
Vor dem Hintergrund der Einigung im Zollkonflikt zwischen der Europäischen Union und den USA warnt der Direktor des Weltethos-Instituts, Prof. Dr. Nils Goldschmidt, davor, den Abschluss vorschnell als politischen Erfolg zu feiern. „Ein echter Kompromiss bedeutet, dass zwar keine Seite ihre Idealposition durchsetzt, aber beide gemeinsam eine tragfähige zweitbeste Lösung finden. Ein Deal im Stile Trumps hingegen kennt keine Mitte – sondern einen, der Bedingungen stellt, und einen, der sie akzeptiert.“ Nach der aktuellen Beschlussfassung stehe die EU eindeutig als Verliererin da, die die eigenen Interessen nicht ausreichend eingebracht hat, so der Ökonom, der auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist.
Die EU müsse deshalb aufpassen, ihre ordnungspolitischen Überzeugungen nicht vollständig preiszugeben – insbesondere mit Blick auf die Interessen europäischer Unternehmen und Konsument*innen sowie bei der Regulierung marktmächtiger Digitalkonzerne (siehe hierzu Presseinfo vom 10. Juli).
„Wenn die EU nun so passiv auftritt und eigene ökonomische Interessen und ordnungspolitische Grundsätze hintanstellt, dann riskiert sie ihre politische Souveränität. Ein Deal auf Kosten der eigenen Überzeugungen ist kein Kompromiss – er ist ein Rückschritt für Europa und zeugt von Hasenfüßigkeit.“
Goldschmidt, der sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit mit ordnungsökonomischen Fragen befasst, wird im November am Weltethos-Institut seine Antrittsvorlesung zum Thema „Kompromisse. Warum die Wahrheit uns nicht retten wird“ halten. Der nun bekannt gewordene Deal zeige exemplarisch, wie politische Kurzfristlogik einen Politikstil auf Augenhöhe verdrängen kann. „Bei allen bestehenden, insbesondere den militärischen Abhängigkeiten von den USA, sollte die EU seine eigene wirtschaftliche Macht selbstbewusst in die Waagschale werfen. Langfristig wird die Zollpolitik von Trump vor allem auch die US-Verbraucherinnen und -Verbraucher treffen.“
Die EU sei nun gefordert, Haltung zu zeigen: durch eine entschlossene Besteuerung großer Digitalkonzerne, durch Maßnahmen zur Begrenzung monopolistischer Strukturen und durch den Schutz demokratischer Öffentlichkeit – auch im digitalen Raum. „Wer kompromissfähig sein will, muss wissen, wofür er nicht verhandlungsbereit ist. Die Durchsetzung ordnungspolitischer Prinzipien gehört dazu.“
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