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Deutsche Bischöfe: schwerste Bedenken gegen TTIP und CETA

Veröffentlicht vom Campact-Blog
Aus unerwarteter Richtung ist ein Diskussionspapier zu den Abkommen TTIP und CETA aufgetaucht. Das Kommissariat der Deutschen Bischöfe – kurz Katholisches Büro – findet den enthaltenen Investitionsschutz mehr als fragwürdig. Das Papier transportiert eine vernichtende Kritik – und macht klar: Auch die Bischöfe stehen nicht hinter den Abkommen.
Das schreibt Jörg Haas auf dem Blog der Bürgerplattform Campact.

Das Katholisches Büro ist eine Dienststelle der deutschen Bischofskonferenz, das die Anliegen der katholischen Bischöfe in Berlin und Brüssel wahrnimmt. Politisch würde es kaum einer auf der linken Seite des politischen Spektrums ansiedeln. Um so bemerkenswerter ist das vom Katholischen Büro verfasste Diskussionspapier zu TTIP und CETA, den beiden Handelsabkommen der EU mit den USA und Kanada.
Besonders kritisch nimmt das Katholische Büro gegen die geplanten Investitionsschutzklauseln Stellung. Wir erinnern uns: Sigmar Gabriel hatte sich anfangs mit der SPD gegen die Paralleljustiz durch Schiedsgerichte gewandt. Doch jüngst fiel er um – und behauptet nun, es ginge gar nicht anders als den Schiedsgerichten zuzustimmen.
Das Kommissariat der Deutschen Bischöfe hat schwerste Bedenken:
„Gegen die Aufnahme materiell-rechtlicher Investitionsschutzbestimmungen nach klassischer oder CETA-Formulierung in eine mögliche TTIP bestehen schwerwiegende politische und ggf. auch verfassungsrechtliche Bedenken. […] Je mehr ‚Sicherheit‘ der Staat also dem Investor bzgl. des rechtlichen und tatsächlichen Investitionsumfeldes zusagt oder suggeriert, desto stärker verliert er selbst die Fähigkeit, dieses Umfeld politisch zu gestalten.
Es erscheint […] fragwürdig, einzelnen Wirtschaftsakteuren […] durch Investitionsschutz-Mechanismen die Macht zuzugestehen, demokratisch legitimierte politische Gestaltungs-Vorgänge in einem Staat in eine nicht dem politischen (Mehrheits-) Willen entsprechende Richtung zu zwingen.“
Das Katholische Büro macht also klar: Die Handlungsfähigkeit unserer Demokratie steht auf dem Spiel.
Aber sind nicht die Klauseln im CETA-Abkommen entschärft, werden nun viele fragen? Dazu die Katholiken:
„Zwar enthält das CETA Vorschriften, die das Recht der Vertragspartner hervorheben, in den Bereichen Umwelt und Arbeitnehmerschutz weiterhin Regelungen zu treffen. […] Dieses Recht im CETA steht aber unter der Bedingung, dass es im Einklang u.a. gerade mit den Verpflichtungen aus dem CETA ausgeübt wird, ist also u.a. auch den Investorenschutzklauseln nachgeordnet.“
Das heisst, im Zweifelsfall übertrumpft in CETA der Investorenschutz die Demokratie. Das Ergebnis ist für die Katholiken dann auch glasklar:
„Die Aufnahme eines Investor-Staat-Streitverfahrens […] in das CETA oder die TTIP ist insgesamt abzulehnen.“
Auch zu den viel diskutierten Standards nimmt das Katholische Büro Stellung. Kanzlerin Merkel versicherte am Wochenende noch einmal nachdrücklich, dass es TTIP nur zu unseren Standards gäbe. Doch das Argument geht für das Katholische Büro am Kern der Sache vorbei: Der Mechanismus funktioniert nicht über die Absenkung von Standards, sondern über Wettbewerbsvorteile für nicht nachhaltige Produkte.
„Ethisch erscheint es aber mehr als bedenklich zuzulassen, dass ein nachlässiger oder sogar zerstörerischer Umgang mit der Schöpfung auf einem freihandelsinduzierten Markt zum Wettbewerbsvorteil wird, der langfristig sogar nachhaltige, umweltbewusster hergestellte Produkte vom Markt verdrängen könnte. […] ist es naheliegend, dass sich bald politischer Druck aufbauen wird, die eigene Wettbewerbsfähigkeit durch Verringerung der Kosten und daher durch Absenkung von Schutzstandards für Mensch, Tier, Pflanzen und Umwelt zu stärken. […] Ein marktgetriebenes „Race to the bottom“ bei Umwelt-, Sozial- und Verbraucherschutzstandards steht zu befürchten.“
Abschließend fasst das Papier die Kritik zusammen und äußert die Sorge,…
„[…] dass eine Freihandelszone zwischen z.T. auf sehr unterschiedlichen Wertvorstellungen basierenden Rechts- und Gesellschaftsordnungen eine Entwicklung in Gang setzen wird, die den „Wert“ des Freihandels über die Werte einer aus europäischer Sicht erstrebenswerten ökologisch-sozialen Marktwirtschaft […] setzt und letztere schlussendlich obsolet macht. In der internationalen Zusammenarbeit darf aber die Logik des Marktes nicht der Pflicht zur Solidarität, zur allumfassender sozialer Gerechtigkeit übergeordnet werden. Wie bei der Wirtschaft insgesamt muss auch der Freihandel letztlich dem Menschen dienen und nicht anders herum.“
Im Zentralkomittee der deutschen Katholiken (ZdK) sitzen mit Wolfgang Thierse (SPD), Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), Staatsministerin Maria Böhmer (CDU) etc. zahlreiche prominente Mitglieder des Bundestags – ob sie sich diese Argumente zu Herzen nehmen? Und es ist auch abzuwarten wie Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf diesen Gegenwind reagieren wird.
Zumindest in der CSU scheint eine Debatte über TTIP und CETA zu beginnen. Auf ihrem Parteitag am kommenden Wochenende in Nürnberg liegt ein kritischer Antrag vor. Die TTIP-Kritiker um den Abgeordneten Josef Göppel werden sich über den “katholischen Rückenwind” freuen.
Quelle: campact.de und (30 Kommentare)

Das Papier: http://blog.campact.de/wp-content/uploads/2014/12/141125-Diskussionspapier-TTIPCETA-1.pdf

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...