An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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Entzug der Gemeinnützigkeit wegen Anti-TTIP-Kampagne?

Campact und Attac im Visier

campact logoEin CDU-Abgeordneter  drohte Campact wegen der TTIP-Kampagne mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit. Das solche Forderungen ernstgenommen werden müssen, zeigte das Finanzamt Frankfurt im vergangenen Jahr: Attac Logo - © attacEs hielt Attac für zu politisch und entzog dem Verein bereits die Gemeinnützigkeit. Anfang 2016 steht die Überprüfung der Gemeinnützigkeit des Campact e.V. an.
Felix Kolb - Foto © Campact„Wir lassen uns aber nicht den Mund verbieten, sondern wollen 2016 unsere Aktivitäten intensivieren“, schrieb Campact-Vorstandsmitglied Felix Kolb in einer Rundmail am 02.01.2016 mit der Bitte um Unterstützung. Tausende Campact-Aktive hätten bereits ihre Unterstützung für diesen Kurs zugesagt.
„Empörungsmaschine“ (Cicero), „Alle-sind-dagegen-AG“ (Wirtschaftswoche), „Pegida von links“ (Zeit Online) – noch nie habe er erlebt, und Kolb spricht die Unterstützer direkt an, „dass unsere Bürgerbewegung – und damit Sie und die über 1.700.000 anderen Campact-Aktiven – so verunglimpft, verspottet und verleumdet wurde wie in den vergangenen drei Monaten. Dazu möchte ich Ihnen gratulieren! Sie sagen: Wie bitte? Wie kann man sich freuen, wenn man beschimpft wird? Aber seit Gandhi wissen wir, dass es ein gutes Zeichen ist, wenn die Gegner Nerven zeigen: ‚Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.’“
Anti-TTIP-Demo 14 - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft_20151010_131223Als Campact Ende 2013 die Kampagne gegen TTIP gestartet habe, sei man ignoriert worden. Es dauerte Monate, bis EU-Parlamentspräsident Martin Schulz die 600.000 von Campact gesammelten Unterschriften entgegennahm (siehe: blog.ethisch-oekologisches-rating.org/schulz-nahm-fast-33-mio-unterschriften-gegen-ttip-entgegen).
Beim letzten Weltwirtschafts-Forum machte sich Sigmar Gabriel noch über Campact lustig: Die TTIP-Kritiker/innen seien „reich und hysterisch“. Doch Campact sei „noch stärker“ geworden: Am 10. Oktober hätten unglaubliche 250.000 Menschen in Berlin gegen TTIP und CETA demonstriert.
Dieser Protest aus der Mitte der Gesellschaft mache den TTIP-Befürworter/innen Angst. So sei es kein Wunder, dass rund um die Demonstration die Angriffe auf die Kampagnennetzwerke den vorläufigen Höhepunkt erreicht hätten. Kolb: „Wir aber sind dem Ziel, TTIP und CETA zu stoppen, dennoch nahe. Und 2016 nehmen wir die Abkommen weiter in die Zange:

  • Die fünf Landtagswahlen nutzen wir, um so viele Bundesländer wie möglich auf eine Ablehnung festzulegen, so dass die Abkommen im Bundesrat gestoppt werden.
  • Der SPD-Basis zeigen wir, dass der von Gabriel vorgeschlagene Investitionsgerichtshof nicht weniger schlimm ist als Schiedsgerichte.
  • Und der CSU-Basis machen wir klar, welche fatalen Folgen TTIP und CETA für die bäuerliche Landwirtschaft und die Gestaltungshoheit der Kommunen hätte.“

Dr. Joachim Pfeiffer Foto © www.joachim-pfeiffer.infoEs könne sein, dass 2016 mehr als nur verbale Angriffe warteten. Ein Vorgeschmack darauf sei ein Artikel in den Stuttgarter Nachrichten*) am 10. Dezember 2015 gewesen. Dort forderte der Bundestagsabgeordnete Joachim Pfeiffer, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Campact die Gemeinnützigkeit zu entziehen. „Und zwar, weil wir zu aktuellen Themen wie TTIP, Fracking oder Gentechnik Kampagnen organisieren“.

*) Es ging um Datenschutzprobleme. Die Datenschutzbeauftragte von Niedersachsen, Barbara Thiel, hatte im September 2015 ein Verfahren wegen Verstößen gegen das Datenschutzgesetz gegen Campact eingeleitet. Die Organisation sammle, verarbeite und speichere ohne  Einwilligung der Bürger sensible personenbezogene Daten im Netz. Campact lenkte nach anfänglichem Widerstand ein und baute die Netzseite um. Jetzt ist sichergestellt, dass Bürger nur dann weiteres Werbematerial zu Aktivitäten von Campact erhalten, wenn sie zuvor zugestimmt haben. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese warf Campact doppelbödiges Verhalten vor. „Wer hohe Transparenzansprüche an die Politik stellt, der muss auch selbst vorbildlich danach handeln“, sagte Wiese im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Wirtschaftsexperte der Union, Joachim Pfeiffer, ging noch einen Schritt weiter. Er stellte in Frage, ob die Organisation, die 2014 über einen Etat von 4,8 Millionen Euro verfügte und in Berlin und im niedersächsischen Verden Mitarbeiter in 22,5 Vollzeitstellen beschäftigt, zu Recht steuerliche Privilegien aufgrund von Gemeinnützigkeit genießt.Wie alle anderen Organisationen, die den Status der Gemeinnützigkeit haben, können Förderer ihre Spenden an Campact zur Minderung der eigenen Steuerlast geltend machen. Der Fiskus unterstützt damit indirekt das Engagement von Campact. Pfeiffer fordert: „Es ist dringend geboten, die Gemeinnützigkeit von Campact zu überprüfen.“ Er hält es für unvereinbar mit dem Status der Gemeinnützigkeit, dass Campact am laufenden Band Kampagnen zu tagespolitischen Themen startet. „Die Abgabenordnung hält das Verfolgen von politischen Zwecken für unvereinbar mit der Gemeinnützigkeit“, so Pfeiffer. Tagespolitik dürfe ausdrücklich nicht im Mittelpunkt der Tätigkeit stehen. Pfeiffer: „Wenn ich mir die Aktivitäten von Campact ansehe, dann geht es ausschließlich um Tagespolitik.“ Und weiter fordert der Abgeordnete : „Die linke Lobbytruppe soll ruhig ihre Aktivitäten betreiben, nur künftig nicht mehr mit den Steuergeldern der Bürger.“ Der Organisation Attac ist der Status der Gemeinnützigkeit bereits entzogen worden. (Nach Stuttgarter Nachrichten: „Linke Lobbytruppe kassiert Schlappe„)

Kolb dazu in seiner Rund-Mail: „Dass Pfeiffer mit keinem Wort die Gemeinnützigkeit von industrienahen Organisationen in Frage stellt, sagt alles“. So tarne sich seit Jahren das „Who is who“ der deutschen Rüstungsindustrie über gemeinnützige Vereine wie etwa die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) oder den Förderkreis Deutsches Heer (FKH). Unternehmen könnten ihre Lobby-Ausgaben sogar komplett als Betriebsausgaben geltend machen, was ihre Steuerzahlungen mindere.
Das Szenario scheine absurd: Campact verliere die Gemeinnützigkeit, „weil Sie und die anderen Campact-Aktiven erfolgreich unsere Demokratie vor privaten Hinterzimmer-Schiedsgerichten verteidigen“. Dass solche Drohungen ernst gemeint seien, hätten die Globalisierungskritiker von Attac erleben müssen. Das Finanzamt Frankfurt habe Attac für zu politisch gehalen und dem Verein 2015 kurzerhand die Gemeinnützigkeit entzogen. Anfang 2016 steht die Überprüfung der Gemeinnützigkeit des Campact e.V. an. Kolb: „Ich weiß nicht, ob die CDU versuchen wird, Einfluss auf die Berliner Finanzverwaltung zu nehmen. Und ich weiß nicht, ob das Finanzamt der verqueren Logik eines Herrn Pfeiffer folgen würde.“
Fest steht für Campact bisher nur eines: Solange die überwältigende Mehrheit der Campact-Aktiven es wolle, werde Campact mit seinen Partnern die Arbeit gegen CETA und TTIP fortsetzen. „Wir lassen uns nicht den Mund verbieten!“
->Quellen:

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...