Literatur und Krisenfrüherkennung
Das „Projekt Cassandra“ ist eine Kooperation des Bundesverteidigungsministeriums und des Weltethos-Instituts zur Krisenfrüherkennung und Gewaltprävention. Das Studienteam um Prof. Dr. Jürgen Wertheimer forscht seit 2017 daran, literarische Texte als Prognoseinstrumente im Bereich der Gewalt-Prävention nutzbar zu machen.
Verortet im Bereich der kulturellen Einflussmöglichkeiten zur strategischen Prävention von Krisen und bewaffneten Konflikten, ergänzt der Ansatz der Studie bestehende Präventionsstrategien.
Krisen erkennen durch Literatur?
Das Studienteam arbeitet an einem Prognosemodell auf der Basis der Auswertung qualitativer Daten (literarische Texte/Narrative), das in einem Zeitraum von 3 bis 5 Jahren Entwicklungen in der Latenzphase eines potenziellen Gewaltkonflikts aufzeigen soll. Dazu prüft das Studienteam anhand von Modellanalysen text- und umfeldbasierte Indikatoren wie beispielsweise Themenschwerpunkte, Zensur, Textformen und Rezeptionsmuster/Rezeptionsintensität/Rezeptionsradius auf die Prognoseleistung in Bezug auf die Konfliktintensität. Ziel ist die Entwicklung von Indikatoren, das Aufzeigen von leicht übersehbaren Signalen wie Schlüsselthemen, emotionalen Dynamiken und Trends („weak signals“) und potenziellen (Gewalt-)Dynamiken in einer „Conflict and Emotion Map“ sowie die Formulierung konkreter Maßnahmen in verschiedenen Phasen des Konflikts (z.B. Gegennarrative). Bisherige Modellanalysen der Studie waren der Kosovo-Serbien-Konflikt (1970-1999), der Konflikt um die islamistische Gruppierung Boko Haram in Nigeria (2009-2019), der Biafra-Konflikt in Südostnigeria (2009-2019) und die Textanalyse Algeriens im Vorfeld und Kontext der Wahlkrise 2019. Aktuell arbeitet das Studienteam an der Analyse des Kosovos, der Kaukasusregion und der Sahelzone.
Bild: Bettina Flitner