Europäisch-kanadisches Freihandelsabkommen soll per Beschluss vorläufig angewendet werden
CETA soll vorläufig in Kraft treten – ohne dass der Bundestag überhaupt darüber abstimmt. Das Bundeswirtschaftsministerium spricht sich dafür aus, dass die EU-Staaten das Abkommen per Beschluss vorläufig anwenden. Das sei „übliche Praxis“ und „vollständig demokratisch“, erklärte das Ministerium in einer Unterrichtung an den Deutschen Bundestag.
Sigmar Gabriel begehe damit „Wortbruch“. Denn noch 2014 habe er in einem Brief an die Fraktionen des Deutschen Bundestages erklärt, dass „ein Abschluss allein durch die EU (…) nicht in Frage“ komme. Die nationalen Parlamente müssten dem Abkommen zustimmen. Mit seinem Vorhaben, die Parlamentarier bei der Entscheidung über CETA nun über Jahre hinweg außen vor zu lassen, setze der Wirtschaftsminister – so foodwatch – „seine systematische Täuschungsstrategie in der Freihandelspolitik fort“.
Das CETA-Abkommen soll im Herbst dieses Jahres vom EU-Ministerrat beschlossen und vorläufig angewendet werden. Die nationalen Parlamente werden dann erst nach vielen Jahren die Chance haben, über CETA abzustimmen. Für foodwatch ist das zu spät. Denn dann seien bereits Fakten geschaffen und eine Ablehnung damit sehr unwahrscheinlich.
Rechtsgutachten: Vorläufige Anwendung inakzeptabel
Auch juristisch begibt sich Sigmar Gabriel auf Glatteis. Es sei „verfassungsrechtlich wie demokratiepolitisch unakzeptabel, dass die vorläufige Anwendung eines Abkommens an den Parlamenten vorbei erfolgt“, heißt es in einem Gutachten des Europa- und Völkerrechtlers Prof. Dr. Wolfgang Weiß von der Universität Speyer.
Dadurch „treten die Wirkungen des Abkommens bereits ein, noch ehe eine Zustimmung der Parlamente hierzu erfolgen muss“, kritisiert Prof. Weiß. Das sei zwar tatsächlich gängige Praxis in der EU, aber die „umfangreichen Freihandelsabkommen der neuen Generation“ – zu denen CETA und TTIP gehören – seien „von hoher politischer Bedeutung“, stellten „die Handelsbeziehungen auf eine völlig neue Grundlage“ und berührten den „Entscheidungsraum des deutschen Gesetzgebers“, schreibt der Jurist.
foodwatch fordert „Nein“ zu vorläufiger Anwendung
foodwatch fordert die Bundesregierung auf, die vorläufige Anwendung abzulehnen: Bei den Freihandelsabkommen der neuen Generation gehe es um weit mehr als Zollsenkungen – CETA und TTIP könnten in die Regelungshoheit des deutschen Parlaments eingreifen. Unsere gewählten Vertreter müssten darüber mitentscheiden, sonst komme unsere Demokratie zu schaden.
CETA gelte als „Zwillingsbruder“ des umstrittenen Freihandelsabkommens TTIP zwischen der EU und den USA. CETA enthalte kritische Elemente wie zum Beispiel die sogenannte regulatorische Zusammenarbeit, die den Konzernen noch mehr Einfluss auf die Gesetzgebung einräume.
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