An-Institut der Stiftung Weltethos
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SPD-Mitgliederschreiben zu TTIP

Gabriel an alle SPD-Mitglieder
Sigmar Gabriel - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur ZukunftViele Menschen diskutieren gegenwärtig im privaten Kreis, in Parteigremien, aber auch in Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden oder Bürgerinitiativen über den Freihandel. Anlass sind das Abkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (CETA) und die Verhandlungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten über TTIP.
Am 23.02.2015 haben wir im Rahmen einer Konferenz im Willy-Brandt-Haus gemeinsam mit der SPD-Bundestagsfraktion Befürworter und Kritiker der beiden Abkommen zu Wort kommen lassen. Wir haben intensiv, auch kontrovers mit den 700 Anwesenden diskutiert – und dabei viele der Fragen, die uns Parteimitglieder, aber auch andere Bürgerinnen und Bürger, über das Internet gestellt haben, beantwortet.

Wie ist der Stand bei CETA und TTIP?
Das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) ist ausverhandelt, aber noch nicht unterschrieben. Es können also noch Änderungen vorgenommen werden. Ich habe in den vergangenen Wochen erreicht, dass sich die sozialdemokratischen Handelsminister von Frankreich, Dänemark, Schweden, Luxemburg, den Niederlanden und Deutschland in der EU auf eine gemeinsame Position verständigt haben – vor allem bei dem besonders umstrittenen Thema Schiedsgerichte. Alle anderen sozialdemokratischen Parteien in Europa wollen jetzt auf der Grundlage dieser gemeinsamen Vorstellung der Handelsminister die Freihandelsabkommen weiter verbessern. Dabei geht es vor allem darum, die bisherigen privatwirtschaftlich organisierten Schiedsgerichte in Freihandelsabkommen zu öffentlich-rechtlichen Institutionen zu machen – mit Berufsrichtern statt Vertretern bezahlter Anwaltskanzleien, mit öffentlichen und transparenten Verfahren und Berufungsinstanzen. Außerdem soll die Möglichkeit für Unternehmen, solche öffentlich-rechtlichen Schiedsinstitutionen anzurufen, klar beschränkt werden.
Außerdem wollen wir erreichen, dass kein Unternehmen vor einem Schiedsgericht besser gestellt werden kann als vor einem innerstaatlichen Gericht. Wir verfolgen damit die Idee der Einrichtung echter Handelsgerichtshöfe statt privatwirtschaftlicher „Geheimgerichte“. Auch die neue EU-Handelskommissarin Malmström hat mir gegenüber ihre Unterstützung für diesen Weg signalisiert.
Die SPD und bereits die alte Bundesregierung hatten besondere Investitionsschutzabkommen für unnötig gehalten, weil ja sowohl die USA als auch Europa entwickelte und verlässliche Rechtssysteme besitzen. Dagegen führen nicht nur deutsche Unternehmen, sondern auch fast alle anderen EU-Mitgliedsstaaten ins Feld, dass sie in jedem Fall ihre kleinen und mittelständischen Unternehmen vor dem komplizierten und teuren Rechtsweg in den USA durch Schiedsverfahren schützen wollen.
Welche Gefahren sind bereits jetzt ausgeräumt?
Bereits jetzt ist klar – das hat auch unsere Veranstaltung im Willy-Brandt-Haus gezeigt – dass die in Europa und Deutschland bestehenden Verbraucher-, Umwelt- und Sozialstandards nicht durch die Freihandelsabkommen verändert werden. Weder dürfen gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel aus den USA nach Europa gebracht werden noch besteht die Gefahr einer Absenkung unserer Arbeitnehmerrechte.
Ich weiß, dass es in der SPD wie in der AWO und allen anderen Wohlfahrtsverbänden darüber hinaus die Sorge gibt, dass durch TTIP die Belange der Freien Wohlfahrtspflege berührt werden könnte. Deshalb bin ich sehr froh, dass ich als Wirtschaftsminister eine gemeinsame Verabredung mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) treffen konnte, mit der die Bedenken ausgeräumt sein dürften. Wir werden keinerlei Veränderungen an der guten Arbeit der Wohlfahrtsverbände zulassen. Das Gleiche gilt auch für die öffentliche Daseinsvorsorge und die Kulturförderung in Europa.
Wie geht es weiter?
Die Konferenz „Transatlantischer Freihandel – Chancen und Risiken“ inklusive der drei Foren ist im Internet unter spd.de/ttip dokumentiert. Wer der Veranstaltung nicht im Livestream folgen konnte, kann also jedes einzelne Argument nachvollziehen. Die über 800 Bürgerfragen, die bei uns eingegangen sind, werden Themen zugeordnet und nach und nach beantwortet – diese Seite wollen wir zur zentralen Diskussionsplattform der SPD zum Freihandel ausbauen. Keine andere Partei, keine Bürgerinitiative und kein Verband hat bislang einen ähnlich breiten Diskussionsprozess gestartet.
Wie versprochen wird sich noch mal ein Parteikonvent mit den Freihandelsabkommen beschäftigen, bevor es zur Abstimmung im Bundestag kommt. Der nächste Konvent ist für den 20. Juni geplant.
In der Gesellschaft gibt es ein sehr breites Meinungsspektrum zum Thema Freihandel. Und dieses Meinungsspektrum bildet sich auch in der Volkspartei SPD ab. Das ist gut so. Denn eine stumme Partei ist eine dumme Partei. Ich freue mich auf eine weiterhin lebhafte Debatte und lade alle SPD-Mitglieder herzlich ein, sich daran weiterhin intensiv zu beteiligen.

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...