An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

First slide

Über das Führungsverständnis in Zeiten globaler Herausforderungen

Am 6. September eröffnete Dr. Friedrich Glauner mit einem Leitvortrag zum Thema „Kompetenzkompetenz. Die eierlegende Wollmilchsau als Hauptfigur im Führungsdrama“ in Berlin die 6. Konferenz für Führungs- und Organisationskultur. Die jährlich stattfindende Konferenz wird im Rahmen der Alumni-Aktivitäten der Studienstiftung des Deutschen Volkes vom der Arbeitsgruppe „Führungs- und Organisationskultur“ organisiert. In der Arbeitsgruppe sind rund 900 Alumni der Studienstiftung tätig. An der Konferenz nahmen knapp 70 Personen teil die sich zu jeweils rund einem Drittel aus Führungsverantwortlichen in Unternehmen und öffentlichen Institutionen, aus Berater*innen im Bereich Führung, Organisation und Change-Management sowie aus Personen zusammensetzte, die im Bereich Wissenschaft, Lehre und Forschung engagiert sind.

 

Anhand der derzeitigen Diskussion über die Rolle von Kompetenzen erläuterte Dr. Glauner, weshalb funktional erfolgreiche Führungssysteme vor aller Kompetenzfixierung durch zehn Führungstugenden getragen sein müssen, die im Kern der Organisationskultur den Weltethos-Werten verpflichtet sind. Auf der Sachebene von Entscheidungsprozessen sind dies die sachbezogenen Tugenden der Fairness, der Verlässlichkeit sowie der Achtung und des Respektes, auf der Beziehungsebene sind dies die menschbezogenen Führungstugenden der Verantwortung, des Vertrauens und der Verbindlichkeit sowie auf der Organisationsebene die funktionsbezogenen Führungstugenden der Offenheit, der Transparenz und einer konsequenten Umsetzung des Mottos offen, transparent und konsequent zum Wort stehen und sich selbst an die Regeln halten, die für alle als verbindlich kenntlich gemacht worden sind.

Mit Blick auf diese Werte machte der Vortrag darauf aufmerksam, dass in Zeiten von Bildungsnotständen, Fake-news sowie der globalen Transformation aller Austauschprozesse (Waren, Menschen, Informationen, Geld) sich auch das Führungsverständnis verändert hat. Der strenge Zuchtmeister, der seine Schäflein anleitet und getreu dem Wort, dass das Auge des Herrn das Vieh fett macht, erfolgreich kontrolliert, hat ausgedient. Anstelle dessen ist der “Mensch“ gefragt, der getreu der „Farm der Tiere“ lediglich ein bisschen gleicher als die anderen ist, weil er das Team coacht und so jeden Einzelnen zu Höchstleistungen befähigt. Ausdruck dieser Mode ist das Verständnis, dass wir im Prozess lebenslangen Lernens Kompetenzen und nicht festgefügtes Wissen zu erwerben hätten. Ersteres signalisiere Dynamik, Wandel, Aufbruch und Innovation, während Letzteres, wenn es veraltet ist, nur Ballast und “red tape“ darstelle. Die Führungskraft wird so zum Kompetenzträger von Kompetenzvermittlung. Zukunftsfähige Führungskompetenz besteht dann in der Fähigkeit, Orientierung zu geben (Orientierungskompetenz) verbunden mit der Fähigkeit, die Organisation der Organisation über selbstorganisierende Prozesse zu steuern (Kooperations-, Kommunikations- und Befähigungskompetenz als Voraussetzungen für Selbstorganisationskompetenz). Das Führungsverständnis verkommt so zu einer verquasten Rede der Entwicklung von Kompetenzkompetenzen. Die sind aber ebenso hohl, wie jene Kompetenzen, die Odo Marquart mit dem geflügelten Wort der Inkompetenzkompensationskompetenz im Bereich der philosophischen Kompetenzen bloß stellt. Wer folglich schwarmdumm auf den Modezug der Kompetenzen aufspringt, verliert genau das aus den Augen, was die Ausbildung von tragfähigen Kompetenzen erst ermöglicht: profundes Wissen und Können sowie die Fähigkeit, beides mit eigenständig kritischem Blick wohlwollend zupackend zu hinterfragen. Die Messlatte hierfür ist nicht selbst eine Kompetenz, sondern eine profunde und ernsthaft gelebte Wertehaltung, die die Mühen der Ebenen nicht scheut, sondern sucht, indem sie die Weltethos-Werte in Form der zehn genannten Führungstugenden tagtäglich aufs Neue in der Organisation verankert.

 

Text, Foto: WEIT