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Foodwatch: CETA-Text bestätigt Befürchtungen

Bode: „Entsetzt und wütend“
Thilo Bode - Foto © Foodwatch„Jetzt ist die Katze aus dem Sack, denn der Vertragstext von CETA liegt vor – und dieser bestätigt unsere schlimmsten Befürchtungen“, schreibt Foodwatch-Chef Thilo Bode in einer Rundmail. Seit mehr als zwei Jahren kämpfe Foodwarch gegen die Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) sowie der EU und Kanada (CETA): „Aber eben solange werden wir angelogen und verleumdet – von den Unternehmen und von unserer Regierung“. „Freihandelsgegner“, „Anti-Amerikanismus“, „Panikmache“ so die Vorwürfe. Aber Foodwatch sei weder gegen Freihandel noch „dumpfe Anti-Amerikaner“. Bode ist „schlichtweg tief besorgt: Denn CETA und TTIP bedrohen unsere Demokratie und das bisher Erreichte im Umwelt-, Verbraucher-, Gesundheits- und Arbeitnehmerschutz“.
Drei Gefahren (laut Foodwatch):

  1. Kein effektiver Schutz mehr vor Giften

Im CETA-Vertragstext ist das Vorsorgeprinzip nicht garantiert und rechtlich abgesichert. Dieses Prinzip ist eine große politische Errungenschaft der EU und hat Verfassungsrang. Stehen zum Beispiel Chemikalien im Verdacht, der menschlichen Gesundheit ernsthaft zu schaden, dann können Sie vorsorglich verboten werden. Das Vorsorgeprinzip hat den Umgang mit giftigen Chemikalien revolutioniert – zum Vorteil für die Menschen. Doch was ergibt sich aus dem CETA-Vertrag? Das Vorsorgeprinzip ist nicht mehr garantiert, wie eine Analyse der Universität Göttingen (Till Patrik Holterhus: „Das Vorsorgeprinzip im CETA-Entwurf“, zugleich Rechtsgutachten, 2016 -foodwatch e.V.-, im Erscheinen, Co-Autorenschaft mit Prof. Dr. Peter-Tobias Stoll und Patrick Abel) ergibt. Das kann gravierende Folgen haben.
Beispiel: Die EU plante bisher, vorsorglich Chemikalien verbieten, die in vielen Kunststoffen vorkommen und den menschlichen Hormonhaushalt schädigen beziehungsweise Unfruchtbarkeit bewirken können (sogenannte endokrine Disruptoren). Davon ist jetzt nicht mehr die Rede. Doch die Abkehr vom Vorsorgeprinzip ist bei weitem nicht das einzige Problem des CETA-Vertrages:
2. Über eine Paralleljustiz können Konzerne den Staat erpressen.
Investoren können Staaten vor umstrittenen Schiedsgerichten auf hohen Schadensersatz – möglicherweise in Milliardenhöhe – verklagen, wenn diese Maßnahmen beschließen, um die Umwelt oder die Gesundheit der Verbraucher vor schweren Schäden zu bewahren. Will der Staat also zum Beispiel die oben erwähnten hormonschädigenden Substanzen verbieten, kann ein Unternehmen, das in die Produktion dieser Stoffe investiert hat, ihn vor einem Schiedsgericht wegen „nicht realisierter Gewinne“(!) auf Schadensersatz verklagen. Schon die Androhung derartiger Klagen kann Staaten davon abhalten, wichtige Entscheidungen für das das Allgemeinwohl zu treffen. Heftiger Protest hat die EU zwar veranlasst, das Konzept der Schiedsgerichte kosmetisch zu verbessern und anders zu benennen. Aber in der Substanz bleibt diese skandalöse Paralleljustiz bestehen.
3. Die Demokratie wird ausgehebelt!
„Liebe Bürger, keine Sorge, das wird doch am Schluss alles demokratisch entschieden. Die nationalen Parlamente müssen doch so einem Handelsvertrag zustimmen“ – so beruhigt uns unsere Regierung. Aber was ist denn die Wirklichkeit? Leider ist  überhaupt nicht sicher, ob die Parlamente der Mitgliedsstaaten am Schluss über CETA entscheiden dürfen. Im Gegenteil: CETA steht jetzt vor der Beschlussfassung, aber die EU-Kommission hat sich noch nicht verbindlich festgelegt, ob die nationalen Parlamente etwas zu sagen haben. Allein diese Unsicherheit ist schon ein Skandal, wenige Wochen vor der Beschlussfassung von CETA. Und selbst wenn die nationalen Parlamente abstimmen dürfen. Der Vertrag droht, in Kraft zu treten, ohne dass ein Parlamentarier aus den Mitgliedstaaten jemals die Hand gehoben hat. Denn er kann „vorläufig angewendet“ werden, und das ist so gut wie sicher.
Ein Vertrag, der tief in unser tägliches Leben eingreift, der sogar den Schutz unserer Gesundheit oder den Umweltschutz den Gewinninteressen unterordnet, kann “vorläufig“, das heißt jahrelang, angewendet werden ohne die Zustimmung unserer gewählten Vertreterinnen und Vertreter im Bundestag.
Bode ist entsetzt: „Ein Vertrag, der tief in unser tägliches Leben eingreift, der sogar den Schutz unserer Gesundheit oder den Umweltschutz den Gewinninteressen unterordnet, kann “vorläufig“, das heißt jahrelang, angewendet werden ohne die Zustimmung unserer gewählten Vertreterinnen und Vertreter im Bundestag!“ Und er nennt das einen „Anschlag auf die Demokratie“.  Denn schon längst könnten die EU und die Regierungen klar sagen, wie am Schluss abgestimmt wird. Alle nötigen Informationen liegen vor. Bode: „Ich bin entsetzt und wütend, dass die Regierungen mich nicht wie einen Bürger, sondern wie einen Untertanen behandeln. Unsere Interessen sind offensichtlich bei unseren Regierungen und leider auch bei vielen Volksvertretern, die diesem Treiben der Regierungen tatenlos zusehen, nicht mehr gut aufgehoben.“

Richterbund lehnt Investitionsgericht ab

Richterbund logoWeder notwendig noch rechtens – der Deutsche Richterbund kritisierte die von der EU-Kommission geplante Einführung eines Investitionsgerichts im Rahmen des Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA (TTIP). „Die Schaffung von Sondergerichten für einzelne Gruppen von Rechtsuchenden ist der falsche Weg“, schrieb der Verband in einer am 01.02.2016  veröffentlichten Stellungnahme.

Der Deutsche Richterbund führt zwei Argumente gegen das Investitionsgericht ins Feld: Erstens fehle  die Rechtsgrundlage. Die Gerichte in Deutschland und im Rest der Europäischen Union wären verpflichtet, sich diesem neuen Gerichtshof, dessen Entscheidungen bindend wären, zu unterwerfen – eine Kompetenzverschiebung sondergleichen. Zweitens sei ein Investitionsgericht überflüssig: Ein Land wie Deutschland sei ein Rechtsstaat, der bereits jetzt allen Rechtsuchenden den Zugang zum Recht über die staatliche Gerichtsbarkeit eröffne und garantiere.

Bundesverband mittelständische Wirtschaft loogoAuch aus Wirtschaftskreisen wird mittlerweile Kritik an dem geplanten transatlantischen Freihandelsabkommen laut. Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) und des europäischen Mittelstandsdachverbands European Entrepreneurs, hat sich mit deutlichen Worten gegen die in TTIP geplanten Schiedsgerichte ausgesprochen. Ein Investitionsschutz sei sowohl in den USA als auch in Europa „durch die bestehenden Rechtssysteme vollkommen gewährleistet“. Die Schiedsgerichte, die in TTIP vorgesehen sind, seien „schädlich für den deutschen Mittelstand“.

->Quelle:

 

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...