An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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Aus dem Bundestag: Griechische Schulden aufgeschlüsselt

Griechenland zahlte Deutschland 360 Millionen Zinsen – Entlarvende Äußerungen

logo_bundesregierungGriechenland hatte Ende 2014 Staatsschulden in Höhe von insgesamt 318 Milliarden Euro. In einer 32seitigen, ausführlichen Antwort (18/4169) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (18/3971) mit 69 Fragen schlüsselte die Bundesregierung u.a. die Schulden auf:

  1. Private Investoren  hielten 37 Milliarden Euro Anleihen inklusive kurzlaufender Schatzanweisungen („T-Bills“).
  2. Das Eurosystem und nationale Zentralbanken hielten Anleihen in Höhe von rund 27 Milliarden Euro.
  3. Die bilateralen Kredite aus dem ersten Anpassungsprogramm betrugen rund 53 Milliarden Euro.
  4. Die Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität EFSF hielt griechische Anleihen für rund 142 Milliarden Euro.
  5. Der Internationalen Währungsfonds (IWF) hielt rund 23 Milliarden Euro.
  6. 21 Milliarden Euro entfielen auf übrige Gläubiger.


Wie die Bundesregierung weiter mitteilte, muss Griechenland an den IWF in diesem Jahr 8,71 Milliarden Euro Tilgungen leisten und an das Eurosystem 6,68 Milliarden Euro. Die Zinsen seien variabel, so dass die Höhe der Zinszahlungen noch nicht beziffert werden könne, schreibt die Regierung. Über Zahlungsverpflichtungen Griechenlands gegenüber dem Privatsektor in diesem Jahr habe die Bundesregierung keine detaillierten Informationen.
Für die kommenden Jahre nur noch 20 Millionen Euro jährlich

Wie aus der Antwort weiter hervorgeht, hat Griechenland für einen Kredit der staatlichen KfW Bankengruppe von 2010 bis 2014 rund 360 Millionen Euro Zinsen bezahlt, die von der KfW an den Bund abgeführt wurden. Für die kommenden Jahre seien aber nur noch Zinszahlungen in Höhe von rund 20 Millionen Euro jährlich zu erwarten.
Besonders interessant ist die Antwort auf eine Frage nach der demokratischen Legitimierung der EU-Gremien: „Die europäischen Hilfsprogramme sind bezüglich der Gewährung von Finanzhilfe und bezüglich Programmgestaltung demokratisch legitimiert. Die in der Eurogruppe bzw. den Gremien des EFSF/ESM vertretenen nationalen Regierungen sind durch ihre jeweiligen Parlamente legitimiert und beteiligen diese gemäß den dortigen Bestimmungen (in Deutschland: Beteiligung des Deutschen Bundestages gemäß StabMechG und ESMFinG). Ein Hilfsprogramm setzt den Antrag einer Regierung voraus. Die Ziele und konkreten Maßnahmen im Rahmen der Hilfsprogramme werden zwischen den drei Institutionen Europäische Kommission, Europäische Zentralbank und IWF sowie der Regierung des betroffenen Staates im Einklang mit den Beteiligungsrechten des betroffenen Parlaments vereinbart. Die Umsetzung geschieht durch die betroffene Regierung im Einklang mit den Beteiligungsrechten des betroffenen Parlaments.“
Kein Vergleich mit Deutschlands Schuldenerlass 1953 –  nirgends
Interessant weiter die ausweichende Antwort auf die Frage: „Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands in den 50er- und 60er-Jahren und das heutige Wohlstandsniveau ohne den Schuldenerlass von 1953 nicht möglich gewesen wären?“
Bundesregierung: „Durch das Londoner Schuldenabkommen von 1953 wurde der wirtschaftliche Wiederaufbau in der Bundesrepublik Deutschland erleichtert. Wesentliche Grundlagen für das Wirtschaftswachstum in den ersten Nachkriegsjahrzehnten waren die Währungsreform 1948 und die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft. Wie die Entwicklung ohne das Schuldenabkommen verlaufen wäre, kann nicht verlässlich abgeschätzt werden. Es ist deshalb auch keine empirisch fundierte Aussage dazu möglich, wie hoch die Wirtschaftsleistung und der Wohlstand in Deutschland ohne das Londoner Schuldenabkommen heute wären.“
Lakonisch wird bereits oben im Text ein Vergleich zwischen dem Schuldenerlass für Deutschland 1953 und der Griechenlandkrise abgeschmettert: „Die aktuelle Situation Griechenlands ist nicht vergleichbar mit der Situation der Bundesrepublik Deutschland 1953.“
Über Selbstmorde keine Ahnung
Schließlich denn auch – fast zynisch anmutend – die Antwort auf Frage 58: „Inwiefern sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen der
Entwicklung der Suizidrate und der Austeritätspolitik?“ Antwort: „Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor.“

EÖR-Blog meint: Ja – liest denn niemand in der Bundesregierung Zeitungen, hört Radio oder schaut fern? Es ist höchste Zeit, den Kopf aus dem Sand und Verantwortung zu über-nehmen!

(Unter Verwendung von: hib – heute im bundestag Nr. 131/HLE)
->Quelle: http://www.bundestag.de/presse/hib/2015_03/-/364718

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...