An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

First slide

Die TTIP-Märchen (Thilo Bode)

Foodwatch-Chef klärt über TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) auf
Thilo Bode, Foodwatch - Foto © FoodwatchZusammen mit seinem Team habe er es sich „zur Aufgabe gemacht, das geplante Freihandelsabkommen zu verhindern“, schreibt Foodwatch-Geschäftsführer Bode in seinem neuen Newsletter. Denn: „Dies entspricht dem Wunsch einer wachsenden Anzahl von Menschen in Deutschland“. Unsere Regierung jedoch wolle „das Abkommen mit aller Macht durchpeitschen. Sie erzählt uns deshalb ein Märchen nach dem anderen. Ich habe diese Märchen für Sie einmal genau unter die Lupe genommen.“ Der EÖR-Blog dokumentiert Bodes Argumentation leicht gekürzt (und unter Reduzierung der Ausrufezeichen).
Märchen Nummer 1: Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze
foodwatch logoDie „positiven Auswirkungen auf deutsche Exporte und Arbeitsplätze“ oder die „erheblichen wirtschaftlichen Vorteile“ der TTIP sind noch vergleichsweise harmlose Märchen unserer Regierung. Richtig starken Tobak präsentiert hingegen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel: „Unsere Kinder werden uns verfluchen“, wenn TTIP nicht kommt.
Tatsache: Was würde uns die TTIP wirklich bringen? Selbst die von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie schätzt, dass sich das Pro Kopf-Einkommen in Europa nur einmalig um 0,5 Prozent erhöht. Das sind pro Kopf 11 Euro im Monat – aber das nur beim optimistischen Szenario und erst im Jahr 2027. Ganz zu schweigen davon, wem dieses Mini-Wachstum eigentlich zu Gute kommt.
Märchen Nummer 2: Deutschland kann TTIP verhindern
Alles nicht richtig schlimm – versichert die Regierung, denn man könne ja schließlich nein sagen: „Sollten die Verhandlungsergebnisse (unserem) Anspruch nicht gerecht werden, ist ein gemeinsames Abkommen aus unserer Sicht nicht möglich, denn am Ende entscheiden Europäisches Parlament, Europäischer Rat und die nationalen Parlamente über die Annahme“.
Tatsache: Das entspricht nicht der Wahrheit! Ob die Parlamente der Mitgliedstaaten das Abkommen überhaupt beschließen dürfen und nicht nur ausschließlich das Europäische Parlament, steht erst fest, wenn der Vertragstext fertig ist. Bei Dissens darüber entscheidet nicht die deutsche Regierung, sondern der Europäische Gerichtshof. Im schlimmsten Fall kann der Rat der Regierungschefs sogar das Abkommen gegen die Stimme Deutschlands „vorläufig anwenden“ und Deutschland kann nichts dagegen tun.
Märchen Nummer 3: TTIP stärkt die Verbraucherrechte und die Nachhaltigkeit
Damit wir uns alle auf TTIP freuen dürfen, spart die Regierung nicht mit schönen Versprechungen. Schließlich könne das Abkommen auch dazu dienen, Themen wie Nachhaltigkeit, Verbraucherschutz und Arbeitnehmerrechte zu größerer Durchsetzungskraft zu verhelfen. Schöne, neue TTIP Welt!
Tatsache: Das Gegenteil ist richtig. Derartige Versprechen der Regierung sind dreist, denn sie sind durch nichts gedeckt. Das Verhandlungsmandat, das die EU-Mitgliedstaaten der EU-Kommission erteilt haben, gibt das nicht her. Im Gegenteil, das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung ist reine Kosmetik. Es soll lediglich dokumentiert werden, inwieweit das Abkommen die „Nachhaltigkeit“ beeinflusst – ohne den Begriff der Nachhaltigkeit überhaupt zu definieren. Von einer Verpflichtung, die Verbraucherrechte zu stärken, ist nicht die Rede.
Märchen Nummer 4: Verbraucher-, Umweltschutz- und Gesundheitsstandards werden nicht gesenkt
„Verbraucherschutzstandards werden nicht gesenkt“ – ist das Mantra der Regierung, das sie in der TTIP-Debatte gebetsmühlenartig wiederholt. Diese Zusicherung soll uns alle ruhig stellen. Weil wir ja durch unsere Standards – siehe die irreführende Lebensmittelkennzeichnung – so unglaublich verwöhnt sind…!
Tatsache: Dieses Versprechen ist kein Erfolg, sondern eine Bankrotterklärung. Denn das heißt im Klartext: unzureichende Standards – sei es bei der Lebensmittelkennzeichnung, beim Verbot giftiger Chemikalien oder beim Tierschutz – bleiben bestehen. Aber erforderlich ist doch: Eine Verbesserung dieser Standards, kein Einfrieren! Aber eben dies würde die TTIP erschweren oder sogar unmöglich machen. Wenn zum Beispiel im TTIP-Vertrag vereinbart wird – und das entspricht ganz und gar dem Interesse der Konzerne – es bei der bisherigen Lebensmittelkennzeichnung zu belassen, dann könnten wir in Europa nicht mehr einseitig die Nährwert-Ampel einführen. Denn die USA müssten erst zustimmen.
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Bundesregierung das alles nicht weiß. Dann jedoch bleibt nur die Möglichkeit, dass sie uns hinters Licht führt. Mit über 300 anderen Organisationen haben wir eine europäische Unterschriftensammlung gegen die TTIP gestartet. Mit unseren Büros in Frankreich und den Niederlanden wollen wir dort die Menschen mobilisieren. Wir sind nicht gegen fairen Freihandel. Aber wir wollen TTIP nicht, sondern einen Freihandel, der uns Menschen dient und nicht umgekehrt.
->Quelle: mailings.foodwatch.de

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...