An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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G7-Gipfel-Dokumente und Kommentare von Oxfam und ONE

Forum Eine Welt – Dokumente zum G7-Gipfel in Elmau
Oxfam: G7 machen verhaltenen Schritt beim Klimaschutz, bleiben bei Armutsfragen aber unverbindlich
ONE:
Elmau darf kein Luftschloss sein
Das Forum Eine Welt der SPD weist darauf hin, dass die Abschlussdokumente des G7-Gipfels in Elmau über folgenden Link abrufbar sind: https://www.g7germany.de/Content/DE/StatischeSeiten/G7/g7-gipfel-dokumente.html.  Außerdem im Anhang Stellungnahmen von Oxfam und ONE zu den Ergebnissen des G7-Gipfels.

Berlin/Garmisch-Partenkirchen, 8. Juni 2015 – Die G7 haben einen verhaltenen ersten Schritt beim Klimaschutz getan, bleiben bei Armutsfragen aber unverbindlich. So lautet das Resümee der internationalen Entwicklungsorganisation Oxfam am Ende des zweitätigen Treffens in Deutschland. Die Ergebnisse des Gipfels kommentiert Jörn Kalinski, Leiter Kampagnen und Lobbying von Oxfam Deutschland:
Klima
„Es ist ein willkommenes Signal, dass die G7 sich für eine Transformation der Energiesysteme und ein langfristiges Ziel für die Reduzierung der globalen Treibhausgasemissionen ausgesprochen haben. Gleichzeitig sind diese Länder aber nicht bereit, ihren fairen Beitrag dazu zu leisten. Die Vorschläge der G7-Staaten über ihre eigenen Verpflichtungen zur Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgase im künftigen Klimaabkommen reichen hinten und vorne nicht aus. Wenn die G7 ihre heutigen Beschlüsse in die Tat umsetzen wollen, müssen sie unverzüglich den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern einleiten, insbesondere aus der klimaschädlichen Kohle. Schon in den kommenden Tagen werden wir sehen, wie ernst es etwa die Bundesregierung wirklich meint. Die geplante Abgabe für die ältesten und schmutzigsten Kohlekraftwerke droht wegen des Widerstands der Energiekonzerne und der IGBCE zu kippen. Das wäre ein herber Rückschlag für den Klimaschutz in Deutschland.
Bei der finanziellen Unterstützung der armen Länder im Kampf gegen den Klimawandel haben die G7 wenig mehr zustande gebracht, als ihr altes Versprechen zu bekräftigen, die Klima-Hilfen bis 2020 auf 100 Milliarden US-Dollar jährlich anzuheben. Das langt nicht. Weder haben die G7-Länder einen Fahrplan in Aussicht gestellt, wie sie ihr Versprechen bis 2020 erreichen wollen, noch haben sie angekündigt, auch tatsächlich mehr Geld in die Hand zu nehmen. Das ist eine schwere Hypothek für die laufenden Verhandlungen um ein neues Klima-Abkommen. Nur Angela Merkel hatte bereits im Vorfeld angekündigt, die Klima-Hilfen aus Deutschland bis 2020 zu verdoppeln. Daran müssen sich nun die anderen G7-Chefs messen lassen und ihre öffentlichen Finanzhilfen für arme Länder in den kommenden Jahren weiter steigern. Was derzeit an Hilfen für die Bewältigung der Folgen des Klimawandels bereitsteht, entspricht gerade mal zwei Prozent dessen, was eigentlich nötig wäre.“
Ernährungssicherheit
„Wir sind enttäuscht, was der G7-Gipfel bei den Themen Hunger und Ernährung gebracht hat. Die Abschlusserklärung erwähnt zwar das Ziel, 500 Millionen Menschen aus Hunger und Mangelernährung befreien zu wollen; ein Viertel der aktuell zwei Milliarden hungernden und mangelernährten Menschen. Es ist enttäuschend, dass die Schlusserklärung vor allem wachsweiche Formulierungen enthält. Die G7 haben sich auf dieses Ziel nicht verpflichtet, sondern sind lediglich ‚bestrebt‘ es zu erreichen. Zudem fehlt es an finanziellen Zusagen. Ohne das nötige Geld, wird es schwer, die Lebensgrundlage der Ärmsten der Armen zu verbessern und Umweltschäden zu beheben.“
Ungleichheit und Steuergerechtigkeit
„Die G7 haben es versäumt, sich mit der wachsenden sozialen Ungleichheit auf der Welt zu befassen. Einmal mehr ging es um Wachstum, aber nicht darum, wie der Wohlstand fairer verteilt werden kann. Dabei untergräbt soziale Ungleichheit langfristig Wachstum und ist ein wesentliches Hindernis bei der Armutsbekämpfung.
Es ist zwar erfreulich, dass die G7 Steuerflucht bekämpfen und arme Länder bei der Steuererhebung unterstützen wollen. Doch die entscheidenden Fragen blieben außen vor: Wir brauchen eine internationale Steuerreform, die verhindert, dass multinationale Konzerne arme Länder um Milliarden prellen. Nötig ist ein Gremium im Rahmen der UN, in dem Entwicklungsländer ihre Interessen gleichberechtigt einbringen können. Eine solche Reform muss von allen Staaten gemeinsam entwickelt werden, nicht hinter verschlossenen Türen der G7 oder G20. Arme Länder verlieren durch unbezahlte Steuern multinationaler Unternehmen jedes Jahr Einnahmen in Höhe von 105 Milliarden Dollar.“
Lieferketten
„Oxfam begrüßt, dass die die G7 die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte nachdrücklich unterstützen und die Privatwirtschaft dringend dazu aufrufen, ihrer Sorgfaltspflicht bei den Menschenrechten nachzukommen. Doch die G7 überlassen die Umsetzung zu sehr den Unternehmen. Stattdessen müssen die Staaten mit verbindlichen Regeln dafür sorgen, dass Unternehmen existenzsichernde Einkommen und soziale und ökologische Mindeststandards in globalen Wertschöpfungsketten sichern.“
Nachhaltige Entwicklungsziele
„Mitgliedsstaaten der G7 haben bei der Entwicklung der Nachhaltigen Entwicklungsziele eine sehr konstruktive Rolle gespielt und es ist ein zusätzliches positives Signal, dass dieser Gipfel sich zu diesen Zielen bekannt hat. Doch es wird schwer, diese ohne eine ausreichende Finanzierung zu erreichen. Die G7 müssen ihre Versprechen zur Aufstockung der Entwicklungshilfe einlösen, Steuerflucht und Steuervermeidung gemeinsam mit den Entwicklungsländern bekämpfen und dafür sorgen, dass ihre Finanzminister an der so wichtigen Entwicklungsfinanzierungskonferenz in Addis Abeba teilnehmen.“
Gesundheit
„Wir begrüßen, dass die G7 Lehren aus der Ebola-Krise ziehen wollen und anerkennen, dass die betroffenen Länder finanzielle Unterstützung brauchen. Doch um solche Epidemien effektiv zu bekämpfen, ist mehr nötig, als die Nothilfe-Kapazitäten aufzustocken. Oxfam fordert die G7 auf, sich zu dem Ziel der universellen Gesundheitsversorgung zu bekennen und die dafür notwendigen Finanzmittel bereitzustellen. Dies wäre eine wichtige Voraussetzung, um den Ausbruch solcher Epidemien künftig zu verhindern.“
Wirtschaftliche Förderung von Frauen
„Ausbildungsförderung für Frauen ist wichtig, um ihre Stellung auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Doch ohne Maßnahmen, die den Zugang von Frauen in Entwicklungsländern zur Schulbildung verbessern, wird die Wirkung von Ausbildungsförderung begrenzt bleiben. 50 Prozent der Frauen in Afrika südlich der Sahara können weder lesen noch schreiben. Nötig sind außerdem Maßnahmen, die darauf zielen, das Machtungleichgewicht zwischen Männern und Frauen zu verändern, sowie Geschlechter-Stereotype und Diskriminierung gegenüber Frauen zu überwinden.“
Griechenland
„Die ökonomische Krise in Griechenland hat einen Teil des Gipfels dominiert und das zu Recht. Die soziale Ungleichheit im Land nimmt drastisch zu und die Armut hat ein für Europa unvorstellbares Ausmaß angenommen. Doch die historische Erfahrung aus Lateinamerika lehrt, dass sich eine Schuldenkrise nicht durch eine Politik des sozialen Kahlschlags lösen lässt. Oxfam fordert, dass die G7 mehr tun müssen, als die bestehenden Austeritätsmaßnahmen etwas anzupassen. Griechenland braucht die Möglichkeit zur Entschuldung oder einer langfristigen Schuldenstreckung.“
ONE: Elmau darf kein Luftschloss sein
Garmisch-Partenkirchen, 8. Juni 2015. Die Regierungen der reichsten Staaten wollen extreme Armut und Hunger bis 2030 beenden. Sie haben sich heute auf Initiativen geeinigt, um Mädchen und Frauen zu stärken, die Anzahl der Menschen, die an Hunger und Mangelernährung leiden, um 500 Millionen zu reduzieren und Lehren aus der Ebola-Krise zu ziehen, um schneller auf Epidemien reagieren zu können. Sie haben außerdem zugesagt, den Trend der sinkenden Entwicklungshilfe an die am wenigsten entwickelten Länder umzukehren und bestehende Entwicklungsversprechen bekräftigt. Dazu gehört das Ziel, 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für Entwicklungshilfe aufzuwenden.
Im Folgenden finden Sie eine ausführliche Bewertung für die Bereiche, die relevant für die Armutsreduzierung sind.
Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance – ODA)
Die Absicht, 0,7% des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden wird zum allerersten Mal im Hauptteil eines G7-Abschlussdokuments aufgeführt (und das erste Mal seit dem G7/G8-Dokument aus dem Jahr 2005, wo es im Annex festgehalten war). Einen Monat vor der Finanzierungskonferenz in Addis Abeba ist dies ein gutes Signal. Trotzdem brauchen wir einen glaubwürdigen und ambitionierten Zeitplan: Die Staats- und Regierungschefs sollten sich ambitionierte Ziele stecken, die sie bis 2020 erreichen sollten.
Außerdem sollte Angela Merkel die Finanzierung der Beendigung extremer Armut zur Chefsache machen und persönlich nach Addis Abeba reisen wie ihr Amtskollege Francois Hollande.
Die Entwicklungshilfe an die am wenigsten entwickelten Länder wie Mali und Tansania ist seit 2010 gesunken. ONE begrüßt, dass die G7 anerkennen, dass dieser Trend umgekehrt werden muss. Aber wir sind enttäuscht, dass die G7 sich nicht der Forderung und Zielsetzung von Entwicklungsländern und anderen Ländern wie Irland und Belgien anschließen, bis 2020 mindestens 50 Prozent der Entwicklungshilfe in die am wenigsten entwickelten Länder zu investieren. Aktuell fließen nur 24 Prozent der deutschen Entwicklungshilfe in diese Länder.
Klimafinanzierung
ONE begrüßt die Erneuerung der in Kopenhagen gegebenen Zusage, im Klimabereich 100 Mrd. US-Dollar jährlich bis 2020 zu mobilisieren. Die G7 müssen nun sicherstellen, dass die ärmsten Länder hierbei im Vordergrund stehen. Wir sind besorgt, dass die G7 das international anerkannte Prinzip, nach dem Klimafinanzierung neu und zusätzlich sein muss, nicht aufgreift.
Hunger und Mangelernährung
Wenn die G7 ihr Versprechen halten und 500 Millionen Menschen dazu befähigen, sich aus Hunger und Mangelernährung zu befreien, werden sie einen großen Beitrag geleistet haben, um Hunger bis 2030 zu beenden. Es ist wahrscheinlich, dass dies eines der neuen Globalen Ziele sein wird und wir begrüßen, dass dieser Gipfel frühzeitig die Weichen stellt.
Das ehrgeizige Ziel der G7 sollte andere Länder zu ähnlichen Zusagen ermutigen, doch es bleibt auch viel zu tun für die G7: Unserer Erfahrung nach sind große G7-Zusagen immer nur so viel wert, wie die Finanzierung und die Rechenschaftspflicht dahinter. Experten haben berechnet, dass die G7 jedes Jahr 15 Milliarden US-Dollar aufbringen müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Noch vor Ende des Jahres sollten alle Akteure Aktionspläne ausarbeiten, wie sie zum Ende des Hungers beitragen wollen, die sie bei einem globalen Gipfel für Ernährungssicherheit vorlegen sollen.
Frauen und Mädchen
Zum ersten Mal haben sich die G7 auf eine Initiative geeinigt, die Frauen und Mädchen in den G7-Staaten und in Entwicklungsländern stärken soll: Indem sie die Berufsausbildung von Frauen um ein Drittel erhöhen wollen, setzen sich die G7 ein nachvollziehbares Ziel. Dies ist ein sehr begrüßenswerter Schritt, der lange überflüssig war. Wir erwarten, dass sich zukünftige Gipfel noch ambitioniertere Ziele in diesem Bereich setzen. Zwei Drittel der Analphabeten auf der Welt sind Frauen und die Analphabetinnenrate hat sich seit dem Jahr 1990 nicht wesentlich verändert. Wir müssen jetzt sicherstellen, dass diese Initiativen reale Verbesserungen für Frauen bringen und dass sie nie wieder von der Agenda fallen. Wir können extreme Armut nicht beenden, wenn wir die Hälfte der Weltbevölkerung außer Acht lassen. Die G7 sollten Frauen in den ärmsten Ländern auch bei der Frauen-Konferenz der Bundeskanzlerin im September besonders beachten.
Globale Gesundheit
Die Bundeskanzlerin hat zugesagt, Gesundheit und die Lehren, die aus der Ebola-Krise gezogen werden müssen, zu einer der großen Prioritäten ihrer G7-Präsidentschaft zu machen. Die G7-Zusage, mindestens 60 Ländern in den nächsten fünf Jahren bei der Epidemie-Prävention zu helfen, ist ein konkreter Beitrag. ONE begrüßt auch die Nennung der Global Finance Facility, allerdings muss die dem zugrundeliegenden Finanzuzusagen weiter ausgearbeitet werden. Diese Initiativen von den G7 und anderen Partnern werden die Welt in eine bessere Position bringen, auf Krisen wie Ebola reagieren zu können. Dennoch scheinen sie nur die halbe Lektion aus der Ebola-Krise gelernt zu haben, denn zusätzlich zu schnellen Reaktionskapazitäten müssen vor allem die lokalen Gesundheitssysteme gestärkt werden. Erstens, um tägliche Notfälle im Gesundheitsbereich zu verhindern und zweitens, um im Falle einer Epidemie als Frühwarnsystem und Brückenkopf zu fungieren. Zwar erwähnen die G7 die Stärkung von Gesundheitssystemen, bieten aber keine ausreichende Lösung an. Die dafür notwendige Ausbildung von Gesundheitsfachkräften fehlt komplett. Liberia hat nur drei ausgebildete Gesundheitsfachkräfte für 10.000 Menschen. Das liegt weit unter dem Minimum, das die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. In Deutschland stehen für 10.000 Menschen 151 Gesundheitsfachkräfte zur Verfügung. Die G7 dürfen bei Globaler Gesundheit jetzt nicht stehen bleiben.
Steuertransparenz
Vor zwei Jahren haben die G7 zugesagt, Entwicklungsländer im Kampf gegen Steuerflucht einzubeziehen. Dennoch sind bisher keine konkreten Ergebnisse erfolgt. Keines der am wenigsten entwickelten Länder ist Teil des neuen Systems zum automatischen Steuerinformationsaustausch. Und kein G7-Land hat zugestimmt, Zugang zu wichtigen Daten zu gewähren, um gegen Steuerbetrug vorgehen zu können. Die G7 legen außerdem nicht alle Daten zu den wirtschaftlich Berechtigten von Unternehmen und Trusts offen.
Initiative der Afrikanischen Union und der G7 zu Erneuerbaren Energien
ONE begrüßt die Ankündigung der AU und der G7, 10 Gigawatt erneuerbare Energien in Afrika zu installieren. Mangelnder Zugang zu Elektrizität ist ein Problem, das über 630 Millionen Menschen in Sub-Sahara-Afrika betrifft. Dies untergräbt jeden entwicklungspolitischen Fortschritt. Die Erneuerbaren Energien werden Elektrizität zur Verfügung stellen, die den Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung verbessert sowie wirtschaftliche Möglichkeiten schafft, damit extreme Armut beendet werden kann.
 

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...