln für den Fall, dass die Investition in einem Land getätigt wird, in dem kein ausreichend entwickeltes Rechtssystem beziehungsweise keine unabhängige staatliche Justiz vorhanden ist. Dies sollte beispielsweise den Schutz vor Enteignung gewährleisten. In den letzten Jahren wurden Investitionsschutzverträge jedoch zunehmend als Instrument eingesetzt, um staatliche Regelungen zum Umwelt- und Verbraucherschutz „anzugreifen“ beziehungsweise Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe zu stellenDamit hat sich die Praxis der Verfahren weit vom Ursprungsgedanken entfernt.
Dabei ist nicht nur die mögliche Verurteilung vor dem Schiedstribunal selbst das Problem, „sondern [das] Droh- und Druckpotential, das dieser Mechanismus grundsätzlich gegenüber staatlichen Regulierungsmaßnahmen entfalten kann.“ Dies führt unter Umständen zu einem „chilling effect“, also der Vertagung von beziehungsweise des Verzichts auf Regulierungsvorhaben mit Blick auf mögliche Klagen.
Im Falle der Handelsabkommen TTIP und CETA stellt sich zudem die Frage, warum solche privaten Schiedsverfahren dem nationalen staatlichen Rechtsweg vorgezogen werden sollten. Sowohl die EU-Mitgliedstaaten als auch die USA und Kanada verfügen über hochentwickelte stabile Rechtssysteme. Das Ausmaß der bereits bestehenden Direktinvestitionen zwischen der EU und den USA beiziehungsweise Kanada zeugt bereits jetzt von einem tiefen Vertrauen in die Rechtssicherheit des jeweiligen Handelspartners. Kritik am bisherigen Rechtsschutz von Unternehmen oder Regelungslücken sind weder für die USA noch Europa vorgebracht worden. Die Klärung von möglichen Konflikten vor nationalen Gerichten wäre somit völlig ausreichend. Die Notwendigkeit von außergerichtlichen Investor- Staat-Streitbeilegungsmechanismen erschließt sich nicht.
Die EU-Kommission schreibt in ihrem Konsultationsfragebogen bei Frage 5, dass mit den Vorschlägen zum Investitionsschutz das Ziel verfolgt würde „ein stabiles Gleichgewicht zwischen dem Investorenschutz und dem Regelungsrecht der Staaten [zu] erreichen.“ Dabei erwähnt sie das allgemeine Recht des Staates, durch Regulierung legitime Politikziele zu erreichen, lediglich in den unverbindlichen Präambel-Erklärungen. Dieses wirft die Frage auf, warum die Kommission eine Notwendigkeit darin sieht, ein solches Gleichgewicht zu erreichen. Denn in ausgebildeten Rechtsstaaten ist dieses Gleichgewicht bereits dadurch garantiert, dass im Rahmen der staatlichen Gesetzgebung verschiedene Rechtsgüter gegeneinander abgewogen werden und das Recht auf Eigentum besteht, was den Gesichtspunkt von Investitionsentscheidungen mit abdeckt.
Dabei muss aber das Gemeinwohlinteresse, das hinter Regulierungsentscheidungen steht, gegenüber ausländischen Investoren genauso stark gewichtet werden wie gegenüber inländischen. Die Einführung von außergerichtlichen Streitbeilegungsmechanismen führt jedoch zu einer einseitigen Bevorzugung ausländischer Konzerne gegenüber inländischen Unternehmen und gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, denen die Möglichkeit der Umgehung des nationalen Rechtswegs und der Adressierung eines privaten Schiedstribunals bei Klagen gegen den Staat nicht gegeben ist.
Die im Rahmen der EU-Konsultation vorgestellten Vorschläge zur Ausgestaltung außergerichtlicher Streitbeilegungsmechanismen weisen zwar einige verbesserte Ansätze zu bisherigen Verfahren auf, sind in der Summe aber nicht geeignet, die grundsätzlichen Bedenken und die grundsätzliche Kritik an ISDS auszuräumen. Dies soll im Folgenden erläutert werden.
Interessenskonflikte der Schiedsrichter
Zu den bisherigen Grundelementen außergerichtlicher Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismen gehört, dass sich die Streitparteien auf Schiedsrichter einigen, das heißt diese selbst festlegen. Die Unabhängigkeit der Schiedsrichter wird jedoch durch zwei zentrale Faktoren in Frage gestellt: Zum einen werden die ausgewählten Schiedsrichter pro eingeleitetem Verfahren bezahlt und haben damit ein inhärentes ökonomisches Interesse daran, dass Klagen vor Schiedstribunalen stattfinden und nicht abgewiesen werden. Da Klagen vor internationalen Schiedstribunalen einseitig nur von Investoren, nicht aber von Staaten, eingeleitet werden können, gibt es einen ökonomischen Anreiz, der die Schiedsrichter zu Gunsten der klagenden Partei beeinflussen könnte. Im Rahmen der staatlichen Gerichtsbarkeit hat hingegen die Unabhängigkeit der Richter oberste Priorität und soll durch Ernennung der Richter, oftmals auf Lebenszeit, sowie fallunabhängige Besoldung gewährleistet werden. Die EU-Kommission begegnet diesem Problem im Rahmen ihres Konsultationsvorschlages nur unzureichend, indem sie vorgibt, dass die Streitparteien sich aus einer Liste international anerkannter Experten auf Schiedsrichter einigen müssen. Die Frage der fallabhängigen Bezahlung wird jedoch gar nicht adressiert. Damit löst sie das strukturelle Problem der mangelnden Unabhängigkeit solcher Schiedsrichter nicht. Die Kommission hat nicht einmal die Einführung einer vorhergehenden Prüfung durch den Europäischen Gerichtshof in Erwägung gezogen.
Zum anderen ist weder in der aktuellen Praxis der Schiedsverfahren noch im Konsultationsvorschlag der EU-Kommission ausgeschlossen, dass es zu Interessenskonflikten auf Grund der Doppelrolle von Anwälten und Schiedsrichtern kommen kann. Zwar macht die EU-Kommission einige Vorschläge zur möglichen Eindämmung von Interessenskonflikten, etwa durch die Einführung eines Verhaltenskodex oder der Festlegung, dass Schiedsrichter keine Anweisungen von einer Streitpartei entgegen nehmen dürfen. Das Grundproblem der Personenidentität wird jedoch nicht adressiert.
Intransparenz der Verfahren
Bislang werden Schiedsverfahren auch auf Grund ihrer mangelnden Transparenz kritisiert. Vielfach tagen Schiedstribunale nicht öffentlich und veröffentlichen ihre Entscheidungen nicht. Damit wird nicht nur der Eindruck einer „Schattenjustiz“ erweckt, sondern die kritische Begleitung und Bewertung derartiger Verfahren auch erheblich erschwert. Um dieses Problem anzugehen, schlägt die EU-Kommission vor, die im Dezember 2013 von der UN-Generalversammlung angenommenen „UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-based Investor-State-Arbitration“, die umfangreiche Transparenzgebote enthalten, in modifizierter Form für das TTIP zu verwenden. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen. Es bleiben jedoch weitere Fragen offen. So wird in dem EU-Konsultationsdokument die in den UNCITRAL-Regeln erwähnte Möglichkeit von Videoaufzeichnungen (Art. 6 (1) UNCITRAL-Regeln) nicht aufgenommen.
Außerdem ist unklar, wie das Recht eines Schiedstribunals gemäß Art.6 (3) UNCITRAL-Regeln aus „logistischen Gründen“ von einer öffentlichen Anhörung abzusehen, gehandhabt werden wird. Schließlich sollen die Transparenzregeln eingeschränkt werden können, um „legitime Geschäftsinteressen“ zu schützen. Hier besteht die Sorge, dass durch solche Einschränkungen letztlich alle Bestimmungen für mehr Transparenz umgangen werden können und damit hinfällig werden.
Weitere materiell-rechtliche Fragen zum Investitionsschutzkapitel in TTIP und CETA
Unbestimmte Rechtsbegriffe und sehr weit gefasste Investitionsbegriffe im Investitionsschutz- beziehungsweise Freihandelsabkommen werden immer wieder von internationalen Konzernen genutzt, um im Rahmen privater Schiedsverfahren hohe Schadensersatzforderungen wegen staatlicher Regulierungsmaßnahmen zu stellen.
Es ist daher von fundamentaler Bedeutung, Klauseln wie „faire und gerechte Behandlung“, „indirekte Enteignung“ und „Nichtdiskriminierung“ klar zu definieren und den Investitionsbegriff klar einzugrenzen.
Indirekte Enteignung
Neben dem Schutz vor direkter Enteignung gibt es im internationalen Investitionsschutzrecht den Begriff der „indirekten Enteignung“. Unter dieser werden auch regulative Maßnahmen des Staates verstanden, die den Wert einer Investition reduzieren.
Hier entsteht ein Spannungsfeld zum staatlichen Recht auf Regulierung, welches die Kommission durch eine Begriffsabgrenzung zwischen dem Begriff der indirekten Enteignung und der Frage der legitimen staatlichen Regulierung zu lösen versucht. Die Definition enthält jedoch weiterhin offene Formulierungen wie „distinct, reasonable investmentbacked expectations“, auf Deutsch etwa „klare und angemessene Erwartungen im Zusammenhang mit der Investition“, oder „manifestly excessive” beziehungsweise „offensichtlich überhöhte“ Effekte regulatorischer Maßnahmen, beispielsweise zum Schutz der Gesundheit. Hierdurch besteht für die Auslegung durch ein Schiedstribunal noch immer ein zu großer Spielraum, mit unvorhersehbaren Konsequenzen.
„Fair and equal treatment“
Beim Begriff der „fairen und gerechten Behandlung“, auf dem gerade in jüngster Zeit viele Klagen vor internationalen Schiedstribunalen gegen staatliche Regulierungsmaßnahmen basierten, und der in der Vergangenheit sehr breit interpretiert wurde, macht die EU-Kommission einen Versuch der Abgrenzung durch eine abschließende Aufzählung von Situationen, die als konkreter Verstoß gegen den Grundsatz verstanden werden können. Hierbei werden jedoch insbesondere die Probleme, die mit dem Begriff „legitime Erwartungen“ des Investors verbunden sind, nicht ausreichend gelöst. Es bleibt offen, wer in dem beklagten Staat die Versprechungen ausgesprochen haben muss, um eine legitime Erwartung des Investors zu begründen, bei deren Nichterfüllung dieser eine Klage formulieren kann. Dieses Prinzip kann am Ende nicht bedeuten, dass ausländische Unternehmen das wirtschaftliche Risiko leichter auf den Staat abwälzen können als inländische Unternehmen.
Nichtdiskriminierung
Das Prinzip der „Nichtdiskriminierung“ umfasst einerseits die „Inländerbehandlung“, das heißt die Nichtdiskriminierung ausländischer gegenüber inländischer Investoren, sowie das Prinzip der „Meistbegünstigung“ (MFN), was besagt, dass kein ausländischer Investor schlechter behandelt werden darf als ein anderer. In der Vergangenheit wurde insbesondere dieses Prinzip der Meistbegünstigung, das grundsätzlich eine sinnvolle Regelung im internationalen Recht darstellt, im Rahmen außergerichtlicher Schiedsverfahren dafür genutzt, um strenge Transparenzregeln beziehungsweise eng gefasste Investitionsschutzklauseln zu umgehen und sich stattdessen auf vagere Bestimmungen aus anderen Investitionsschutzabkommen des Gastlandes zu berufen.
Angesichts dieser Tatsache ist zu kritisieren, dass die EU-Kommission dieses Prinzip lediglich für verfahrenstechnische Fragen ausschließen will, es aber für materiell- rechtliche Vorschriften offenbar erhalten möchte. Aus Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist sowohl der Import von prozeduralen Standards als auch der Import materiell-rechtlicher Standards auszuschließen. Andernfalls wären Ansätze zur Konkretisierung und Verbesserung von Regelungen im Rahmen von TTIP und CETA allein dadurch hinfällig, dass diese durch Berufung auf andere Investitionsschutzabkommen mit möglicherweise laxeren Bestimmungen umgangen werden könnten. Für die EU ist „dies mit Blick auf das Investitionsschutzkapitel der Energiecharta relevant, da die EU Vertragspartei der Energiecharta ist.“
Gleichsam sieht die EU-Kommission, im Gegensatz zur internationalen Vertragspraxis, keine Konkretisierungen faktischer Diskriminierung ausländischer gegenüber inländischer Investoren vor. Dies wäre jedoch wichtig, um auch hier Interpretationsmöglichkeiten durch Schiedstribunale einzuschränken und solche Verfahren wie auch Konsequenzen staatlicher Regulierungsvorhaben berechenbarer zu machen.
Ausnahmen vom Nichtdiskriminierungs-Grundsatz sollen zwar festgeschrieben werden, jedoch nur für bestimmte Politikziele wie öffentliche Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz. „Allgemeine Sozial- und Arbeitsschutzstandards, die eine diskriminierende Wirkung entfalten, ließen sich auf diese Weise nicht rechtfertigen.“
Definition des Investitionsbegriffes
Schließlich gilt es in einem Investitionsschutzabkommen, den Investitionsbegriff klar zu definieren und damit abzugrenzen, worauf sich die Schutzklauseln beziehen.
Den Begriff der „Investition“ definiert die EU-Kommission auf Grundlage eines kapitalbasierten Ansatzes („asset-based“) und nicht unternehmensbasiert („enterprise-based“) wie in NAFTA. Dies führt automatisch zu einem weiten Anwendungsbereich der Investitionsschutzklauseln, der nicht nur klassische ausländische Direktinvestitionen umfasst, sondern auch kleinere Beteiligungen wie Portfolio- Investitionen.
Positiv zu erwähnen ist, dass der vorliegende CETA-Textentwurf eine Einschränkung des Investorenbegriffs dahingehend vornimmt, dass Investoren in einem Land „substantielle geschäftliche Aktivitäten“ entfalten müssen, um sich auf ein Investitionsschutzabkommen berufen zu können. Dadurch und durch den Ausschluss von rechtlich unselbstständigen Zweigstellen und Filialen soll verhindert werden, dass sogenannte Briefkastenfirmen sich auf den Investitionsschutz berufen können.
Der Begriff der „substantiellen geschäftlichen Aktivitäten“ ist allerdings nicht konkret formuliert. Zudem ist durch die Regelung weiterhin möglich, dass Konzerne aus einem dritten Land durch die Gründung einer Tochtergesellschaft in Kanada unter die Investitionsschutzregelungen von CETA fallen – so auch europäische Konzerne, die dann vor Schiedstribunalen gegen die EU beziehungsweise die Mitgliedstaaten klagen könnten.
Fazit:
Der Deutsche Bundestag hält die Aufnahme eines privaten, außergerichtlichen Streitbeilegungsmechanismus in die Handelsabkommen TTIP und CETA für falsch. Ein solcher Mechanismus ist weder notwendig noch zielführend. Im Gegenteil zeigt die obige Argumentation, dass eine Reihe grundsätzlicher Fragen und kritischer Argumente gegen solche Schiedsverfahren bestehen. Auch in Einzelaspekten konnte der Vorschlag der Europäischen Kommission nicht überzeugen.
Weder lösen die Bestimmungen im Konsultationsdokument die Interessenskonflikte der Schiedsrichter noch garantieren sie in jedem Fall öffentliche und transparente Verfahren. Weiterhin verwendet die Kommission vage Investitionsschutzklauseln und kann auch durch die vorgenommenen Konkretisierungen nicht ausschließen, dass sehr weite Auslegungen durch Schiedstribunale weiterhin möglich sind.
Als Konsequenz kann auf Grundlage der Vorschläge der Kommission nicht garantiert werden, dass das Recht des Staates zu regulieren weder direkt noch indirekt beeinträchtigt wird.
Die Risiken von außergerichtlichen Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismen überwiegen damit aus Sicht des Deutschen Bundestages bei weitem ihren zweifelhaften Nutzen zwischen Handelspartnern, die über hochentwickelte Rechtssysteme verfügen und Investoren innerhalb ihrer nationalen Gerichtsbarkeit umfassend schützen. Der Deutsche Bundestag wird keinem Abkommen mit Kanada oder den USA zustimmen, in dem diese Regelungen enthalten sind.
Berlin, den 2. Juli 2014
->Quelle: dip.bundestag.de

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...