Macron will nicht – dafür gemeinsamer Kampfjet
Proteste für die Transaktionssteuer gibt es schon lange. Seit 2014 wird sie in der EU ernsthaft verhandelt. Jetzt liegt sie auf Eis, wie Steffen Stierle auf EURACTIV.de schreibt. Die seit Jahren angekündigte Finanztransaktionssteuer (FTS) wird vorerst nicht kommen – weil Präsident Macron britische Banken nach Frankreich locken will.
Stattdessen wollen Deutschland und Frankreich einen europäischen Kampfjet entwickeln: Am 13.07.2017 reiste Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem Kabinett zum deutsch-französischen Ministerrat nach Paris. Die Regierungen Deutschlands und Frankreichs unterhielten sich unter anderem über gemeinsame Vorhaben wie eine europäische Verteidigungspolitik und Initiativen für mehr Investitionen in Europa. Beide Länder wollen langfristig gemeinsam einen neuen europäischen Kampfjet entwickeln, der den von der Bundeswehr verwendeten Eurofighter und die französischen Maschinen vom Typ Rafale ersetzen soll.
Am 11.07.2017 bestätigte Bundesfinanzminister Schäuble in Brüssel, dass Frankreich die Arbeit an der Steuer auf Eis legen will um abzuwarten, wie sich die Brexit-Verhandlungen entwickeln. Bereits das vorherige Treffen zu diesem Thema wurde kurz nach der Wahl Macrons durch Frankreich abgesagt.
Die Besteuerung von Finanztransaktionen wird seit der Finanzkrise 2008/09 weltweit als Mittel zur Eindämmung von Finanzmarktturbulenzen diskutiert. Zudem könnten Einnahmen für die globale Armutsbekämpfung erzielt werden. In Europa wurde die Steuer zuletzt auch als Quelle von EU-Eigenmitteln diskutiert. Seit 2014 wird die FTS von elf EU-Staaten im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit vorangetrieben, darunter auch Frankreich.
Finanztransaktionssteuer: Zweifel am Europa der zwei Geschwindigkeiten
Die Zukunft der EU-27 scheint variabel. Angesichts des mangelnden Fortschritts bei der Finanztransaktionssteuer zweifeln jedoch immer mehr Menschen an der Entscheidungsfähigkeit der Mitgliedsstaaten. EurActiv Frankreich berichtet.
Macron macht nun eine 180 Grad-Wende. Offenbar will er alles vermeiden, was Frankreich als Finanzstandort unattraktiver macht. Schließlich suchen derzeit wegen dem Brexit viele große Finanzinstitute aus der City of London ein neues Zuhause auf dem Kontinent.
Schäuble gab sich trotz der französischen Absage kämpferisch. Man tue weiterhin alles, damit die Steuer zustande komme. Es handle sich jedoch um eine „verdammt schwierige Materie“. Ganz unglücklich dürfte der Bundesfinanzminister jedoch nicht sein, wenn Frankreich das Projekt von der Tagesordnung nimmt. Er gilt nicht als Anhänger der Steuer. Vielmehr beruht das deutsche Engagement auf einem Kompromiss zwischen Union und SPD aus dem Jahr 2012, als die Sozialdemokraten ihre Zustimmung zum Fiskalpakt an die Einführung der Steuer knüpften. EurActiv berichtete.
Auch Deutschland schielt derzeit Richtung City, wie unter anderem Schäubles Bestrebungen zeigen, die Europäische Bankenaufsicht nach dem Austritt Großbritanniens nach Frankfurt umzusiedeln.
Die SPD zeigt sich frustriert über Macrons Richtungswechsel: „Es rächt sich jetzt, dass die in den letzten Jahren erzielten Fortschritte in den Verhandlungen über die Finanztransaktionssteuer auch von Finanzminister Schäuble immer wieder durch neue Einwände konterkariert wurden“, sagte Cansel Kiziltepe, die zuständige Berichterstatterin der Bundestagsfraktion. Schäuble dürfe die französische Haltung nicht hinnehmen. „Wir fordern ihn auf, mit der französischen Regierung Gespräche über eine Fortsetzung der Verhandlungen zur Einführung der Finanztransaktionssteuer aufzunehmen.“
Auch aus der Zivilgesellschaft kamen viele kritische Stimmen. „Macrons Sabotage an der FTS ist Teil eines Pakets von Geschenken an die Banken, zu dem auch die Herausnahme des Intra-Day-Handels aus der derzeit geltenden französischen Transaktionssteuer gehört, sowie Steuererleichterungen für Spitzengehälter und Boni von Bankern,“ erklärte Finanzexperte Peter Wahl von der Kampagne Steuer gegen Armut.
Nach dem Brexit: Britische Dienstleister hoffen auf Wachstum im weltweiten Geschäft
Der Brexit wird heftige Auswirkungen auf britische Dienstleister haben. Überschuss im Handel mit dem Rest der Welt könnte diese Auswirkungen jedoch abfedern.
Pia Schwertner, die Koordinatorin der Oxfam-Kampagne für eine FTS bezeichnete Macron als den größten Spekulanten von allen: „Um die Finanzindustrie nach Paris zu locken, ist er bereit, die europäische Idee, die Mehrheit seiner Bevölkerung und den Grundsatz verbindlicher Bekenntnisse zu verraten. Den zunehmenden Fliehkräften in der EU kann man nicht mit nationalen Egoismen begegnen, und der zunehmenden Politikverdrossenheit kommt man nicht bei, indem man Konzern- vor Bürgerinteressen stellt.“
Zufrieden ist man hingegen bei der FDP. Laut Präsidiumsmitglied Volker Wissing entwickelt die Diskussion über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zunehmend zu einer Posse: „Während die Steuer zu Beginn der Legislaturperiode von Union und SPD noch als Allheilmittel gegen Finanzkrisen gepriesen wurde, ist die Begeisterung mittlerweile spürbar abgeebbt. Wenn der Finanzminister nun überrascht feststellt, dass es sich bei der Einführung um ´eine verdammt schwierige Materie handelt´, zeigt das auch, wie unbedarft er an die Sache herangegangen ist. Statt weiter auf eine ´verdammt schwierige´ Steuer zu setzen, sollte die Bundesregierung lieber auf ein Ende der Negativzinsphase hinarbeiten, indem sie sich auf europäischer Ebene für eine solide Finanz- und Haushaltspolitik in den Euroländern einsetzt.“
Dass die FTS ohne Frankreich kommt, ist schwer vorstellbar. Zu mächtig ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU. Zu groß wären die Wettbewerbsnachteile für die anderen. Das Projekt liegt also erstmal auf Eis. Ob und wann es wieder aufgetaut wird, ist schwer absehbar.
->Quelle: euractiv.de/finanztransaktionssteuer-auf-eis-gelegt