An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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TTIP: Malmström von Widerstand überrascht

Merkel: „Schiedsgerichte zum Teufel des Welthandels zu machen, erstaunt mich ein bisschen.“
Cecilia Malmström, Foto © Gerhard Hofmann, Agentur ZukunftEU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hat sich überrascht vom Widerstand in Deutschland gegen TTIP gezeigt – aber gewisse Mängel am bisherigen Konzept der Schiedsgerichte eingeräumt. Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte unterdessen die Idee, Streitigkeiten durch internationale Schiedsgerichte entscheiden zu lassen.

Malmström forderte von Berlin und den anderen Hauptstädten mehr Unterstützung für TTIP: „Die Mitgliedsstaaten sollten mehr tun, es ist schließlich nicht mein Projekt“, sagte Malmström am 20.04.2015 der Nachrichtenagentur AFP. „Es überrascht mich ein bisschen, dass der Widerstand in einem Land wie Deutschland so groß ist, wo dort die Vorteile am größten sein werden.“

Dabei war es nicht lange her, dass sie selbst Zeugin deutschen Widerstands wurde: Bei einer Großveranstaltung im Berliner Willy-Brandt-Haus (siehe: hblog.ethisch-oekologisches-rating.org/deutsche-ttip-debatte-heisser-als-in-anderen-laendern) muss ihr klar geworden sein, dass TTIP in Deutschland, vor allem bei der SPD-Basis, auf wenig Gegenliebe stößt.

Am 18.04.2015 hatten im Rahmen eines europaweiten Aktionstags in Deutschland Zehntausende gegen TTIP demonstriert, alleine in München waren 23.000 Gegner des Abkommens auf die Straßen gegangen. Bis zum Nachmittag hätten sich „mehrere zehntausend“ Menschen an Kundgebungen und Aktionen in zahlreichen deutschen Städten beteiligt, sagte Frauke Distelrath, Sprecherin von Attac. TTIP-Protesttag - Foto © attac.deDas globalisierungskritische Netzwerk hatte viele Veranstaltungen mitorganisiert. Laut Attac waren rund 700 Aktionen in etwa 45 Ländern geplant, davon rund 200 in Deutschland. Die Kritiker befürchten eine Erosion von Standards bei Datenschutz, Sicherheit am Arbeitsplatz, Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Heftig gerungen wird auch um einen Investorenschutz, der es privaten Unternehmen ermöglichen würde, Staaten vor Schiedsgerichten zu verklagen.
Malmström: Schiedsgerichte „Möglichkeit zum Missbrauch“
Malmström räumte ein, dass Unternehmen durch die Schiedsgerichte eine „Möglichkeit zum Missbrauch“ offenstehe. „Das könnte das Recht einer Regierung, ihre Bürger zu schützen, in Frage stellen.“ Das Jahrzehnte alte System bedürfe daher der Überarbeitung. Angesichts der Proteste werde die EU versuchen, ob sie ein „moderneres System“ schaffen könne. Ob die Schiedsgerichte schließlich im Abkommen stehen würden, ließ Malmström offen.
Seit 20.04.2015 läuft in New York die neunte Runde des geheim verhandelten TTIP-Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA. Weder dabei noch bei einer zehnten Runde im Juli werde es einen Durchbruch geben, sagte die Handelskommissarin. Erst nach dem Sommer werde es eine „politischere Phase“ beginnen. Einen Abschluss der Verhandlungen bis Ende 2015 bezeichnete die Schwedin als undenkbar. Bis dahin solle aber das „Gerippe“ für TTIP stehen.
Merkel verteidigt Schiedsgerichte
Merkels Amtseid - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur ZukunftBundeskanzlerin Merkel hat unterdessen die internationalen Schiedsgerichte in TTIP verteidigt: „Unsere Unternehmen in Deutschland haben nicht schlechte Erfahrungen gemacht, sondern sind von Enteignungen verschont worden“, sagte Merkel am 20.04.2015 bei einer Veranstaltung mit Nichtregierungsorganisationen in Berlin.
Merkel widersprach der Sorge, CETA und die Schiedsgerichte könnten dazu führen, dass Kommunen ihre Wasserversorgung privatisieren müssten. Man werde dafür sorgen, dass bei TTIP und auch bei CETA Privatisierungen im Wasserbereich nicht verpflichtend würden, betonte die Kanzlerin. Das werde auch kein Schiedsgericht anordnen können. „Das ist einfach nicht richtig … Deshalb Schiedsgerichte zum Teufel des Welthandels zu machen, erstaunt mich ein bisschen.“ Sie vermute, dass in Wahrheit hinter der Kritik oft eine generelle Ablehnung von Freihandelsabkommen stehe. Die Bundesregierung versuche, Bedenken zu zerstreuen. So versuche man, für die Schiedsgerichte Berufsrichter zu ernennen.
Gegner der Abkommen lehnen internationale Schiedsgerichte ab, weil sie die Gefahr sehen, dass Firmen damit Einfluss auf Politik erhalten und missliebige Reformen stoppen können. Befürworter der Freihandels- und Investitionsschutzverträge weisen dies zurück.
->Quellen:

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...