An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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Lehrstuhl eröffnet – Hemel auf Kooperationsreise in Lateinamerika

Institutsdirektor Ulrich Hemel reiste vom 14.-27. Februar im Rahmen einer Partnerschaftreise unter anderem zur USIL-Universität nach Peru. Dort eröffnete Hemel gemeinsam mit Ramiro Salas, dem Großkanzler aus Peru, der im letzten Jahr mit der Universität Tübingen und dem Weltethos-Institut eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnete, einen neuen Weltethos-Lehrstuhl.

Aufgrund der hohen politischen Unsicherheit in Peru nach dem fehlgeschlagenen Staatsstreich des früheren Präsidenten Pedro Castillo am 7. Dezember 2022 und der interimistischen Machtübernahme durch Dina Boluarte mit nachfolgenden heftigen Unruhen, Straßenkämpfen und bedauerlicherweise auch mehreren Todesopfern fand der Besuch der PAGSID-Delegation besonders hohe Resonanz.

Dies spiegelt sich beispielsweise an der medialen Aufmerksamkeit im Land. Die Vorträge von Ulrich Hemel führten zu verschiedenen Radio- und Fernsehinterviews, so beispielsweise am 16.2.2023 im „Canal N“ des Fernsehens in Peru im Rahmen einer Gesprächsrunde mit Herrn Medina (früher Ernst&Young) und einem bekannten Journalisten, ferner im Rahmen einer Fragerunde im Fernsehkanal der USIL-Universität am 17.2.2023 sowie in einem Radio- und Fernsehinterview des Kanal RPP am 18.2.2023 mit einer Reichweite von 2,5 Millionen Zuschauern und Zuschauerinnen.

Darüber hinaus kam es zu einem Interview in der politischen Zeitschrift „La Carreta“, die in Reichweite und Relevanz dem deutschen „Spiegel“ entspricht. Voraussetzung für die kompetente Sprechfähigkeit im Rahmen dieser medialen Resonanzen war bereits im Vorfeld eine außerordentlich intensive Befassung mit der politischen Geschichte und Gegenwart in Peru.

Inhalt war insbesondere die Frage nach der Bedeutung der Sozialen Marktwirtschaft in einem für Peru angepassten Modell. Das Thema „Soziale Marktwirtschaft“ wird in der bisherigen Verfassung Perus zwar erwähnt, spielte im Land aber keine entscheidende Rolle. Von daher waren die in Deutschland mit der Sozialen Marktwirtschaft gemachten Erfahrungen für die Gesprächspartner von hohem Interesse, gerade auch mit Blick auf deren mögliche Übertragung auf die lokalen Verhältnisse. So wird in Peru aktuell eine Verfassungsänderung kontrovers diskutiert, aber auch strittig gestellt. Gerade die Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft im Kontext eines stark auf Export ausgerichteten Landes wie Peru, das 60% des Bruttosozialprodukts aus dem Export von Rohstoffen bezieht, wirkte auf die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner ausgesprochen attraktiv. Dazu trug auch die Leitidee einer fortentwickelten Sozialen Marktwirtschaft im Sinn einer „Menschenwürdigen Globalisierung“ (Globalización con dignidad humana) bei, die intensiv am Weltethos-Institut diskutiert wurde.

Schon am ersten Tag der Reise fand das Thema großen Widerhall im Rahmen eines Vortrags mit dem Titel „Soziale Marktwirtschaft als Friedensprojekt“. Dieser Titel knüpft an ein Thesenpapier von Christopher Gohl, Ulrich Hemel, Niels Goldschmit und Jeffrey Sachs vom 23.12.2019 an, welches später in verschiedene europäische Sprachen übersetzt worden war. Gehalten wurde der Vortrag vor Unternehmerinnen und Unternehmern des peruanischen Spitzenverbands SNI, und zwar mit der Leitthese, dass die Kombination aus der Schaffung von freiem Wettbewerb als Mechanismus der Problemlösung im Markt mit der Garantie sozialer Mindeststandards letztlich zu sozialer Kohäsion beiträgt.

Gerade in einem Land wie Peru mit über 70% informeller Wirtschaft wird intensiv nach neuen Ansätzen für den wirtschaftlichen und sozialen Frieden gesucht. Einer der Protagonisten ist in diesem Zusammenhang der frühere SNI-Präsident und Präsidentschaftskandidat Ricardo Marquez, der auch bei dem Vortrag anwesend war. Eine moderierte Diskussionsrunde mit dem ebenfalls anwesenden früheren Präsidenten des mexikanischen Industrieverbands COPARMEX, Herrn Antonio Sanchez, schloss sich an.

In einem Hintergrundgespräch mit Herrn Jesús Salazar, dem aktuellen Präsidenten des SNI, wurden die angesprochenen Themen vertieft und die personellen Voraussetzungen für eine tiefere Zusammenarbeit mit deutschen Partnern gelegt.

Am Abendempfang, den der Großkanzler der USIL-Universität Ramiro Salas, in seinem Privathaus ausrichtete, nahm u.a. der Repräsentant der Konrad-Adenauer-Stiftung in Peru, Robert Helbig, mit seiner Gattin teil.

Ein zweiter Höhepunkt des Peru-Aufenthalts war die Eröffnung des Konrad-Adenauer-Lehrstuhls für Weltethos und inklusive Entwicklung an der Universidad de San Ignacio de Loyola (USIL) in Lima (Peru) am 16.2.2023. Anwesend waren nicht nur hochrangige deutsche Vertreter wie die deutsche Botschafterin Sabine Bloch und der bereits erwähnte Repräsentant der Konrad-Adenauer-Stiftung Robert Helbig, sondern auch der frühere Botschafter Perus in Deutschland Elmer Schialer, ein früherer Staatspräsident der Republik Peru, der frühere Oberbürgermeister von Lima, der aktuelle Bildungsminister des Landes, der ranghöchste Marinegeneral, mehrere Abgeordnete und die Spitzen der USIL- Universität, und zwar in Person des Gründers Raul Diez Canseco Terry und des Großkanzlers Ramiro Salas. Der von Ulrich Hemel gehaltene Festvortrag „Soziale Marktwirtschaft und menschenwürdige Globalisierung“ fand im Rahmen dieses Festakts eine ausgesprochen positive Resonanz.

Die thematische und inhaltliche Ausrichtung des neuen Lehrstuhls wurde am nächsten Tag in einem Arbeitsgespräch mit der Hochschulleitung vertieft. Es soll um „Lehrangebote, Projekte und Events“ gehen (Programas, Proyectos, Eventos), mit einem eigenen Projektbeauftragten für den genannten Lehrstuhl. Nicht eine rein historische Betrachtung früherer deutscher Wirklichkeit oder eine asymmetrische Form der „Belehrung“ sind gefragt, sondern die akademische, politische und industrielle Begegnung auf Augenhöhe. Dabei zeigte sich eine durchaus enge Verbindung der USIL-Universität mit den industriellen Spitzen im Land. Die Akzentsetzung einer eigenständigen Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft im Rahmen einer „Menschenwürdigen Globalisierung“ im Dreiklang ökonomischer, sozialer und ökologischer Perspektiven wurde dabei ausdrücklich begrüßt.

Als praktisches Modellprojekt wurde ein sozialer und ökologischer Index für den Bergbau identifiziert. Die peruanischen Gesprächspartner fanden dieses Thema besonders relevant, gerade wegen der hohen Bedeutung des Sektors für das Land Peru, aber auch wegen des Nebeneinanders seriöser Bergbaubetriebe und illegaler, gefährlicher Minen. Es wird am Weltethos-Institut und seinen akademischen und sonstigen Partnern liegen, diesem Projekt entsprechende Impulse zu verleihen.

Zur ökologischen Innovation wurde darüber hinaus der Gedanke von Photovoltaikanlagen im Süden des Landes erörtert, wo entsprechend geeignete Flächen in großem Maßstab zur Verfügung stehen. Wenn die dort produzierte Energie durch Elektrolyseure in grünen Wasserstoff umgewandelt und damit auch gespeichert und transportiert werden könnte, wäre dies auch eine Riesenchance für die deutsche Industrie, die ansonsten in Peru keinen besonders starken Aufschlag hat, sich aber entsprechende industrielle Chancen nicht entgehen lassen sollte.

Das Weltethos-Institut freut sich auf weitere Früchte dieser Kooperation.