An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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Finanzsystemrisiken und die Finanzierung im Transformationsprozess

Klimapolitik und Finanzrisiken – Tagung im Frankfurter Haus am Dom
Georg Horntrich - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für FGEÖRTagungsleiter Goerg Hontrich verwies zu Beginn der Veranstaltung auf den im vergangenen Sommer erschienenen Zwischenbericht der High-Level Expert Group on Sustainable Finance (siehe blog.ethisch-oekologisches-rating.org/zwischenbericht-der-high-level-expert-group-on-sustainable-finance-hleg).  Ausgangspunkt der Tagung war der Report „Too late, too sudden: Transition to a low-carbon economy and systemic risk“ des European Systemic Risk Board (ESRB).
Report „Too late, too sudden“ - Titel Dessen Executive Summary:
Um die globale Erwärmung unter 2°C zu halten, müssen die globalen Treibhausgasemissionen in den nächsten Jahrzehnten erheblich reduziert werden. Um die Emissionen zu reduzieren, müssen die Volkswirtschaften ihre Kohlenstoffintensität verringern, was nach heutigem Stand der Technik eine entscheidende Abkehr von fossiler Energie und dem damit verbundenen Sachkapital bedeutet.
In einem gutartigen Szenario vollzieht sich der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft allmählich: Die Anpassungskosten sind überschaubar, und die Neubewertung von Emissionsrechten birgt wahrscheinlich kein systemisches Risiko. Ohne zusätzliche politische Interventionen oder technologische Durchbrüche ist es jedoch wahrscheinlich, dass der Bestand an Treibhausgasen in der Atmosphäre mittelfristig weiter ansteigen wird.
In einem ungünstigen Szenario vollzieht sich der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft spät und abrupt. Ein verspätetes Bewusstsein über die Bedeutung der Emissionskontrolle könnte zu einer abrupten Umsetzung von Mengenbeschränkungen bei der Nutzung kohlenstoffintensiver Energieträger führen. Die Kosten der Umstellung werden entsprechend höher ausfallen.
Dieses negative Szenario könnte das Systemrisiko über drei Hauptkanäle beeinflussen:

  1. die makroökonomischen Auswirkungen plötzlicher Änderungen des Energieverbrauchs,
  2. die Neubewertung kohlenstoffintensiver Anlagen und
  3. die Zunahme der Häufigkeit von Naturkatastrophen.

Erstens könnte ein plötzlicher Übergang weg von der fossilen Energiequelle dem BIP schaden, da alternative Energiequellen in der Versorgung eingeschränkt und am Rande teurer wären. Zweitens könnte es zu einer plötzlichen Neubewertung kohlenstoffintensiver Anlagen kommen, die zu einem großen Teil durch Schulden finanziert werden. Drittens könnte die Häufigkeit von Naturkatastrophen im Zusammenhang mit dem Klimawandel zunehmen und die Haftung der Schaden- und Rückversicherer erhöhen.
Um die Bedeutung dieser Kanäle zu quantifizieren, könnten die politischen Entscheidungsträger eine verstärkte Offenlegung der Kohlenstoffintensität von nichtfinanziellen Unternehmen anstreben. Die damit verbundenen Engagements von Finanzunternehmen könnten dann unter dem Stress-Szenario eines späten und plötzlichen Übergangs unter Stress getestet werden. Kurzfristig könnten gemeinsame Forschungsanstrengungen von Energieexperten und Volkswirten dazu beitragen, makroökonomische Risiken besser zu quantifizieren und Szenarien für Stresstests zu entwerfen. Mittelfristig wird die Verfügbarkeit von granularen Daten und dedizierten niederfrequenten Stresstests Aufschluss über die Auswirkungen des Stress-Szenarios auf das Finanzsystem geben.

Zwischenbericht der High-Level Expert Group on Sustainable Finance - TitelAm 13. Juli 2017 hat die High-Level Expert Group on Sustainable Finance (HLEG) ihren Zwischenbericht Financing a Sustainable European Economy vorgelegt. Die aus 20 Fachleuten bestehende Gruppe war Ende vergangenen Jahres von der EU-Kommission eingesetzt worden, um eine übergreifende und umfassende Strategie zu Sustainable Finance inklusive konkreter Empfehlungen zu erarbeiten. Bis zum 20. September konnten sich Unternehmen, Organisationen und Privatpersonen über einen Fragebogen in die Debatte einbringen. Die Beiträge – darunter auch derjenige von CRIC – fließen nun in den Diskussionsprozess der HLEG ein. Der Abschlussbericht soll im Dezember 2017 veröffentlicht werden.

Die 69 Seiten starke Publikation beinhaltet Themen wie Barrieren für einen nachhaltigen Finanzmarkt, Offenlegungspflichten, Treuhänderische Pflichten und verwandte Konzepte, Governance und Reporting, Indizes und Benchmarks sowie Rechnungslegungsstandards und untersucht verschiedene Marktakteure, etwa Banken, Asset-Manager, Pensionsfonds und Versicherungen. Ein Kapitel ist der Mobilisierung von Kapital für eine nachhaltige Wirtschaft gewidmet. Durch den Zwischenbericht zieht sich als zentrale Frage, wie auf Basis langfristiger Szenarien getroffene Investitionsentscheidungen gefördert und die herrschende Kultur der Kurzfristigkeit überwunden werden kann.

Die HLEG formuliert am Ende des Berichts acht erste Empfehlungen und weist zwölf Bereiche zur weiteren Diskussion aus. Die acht Empfehlungen lauten:

  1. Ein Klassifizierungssystem für nachhaltige Anlagen entwickeln

  2. Einen europäischen Standard bzw. ein Siegel für Green Bonds und andere nachhaltige Assets schaffen

  3. Klarstellen, dass treuhänderische Pflichten Nachhaltigkeit umfassen

  4. Anforderungen an Berichtspflichten zu Nachhaltigkeit stärken

  5. Einen Nachhaltigkeitstest für die EU-Finanzgesetzgebung einführen

  6. Eine Agentur Sustainable Infrastructure Europe gründen, um Kapital in nachhaltige Projekte zu lenken

  7. Die Rolle der europäischen Aufsichtsbehörden bei der Bewertung von ESG-bezogenen Risiken stärken

  8. Investitionen in Energieeffizienz durch verbesserte Rechnungslegungsstandards fördern.

Die zwölf Bereiche zur weiteren Diskussion umfassen:

  1. Politische Langfristsignale für den privaten Sektor

  2. Governance von Unternehmen und Finanzinstitutionen

  3. Die Integration von Nachhaltigkeit in Ratings

  4. Häufigkeit von finanziellen Reportings

  5. Rechnungslegungs-Standards bzw. -Systeme

  6. Benchmarks

  7. Banking

  8. Versicherungen

  9. Börsen und Green Finance Hubs

  10. Eine starke Pipeline von nachhaltigen Investment-Projekten

  11. Beteiligung der Gesellschaft am Thema nachhaltige Finanzen

  12. Soziale Dimensionen

Zur Tagung im Haus am Dom
logo-cop21-hpIm Vorfeld der Klimatagung 2015 in Paris erschien nicht nur die Enzyklika Laudato Si, sondern auch Risikoberichte der EZB und BIZ, welche Systemrisiken für das Finanz­system aufzeigen, wenn der Klimawandel nicht ambitioniert bekämpft wird und eine Transformation in eine klimaneutrale Wirtschaft misslingt. Die Fachtagung untersuchte die Wechselwirkungen zwischen Wissenschaft, Finanzsystem, Realwirtschaft, Klimapolitik und die Instrumente der Fi­nan­zierung der Transformation. Zielgruppe der Tagung waren Fachleute aus Wissenschaft, NGOs und dem Finanzsektor.
Die Risikoberichte des Financial Stability Board (FSB) und des European Systemic Risk Board (ESRB) haben 2015 Risiken für das Finanzsystem thematisiert, die durch dieFolgen des Klimawandel, durch Rechtsrisiken oder einer misslungenen Klimapolitik hervorgerufen werden können. Die Fachtagung möchte unterschiedliche Pfade und systemübergreifende
Handlungsoptionen für das Gelingen, aber auch Risiken für ein Scheitern der Transformation in eine klimaneutrale Wirtschaft näher beschreiben. Angesichts der Wechselwirkungen geht es um eine Sensibilisierung für die Risiken, die Notwendigkeit der Finanzierung, sowie um die wirtschaftlichen Chancen dieser Transformation und nicht zuletzt um die Identifikation guter Forschungsfragen.
Ottmar Edenhofer - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für SolarifyKlima-Ökonom Ottmar Edenhofer von PIK-Potsdam und MCC-Berlin kündigte zwei Teile in seinem Vortrag („Klima, Kohle, Kapital – Herausforderungen der gegenwärtigen Klimapolitik“) an : Im Teil werde er pessimistisch, formulieren, im zweiten dann „etwas optimistischer“.  Er zählte zunächst die international beachteten Berichte auf: die Stern-Reports, die zwei letzten des Weltklimarats (wo Edenhofer ein Panel  leitet), viele Klimakonferenzen, schließlich die päpstliche Enzyklika Laudato Sí. Trocken stellte Edenhofer fest: „Wir sind nicht auf dem richtigen Weg“.
Er brachte ein plastisches Beispiel: „Das Klimasystem muss man sich vorstellen wie eine Badewanne: Die hat keinen Abfluss, entscheidend ist nur der Wasserpegel.“ Mit der Menge an CO2, die wir heute ablagern, determinieren wir das Klima auf lange Zeit. Um 1,5 Grad zu erreichen,  bzw. nicht zu überschreiten, müssten wir jährlich die Emissionen um 6% absenken – „aber bereits 2% sind praktisch unmöglich“. Kohle habe schon 1990 scheinbar ihren Peak erreicht, erlebe aber seit 2000 „eine beispiellose Renaissance“; Öl hole auf, Gas ebenfalls – und die Zementproduktion (einer der Hauptemittierenden von CO2).
In den USA seien die Energiepreise deswegen gesunken, weil die fossilen Energieträger durch (billigeres) Gas ersetzt worden seien. „Die USA werden Kohleexporte subventionieren – Kohle einzuführen kommt Polen billiger als die eigenen Bergwerke weiter auszubeuten. Indien hat ehrgeizige Ausbaupläne für Kohleabbau….“ Allerdings seien beim Weltwirtschaftsforum in Davos seien Klimarisiken höher bewertet worden als Gefahren durch Terrrismus und andere Risiken.
Langfristige Vermeidungspfade (Edenhofer) - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für EÖR„Die Zwei-Grad-Grenze ist Ausdruck eines Vorsichtsprinzips“, so Edenhofer. Der bereits stattfindende Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur solle gebremst werden. Denn der Klimawandel schädige die Arbeitsproduktivität – nicht nur Agrarproduktivität. Die Erde zu erhitzen sei leichter, als sie zu kühlen. Das sei schon deshalb sehr viel teurer, weilman dafür sehr viel mehr CO2 aus der Atmosphäre entnehmen müsse, als vorher emittiert worden sei: „Wir werden an negativen Emissionen nicht vorbei kommen. Jetzt determinieren wir die Durchschnittstemperatur irreversibel – in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts haben wir dann nur noch zwei Optionen: Anpassen oder Geo-Engineering. Ohne CCS müssten 90 Prozent der Kohle und zwei Drittel von Öl und Gas im Boden bleiben – das entwertet den Wert der Bodenschätze.“
Edenhofer zeichnete gegen Ende seines Vortrags drei Optionen:

  1. Warten auf ein Wunder („das wäre mir als Katholik gar nicht so fremd“): Erneuerbare Energien werden so billig, dass Kohle unrentabel wird; dann läge das Schicksal des Planeten in der Hand von Ingenieuren, nicht von Klimadiplomaten – das brauche aber Zeit. Zudem seien Stromgestehungskosten jedoch die falsche Metrik; sie müssten um 30 Prozent unter den Fossilen liegen, um konkurrenzfähig zu sein. Wenn wir die Erneuerbaren Energien steigern, werden die fossilen Preise sinken oder auch konstant bleiben („das haben wir in Deutschland vorexerziert“, von daher sei es ziemlich absurd, Deutschland als Vorreiter zu bezeichnen.
  2. Ein andere Option wäre, die Besitzer von fossilen Energieträger zu kompensieren, dann hätten Länder Anreize zur Exploration, um die Summen hochzutreiben – also auch keine echte Alternative.
  3. Schließlich: CO2 braucht einen Preis, damit die Fossilen teurer werden; damit könne man Strom weltweit dekarbonisieren, so dass bis MItte des Jahrhunderts keine Kohlekraftwerke mehr ohne CCS laufen würden. Immerhin scheine gegenwärtig eine drohende (fortschreitende?) Rekarboniserung dank billiger fossiler Energien zu beobachten zu sein. Laut einem Report der High Level Commisison on Carbon Prices (der sogenannten Stiglitz-Stern-Kommision) –  werde die Tonne CO2 weltweit mit 150 US-Dollar subventioniert – bereits Null Subventionen wären ein Fortschritt. Politische Anreize seien deshalb nötig. Schon 30 $ würden reichen, um bis 2030 weltweit sauberes Trinkwasser bereitzustellen. Alle ETS-Systeme seien Niedrigpreissysteme – alle Steuersysteme  Hochpreissysteme – daraus entsehe ein Glaubwürdigkeitsproblem der Regierungen. Die Kapitalkosten für Erneuerbare Energien seien zu hoch, denn Erneuerbare seien besonders zinsempfindlich.  Daher müsse daas Länderrisiko gesenkt werden. Ansteigende Zinskosten müstsen durch einen kontinuierlich steigenden CO2-Preis kompensiert werden.

Edenhofer: „Eine gute Idee ist kein Selbstläufer“ – Edenhofer verwies auf seinen Artikel in der F.A.Z. – dort plädierte  er für einen ambitionierten CO2–Mindestpreis als Instrument für effiziente Emissionssenkung und leichtere internationale Kooperation. Emissionshandelssysteme wie etwa der europäische EU ETS (Emission Trading System) erzeugen nach ihrer Einführung typischerweise zu niedrige CO2-Preise. Das sei ein systematisches Problem, schreiben Ottmar Edenhofer, Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), und Axel Ockenfels von der Universität Köln. Ihr Gastbeitrag „Der Preis des Kohlenstoffs“ ist am heutigen Freitag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erschienen. Das Problem ließe sich durch die Einführung eines Mindestpreises für CO2 beheben, argumentieren die Ökonomen. Im Vergleich zu bestimmten Mengenzielen beim CO2-Ausstoß – wie beim EU ETS – sei ein Mindestpreis auf internationaler Ebene leichter zu koordinieren. Sein Hauptvorteil sei aber, dass das Instrument besser als eine Mengenobergrenze dazu geeignet ist, höhere CO2-Preise zu erzielen, schreiben die Autoren.  Höhere Preise für Kohlenstoff sind notwendig, um mehr Investitionen in klimafreundliche Anlagen zu leiten und die schmutzige Kohle weltweit aus dem Markt zu drängen. Bei einer Mengengrenze hingegen spekulieren die Marktteilnehmer meist darauf, dass die Politik diese Grenze bei einem drastischen Preisanstieg in der Zukunft aufweicht. Aufgrund dieser Erwartungen bleiben die Preise niedrig. „Die Glaubwürdigkeit der Klimapolitik wird sich nicht an der Ankündigung ehrgeiziger Ziele entscheiden, sondern an der Wahl der Instrumente“, schreiben Edenhofer und Ockenfels. Die Klimakonferenz in Bonn zeige, dass selbst eine gute Idee wie der CO2-Mindestpreis „kein Selbstläufer“ ist. Es sei aber ermutigend, dass sich weltweit immer mehr Länder und Regionen für eine CO2-Bepreisung entscheiden, so die Autoren.

Auf Edenhofer folgte Daniel GrosDaniel Gros - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für EÖR, Director Economy and Finance, CEPS, Brüssel, und Mitglied im ESRB Advisory Scientific Committee (ASC) über das Thema
Finanzsektor und Finanzsystemrisiken“
Er verwies zu Beginn auf den am 11.03.2016 unter dem Titel Too late, too sudden: Transition to a low-carbon economy and systemic risk veröffentlichten Bericht einer Gruppe des Advisory Scientific Committee (ASC) des European Systemic Risk Board (ESRB) unter seinem Vorsitz  und dem von Dirk Schoenmaker (Senior Fellow bei Bruegel und Professor für Banking and Finance an der Rotterdam School of Management, der Erasmus University Rotterdam) hin, mit Unterstützung von Sam Langfield und Sini Matikainen. Die Gruppe umfasste außerdem den Vorsitz und die Ko-Vorsitzenden der ASC, Philip Lane, Marco Pagano und Javier Suarez.
Abstract von „Too late, too sudden: Transition to a low-carbon economy and systemic risk“:
Um die globale Erwärmung unter 2 C zu halten, müssen die weltweiten Treibhausgasemissionen in den nächsten Jahrzehnten erheblich reduziert werden. Um die Emissionen zu verringern, müssen die Volkswirtschaften ihre Kohlenstoffintensität senken. In einem negativen Szenario erfolgt der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft spät und abrupt. Dieses Szenario würde das Systemrisiko über drei Hauptkanäle beeinflussen: i) die makroökonomischen Auswirkungen plötzlicher Änderungen des Energieverbrauchs, ii) die Neubewertung kohlenstoffintensiver Anlagen und iii) eine Zunahme der Häufigkeit von Naturkatastrophen. Die Auswirkungen auf das gesamte Systemrisiko hängen von der Höhe der Abhängigkeit der Finanzinstitute von kohlenstoffintensiven Anlagen und der spezifischen Form der Emissionsminderungspolitik ab, die beide sehr unsicher sind. Kurzfristig könnte eine verstärkte Offenlegung und weitere Forschung dazu beitragen, makroökonomische Risiken besser zu quantifizieren. Mittelfristig wird die Verfügbarkeit detaillierter Daten und spezieller niederfrequenter Stresstests Aufschluss über die Auswirkungen des Stress-Szenarios auf das Finanzsystem geben.
Gros - Ungeregelter Übergang zu kohlenstoffarmer Wirtschaft - Quelle © Bank of EnglandDer Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft erfordere eine deutliche Reduzierung der Treibhausgasemissionen.
Eine frühe und schrittweise Verschiebung könne eine „weiche Landung“ in einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ermöglichen.
Das Negativ-Szenario ist eine „harte Landung“, verbunden mit starken in kurzer Zeit umgesetzten Emissionssenkungen, noch verstärkt durch mangelnden technischen Fortschritt. Ein späterer Übergang könnte zudem größere physische Risiken infolge des Klimawandels mit sich bringen.
Letzteres brachte Gros zu der Frage, ob durch die „harte Landung“ ein systemisches Risiko zu befürchten sei. Ein Negativszenario könnte ein systemisches Risiko über zwei Kanäle erzeugen:

  1. Makroökonomischer Effekt durch Reduzierung der Energieversorgung bzw. Erhöhung der Energiekosten, da externe Effekte plötzlich eingepreist werden.
  2. Abrupte negative Neubewertung von kohlenstoffintensiven Vermögenswerten (d.h. realen und finanziellen Vermögenswerten, deren Wert von der Gewinnung und/oder Nutzung fossiler Brennstoffe und anderer kohlenstoffreicher Ressourcen abhängt).

Diese beiden Kanäle könnten mit anderen finanziellen Reibungen interagieren und negative Rückkopplungsschleifen stimulieren. Sie könnten außerdem mit einem dritten Kanal interagieren: den Auswirkungen physischer Schocks (z.B. Naturkatastrophen) im Zusammenhang mit dem Klimawandel, die wahrscheinlich mit steigender Temperatur zunähmen.
Die schnelle Substitution fossiler Energieträger durch kohlenstoffarme Energieträger werde am Ende sehr teuer.
Denn die Anpassung der Infrastruktur kann in einer Übergangszeit zu Energieengpässen und ungewöhnlich hohen Energiekosten führen. Erhöhte Energiekosten haben das Wirtschaftswachstum aber in der Regel beeinträchtigt.
Dabei betreffen Emissionsbeschränkungen sowohl energieintensive als auch solche Industrien, die stark von anderen kohlenstoffintensiven Inputs abhängig sind.
Allerdings sei klar, dass ein großer Teil der derzeitigen Kohlen(wasser)stoffreserven „unverbrennbar“ sei. Aber die Marktwerte spiegeln dieses Risiko derzeit möglicherweise (noch) nicht wider. Die HSBC schätzte allerdings bereits 2013 den Rückgang der Marktkapitalisierung für Öl- und Gasunternehmen auf 50%, einschließlich des Risikos von sogenannten Stranded Assets und reduzierter Nachfrage. Wichtig dabei sei: Die Energieproduktion werde auf Basis sehr langfristiger Vermögenswerte oft durch Fremdkapital finanziert. Das EU-Finanzsystem könnte daher ein erhebliches direktes Gefährdungspotential für Unternehmen mit fossilen Brennstoffen aufweisen – ein von einigen auf mehr als 1 Billion Euro geschätztes Risiko, mit potenziellen Verlusten von 350-400 Milliarden Euro selbst bei einer „weichen Landung“. Auch von billigen fossilen Brennstoffen abhängige Vermögenswerte seien betroffen, einschließlich kohlenstoff- und energieintensiver Sektoren wie Verkehr, Industrie, Landwirtschaft und Immobilien. Jüngste makroökonomische Modelle hätten geschätzt, dass in einem Szenario, in dem die Märkte ihre Vermögenswerte gemäß der Politik der Begrenzung der Erwärmung auf 2° C aufwerten, die wichtigsten Börsenindizes um bis zu 15-20% fallen könnten. Der anfängliche Schock könnte zudem noch erhebliche Zweitrundeneffekte auslösen, verstärkt durch Ansteckungseffekte und Reibungen im Finanzsystem. Die Auswirkungen auf das Systemrisiko hiengen von der Höhe der Exposition gegenüber kohlenstoffintensiven Anlagen und dem Grad der Fremdfinanzierung ab, die angesichts der verfügbaren Daten schwer zu quantifizieren seien.
Öl und Gas exportierende Länder ständen vor dem größten Risiko. Die EU sei vergleichsweise weniger anfällig als Schwellenländer, die einem „globalen Megatrend für Staatsrisiken“ folgend stärker physischen Risiken ausgesetzt seien, sie sei aber über Handels- und Finanzkanäle den Risiken gefährdeter Drittländer ausgesetzt. In Bezug auf die politischen Auswirkungen sagte Gros, die systemischen Risikoimplikationen hiengen von der Höhe der Exponierung einzelner Akteure und vor allem der stark mit kohlenstoffintensiven Vermögenswerten verschuldeten Finanzinstitute sowie der spezifischen Form der Emissionsminderungspolitik ab, die beide sehr unsicher seien und in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ausfallen würden. Als Reaktion auf das potenzielle systemische Risiko könnten die makroökonomischen Entscheidungsträger die Identifizierung und Offenlegung kohlenstoffintensiver Vermögenswerte fördern und diese Informationen nutzen, um spezielle Stresstests von Finanzinstituten durchzuführen.
Ob das alles eine Gefahr der Instabilität für die Finanzmärkte bedeute, vor allem dann,  wenn wir zu spät reagierten, und deshalb stärker eingreifen müsten? Gros zeigte sich optmimistisch, dass dem nicht so sei. Aber man müsse vorbereitet sein: Etwa durch Untersuchung der wirtschaftlichen/finanziellen Auswirkungen einer „harten Landung“. Dazu sollten Informationen gesammelt und Stresstest-Tools für den künftigen Einsatz vorbereitet werden. Weltweite Zusammenarbeit der agierenden Institutionen, wie etwa der Bank of England, des französischen Finanzministeriums, der People’s Bank of China und der UNEP sei nötig.
Dennoch könnte die  Notbremse zu Verwerfungen führen. Was passiere mit den Stranded Assets wie Kohlekraftwerken und Ölförderanlagen, deren Wert plötzlich gegen Null gehe? Diese Risiken könnten einander verstärken. Auf den Finanzmärkten könnten kleine Auslöser große Wirkungen haben. Das Problem seien Finanzierungen durch Schulden. Gros verwies dazu als Beispiel auf den Wohnungsbau mittels Krediten in den USA, in Spanien und Irland. Wenn Schulden nicht zurückbezahlt werden könnten droten Insolvenzen, besonders, wenn sie durch Banken finanziert wüerden. Wenn eine ganze Branche Kredite nicht mehrbedienen kann, gerate die gesamte Volkswirtschaft in Gefahr.
Daniel Gros, Uli Klueh, Ottmar Edenhofer in Diskussion - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für EÖRWas tun? Aufpassen! Wer finanziert was? Nicht nur in Europa. Größere Player beschäftigen sich bereits damit. Gros beruhigte: „Bisher sieht es gar nicht so schlecht aus“. Dennoch schritt er nicht direkt zur Entwarnung. Der große Knackpunkt bleibt einfach die Kohle. Denn sie habe das größte Potenzial für überschüssige Emissionen (excess emissions). Allerdings: Eine Gefahr für die Umwelt bedeute nicht in erster Linie auch schon eine Gefahr für die Finanzsysteme.
ISS-Ethix Header-LogoIm Abschnitt „Klimatransparenz in Branchen und Portfolios“ sprach Viola Lutz (Vice President and Head Investor Advisory, ISS-Ethix Climate Solutions) über „Klimatransparenz für und von Investoren in der Praxis“

Viola Lutz - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für EÖRSie stellte zuerst ihr Unternehmen Institutional Shareholder Services Inc. vor. (´ISS ist der weltweit führende Anbieter von Corporate Governance und Responsible Investment -Lösungen für Vermögenseigentümer und Vermögensverwalter, biete ganzheitliche Beratung und Daten in den Bereichen Klimawandel und Investitionen: „Wir helfen unseren Kunden, die Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Investitionen und ihre Investitionsauswirkungen auf das Klima zu verstehen, Klimaauswirkungen, Risiken und Chancen zu messen und durch Berichterstattung, Investitionen Entscheidungsfindungen zu erreichen.“ ISS-Ethix verfügt weltweit über 18 Nierderlassungen, überblickt 117 Märkte für mehr als 1700 institutionelle Kunden, die in mehr als 40.000 Konferenzen bedient werden.
ISS-Ethix hat eine Untersuchung bezüglich hypothetischer Verluste von Banken durchgeführt, wenn alle fossilen Energieträger auf Null gingen. Die Exposition gegenüber emissionsintensiven Sektoren sei bei allen Finanzakteuren beträchtlich, und erhebliche Risikosteigerungen seien durch die wechselseitige Abhängigkeit der Finanzakteure möglich.
[note Systemisches Risiko – der Fall für die Offenlegung: Die Exposition gegenüber emissionsintensiven Sektoren ist bei allen Finanzakteuren beträchtlich. Eigenkapitalverluste in der ersten und zweiten Runde für die 20 am stärksten betroffenen börsennotierten Banken in der EU (angesichts eines hypothetischen Abwertung-Schocks von 100 % der an Beteiligungen an fossilen Brennstoffen und Verrsorgungsunternehmen):   – Grafik © ISS-Ethix]
Eine Neustrukturierung der nachhaltigen Finanzierung ist laut Viola Lutz notwendig – wie auch der HLEG-Schlussbericht unterstreiche:
Erstens eine Anpassung des Zeithorizonts für Risikoanalysen und Investitionsentscheidungen an den Zeithorizont der Begünstigten, wodurch langfristige, nicht-zyklische und nichtlineare Risiken erfasst werden – und, zweitens, die Einbeziehung der nichtfinanziellen Ziele der Begünstigten in die Investitionsentscheidungen. Investorenvorschläge zur Klimawandel-Berichterstattung - Grafik ©ISS-EthixDenn Investoren würden anspruchsvoller – sie suchten Transparenz, natürlich mit mit Aufwärtstrend – gleichzeitigt entwickelten sich die Methodologien ständig weite . Viola Lutz verwies auf die ISS-Webseite  – dort heiße es: „Institutionelle Investoren achten jetzt verstärkt auf die mit ihren Investitionen verbundenen Klimarisiken“.
Aber: Unternehmen berichteten unterschiedlich und das Niveau der Offenlegung von Treibhausgasemissionen besonders größerer Unternehmen  bleibe unvollständig.: Nur zwei Prozent hätten wissenschaftsbasierte Ziele, 48 % veröffentlichten gar nichts. Nur zwei Prozent  berichten - Grafik © ISS-Etix
Lutz stelltein drei Schritten den Umgang von Unternehmen mit der 2-Grad-Grenze dar:

  1. Was die Unternehmen täten
  2. was sie sagten, welche Ziele sie sich in Bezug auf die 2-Grad-Grenze setzten
  3. und was sie zur Emissionsminderung beitrügen

Daraus definierte Lutz folgende Herausforderungen:

  • Eigenständige Auswahl mit Branchenverzerrung
  • Begrenztes Gebiet
  • Potenzial für Greenwashing
  • Unklare „wissenschaftliche“ Unterstützung
  • Kostspielige Ausführung
  • Benchmarking herausfordernd
  • Diversifiziertes Produktportfolio herausfordernd

ISS-Ethix Climate Solutions macht – so Lutz in ihrer Präsentation – Vorschläge zur Investitions-Transparenz, zum Beispiel Offenlegungsempfehlungen der TCFD (Task force  klimabezogene Finanzberichterstattung) in vier allgemeinen Kategorien:

  1. Messgrößen und Ziele, die für die Bewertung und zum Managen relevanter klimabedingter Risiken und Chancen verwendet werden
  2. Prozesse, mit denen die Organisation klimarelevante Risiken identifiziert, bewertet und steuert.
  3. Die tatsächlichen und potenziellen Auswirkungen von klimabedingten Risiken und Chancen auf die Geschäfte der Organisation, ihre Strategie und Finanzplanung
  4. Governance der Organisation in Bezug auf klimabedingte Risiken und Chancen

…oder Paragraph 173 des französischen Energiewendegesetzes,  der als umfassendes Rahmenwerk mit ESG-Ratingsund klimabezogene Metriken institutionelle Anleger betrifft. Er stellte einen flexiblen Gesamtrahmen dar, der Raum für Kreativität lässt.
Verschiedene Reporting-Optionen (comply or explain*) decken Folgendes ab

  • Management klimabezogener Risiken
  • Beitrag zur Finanzierung der grünen Wirtschaft
  • Vorausschauende KPIs

*) Der Grundsatz „Comply or Explain“ gesteht den Unternehmen Flexibilität zu, indem er ihnen die Möglichkeit lässt, die eigene Unternehmensführung an die jeweilige Größe, Beteiligungsstruktur oder sektorale Spezifik anzupassen.

Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer Germanwatch, sprach dann zum Thema „Von der Kür zur Pflicht: Climate Disclosure“
Christoph Bals, Germanwatch - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für EÖRCarbon Disclosure müsse generell Pflicht werden – mit gleichen  Standards, vergleichbarer Qualität und Vergleichbarkeit der Infos. Denn: Die TCFD-Empfehlungen würden inzwischen von mehr als 240 Unternehmen und Investoren unterstützt (darunter die deutschen EnBW, Allianz, Deutsche Börse, Deutsche Asset Management und Daimler), dazu von 16 Großbanken im UNEP-FI-Pilotprojekt, aber keine deutsche (United Nations Environment Programme – Finance Initiative).Deutsche Akteure in Politik und Finanzamrkt befänden sich „noch in der Aufwach- und Aufwärmphase, nur wenige ständen in den Startlöchern. Ebenso wie viele der relevanten Akteure weltweit, von denen die meisten die Bedeutung der Offenlegung für ihr Chancen- und Risikomanagement noch nicht erkannt hätten. Bals veriwies in diesem Zusammenhang auf die South Pole-Untersuchung „Disclosing Climate-Related Financial Risks and Opportunities: Are Businesses Ready for TCFD?“*) – noch seien drei Viertel unsicher, ob sie ihre klimarelevanten Investments überhaupt offenlegen sollen.
[note *) South Pole-Umfrage - Titel © South PoleDie Resultate:

  • Fast zwei Drittel der antwortenden Unternehmen erkennen den First-Mover-Vorteil einer frühen TCFD-Implementierung an, aber weniger als jeder Zehnte hat sich für eine Offenlegungsstrategie entschieden. Die weiteren Vorteile der TCFD-Offenlegung, vor allem die Zufriedenheit der Anleger, die Reputation und ein besseres Management von Risiken und Chancen, werden ebenfalls allgemein anerkannt.
  • Für fast die Hälfte der Befragten liegt die Verantwortung für die Offenlegung der TCFD nach wie vor in der CSR-Abteilung und nicht im Vorstand.
  • Mehr als drei Viertel der Befragten sind derzeit unsicher, wann sie die Offenlegung an die TCFD-Richtlinien anpassen werden.
  • Vier von zehn Befragten glauben, dass TCFD es Unternehmen ermöglichen wird, die mit dem Klimawandel verbundenen physischen Risiken und Übergangsrisiken besser zu verstehen, aber nur ein Viertel der Unternehmen hat Szenarien erstellt, um zu erforschen, wie sich diese Risiken auf sie auswirken werden.

South Pole entwickelt und vertreibt nach eigenen Angaben Klimaschutzzertifikate und Zertifikate für Erneuerbare Energien, um Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung weltweit zu fördern – man verfüge über das größte internationale Portfolio an Offsets und Zertifikaten aller Anbieter am Markt. Dieses Portfolio und die Präsenz in 15 Ländern auf sechs Kontinenten ermögliche es, „maßgeschneiderte Lösungen und einzigartige Projekte anzubieten“. Die seit mehr als 11 Jahren angebotenen Kompensationen und Zertifikate durch über 500 realisierte Projekte in mehr als 35 Ländern spielten eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung von Projekten, die sich mit dem Klimawandel, dem Schutz der Süßwasserressourcen, der Erhaltung der biologischen Vielfalt und der Armutsbekämpfung befassen.]
Bals hob besonders die Zentrale Empfehlung 3 des HLEG-Final Reports hervor: Ziel sei es demnach, bis 2020 ein umfassendes und nützliches EU-Regime für Climate Disclosure zu installieren, dsas die TCFD-Empfehlungen umsetze. Der EU-Kommission wird empfohlen, sie solle „zunächst freiwilliges ‚Experimentieren‘ fördern“, mit „Best Practice, Einführen von ‚Disclosure Learning and Leaderschip Platforms'“, dann „verpflichtende Umsetzung ggf. über eine Rewies der CSR-Ric htlinie“ einführen und schließlich die „Offenlegung in internationalen Foren, u.a. G20 voranbringen“.
Vom für den 07.03.2018 angekündigten „EU Sustainable Finance Action Plan“ erwartete sich Bals wenig in puncto Offenlegungspflichten (und er behielt Recht): Laut Webseite der EU-Kommission enthielt „der von der Europäischen Kommission im März 2018 angenommene Aktionsplan zur nachhaltigen Finanzwirtschaft drei Hauptziele:

  1. Neuausrichtung der Kapitalströme auf nachhaltige Investitionen, um ein nachhaltiges und integratives Wachstum zu erreichen.
  2. Umgang mit finanziellen Risiken, die sich aus dem Klimawandel, der Umweltzerstörung und sozialen Problemen ergeben.
  3. Förderung von Transparenz und Langfristigkeit im Finanz- und Wirtschaftsleben“

Folglich mahnte Bals als „nächste Schritte“ eine Überprüfung der CSR-Richtlinie an:
Bals 'Nächste Schritte' - Foto © Bals, Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für EÖR
 
[note Exkurs: Bundesregierung muss Fahrplan zur systematischen Integration von Nachhaltigkeitsaspekten im Finanzmarkt vorlegen
Germanwatch begrüßt den Aktionsplan der EU-Kommission für ein nachhaltiges Finanzwesen als wichtigen ersten Schritt, sieht diesen aber zu stark auf die grüne Nische fokussiert. Der Aktionsplan wurde am 22.03.2018 im Rahmen einer Konferenz zum Thema „Financing sustainable growth“ in Brüssel vorgestellt. Nach Ansicht von Germanwatch ist ein solcher Plan mit Blick auf die enormen gesellschaftlichen und umweltbezogenen Herausforderungen längst überfällig.
Die Ausführungen zu unternehmerischen Pflichten seien beispielsweise ein guter Ansatzpunkt, um Nachhaltigkeit sowohl bei Investoren als auch in der Unternehmensführung zu verankern (Aktionspunkt 10). Im Sinne des Aktionsplans müssen bei allen Maßnahmen konsequent Klima, Umwelt und Menschenrechte zusammen thematisiert werden. Germanwatch kritisiert jedoch, dass die Maßnahmen des Aktionsplans den aktuellen Herausforderungen insgesamt noch nicht gerecht werden.
“Die drei Ziele des Aktionsplans sind: Kapitalflüsse in nachhaltige Investments umleiten, Nachhaltigkeitsrisiken managen sowie Transparenz und Langfristigkeit stärken. Ein solcher Ansatz kann nur wirkungsvoll sein, wenn er sich gerade auch auf die problematischen Investitionsklassen bezieht. Der Ansatz der EU-Kommission aber legt den Fokus auf die grüne Nische. Die zentralen Ziele können so nicht erreicht werden“, sagte Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. Würden Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken nicht angemessen im Finanzmarkt beachtet, untergrabe das die Werte Europas, riskiere eine Destabilisierung des Finanzsystems und gefährde den langfristigen Wohlstand Deutschlands und der EU.
NGO-Vorschläge zum Aktionsplan der EU-Kommission für ein nachhaltiges Finanzwesen – Titel © Germanwatch et al.]
Im Anschluss an Bals befasste sich Reinhold Windorfer, Senior Analyst der oekom research Logooekom research AG mit der Auto-Industrie – sein Thema:
Beispiel Automobilindustrie: Wie bewältigt die Industrie die Transformation?
Windorferpräsentierte zunächst die oekom research, ihren absoluten Best in Class-Ansatz („Je größer die absoluten negativen Auswirkungen der Branche im Umwelt-und Sozialbereich sind, desto höher sind die Anforderungen an das Nachhaltigkeitsmanagement und desto höher ist daher die Prime-Schwelle.“), dazu gehörten die Ausschlusskriterien von Alkohol und Atomenergie bis hin zu Gewaltverherrlichung und Menschenrechtsverletzungen. Die Methodik der oekom research umfasse ca. 100 Kriterien – wie Umwelt, Soziales, Governance und die „gesamte Wertschöpfung von der Produktion inklusive Lieferkette sowie Auswirkungen der Produkte“. die oekom wende einen branchenspezifischer Ansatz bezüglich der Auswahl der Indikatoren und deren Gewichtung an.
Die Schlüsselthemen in der Automobilindustrie, der Windorfer zunächst einen „noch nie dagewesenen Glaubwürdigkeitsverlust“ bescheinigte, seien:

  • Flottenverbrauch
  • Alternative Antriebe
  • Lieferkette
  • Lebenszyklusanalysen

Allerdings sei die Automobilbranche eine „wirtschaftliche Schlüsselbranche, eng verzahnt und Taktgeber für globale Zulieferindustrie“. Sie stehe zur Zeit „im Fokus der Abgas-und CO2-Debatte“. Dazu stehe sie – „geprägt vom Abgasskandal der letzten Jahre“ – seit Jahren vor einem „disruptiven Wandel wie kaum eine Industrie zuvor“.
Die Aurobauer litten gegenwärtig unter einer Doppelbelastung durch die „notwendige weitere Optimierung des Verbrennungsmotors und zeitgleiche Entwicklung alternativer Antriebe wie dem Elektroantrieb“.  Dazu stehe ein Wandel vom Automobilproduzenten zum Mobilitätsdienstleister bevor –  Stichworte: Megacities, Car2Go, Drive Now, „nutzen statt besitzen“. Schließlich werde ihre Kernkomptenz Motorentwicklung durch den Umstieg auf Elektromotoren obsolet; denn dadurch können neue Player auf den Markt drängen (wie Tesla et al., China). Letztlich spiele also die Motorenentwicklung  keine Rolle mehr: Der Elektromotor ist fertig entwickelt. Die alternativen Antriebe seien allerdings bereits seit Jahren in Wartestellung – offen sei, wer dafür verantwortlich zeichne: Zu wenig (politischer) Druck und/oder zu gute Verkaufszahlen für die Verbrennungsmotoren?

Zum Abgasskandal wies Windorfer auf die Diskrepanz zwischen Labor und wirklichen Emissionen hin, die sei bekannt gewesen; allerdings seien „Ausmaß und kriminelle Energie unerwartet“ gekommen. Die finanziellen Auswirkungen des Skandals zeigten „die Bedeutung von Nachhaltigkeitskriterien in der Unternehmensbewertung“ – dabei spiele der vom „Gesetzgeber tolerierte Graubereich mit eine Rolle“. Es sei eben schwierig gewesen zu unterscheiden zwischen „Was war illegal und was doch halblegal?“
Windorfers Ergebnisse: „Von 34 Unternehmen der Branche erreichen 5 den Status ‚Prime‘ (Stand 2017); d.h. diese Unternehmen erfüllen den Mindeststandard für nachhaltiges Investment“. Dabei seien „sehr viele Abwertungen in den Ratings durch die Abgasaffäre in den Bereichen Governance, Kundenverantwortung und Umwelt“ vorzunehmen gewesen. Top-Unternehmen seien zwar

  • Peugeot (Kleinwagen + historisch stark im Sozialrating)
  • Tesla (100% Elektroautos) und
  • BMW (Initiativen und Aktivitäten in allen Bereichen; Prozentual hohe Reduktion der Fahrzeugemissionen)

Aber: Kein Unternehmen sei „guter oder sehr guter Performance auch nur annähernd nahe“ gekommen: Die besten Unternehmen hätten C+ auf einer Skala von D-bis A+ erreicht. Eine Bewertung des Produktportfolios in Bezug auf die SustainableDevelopment Goals der UN ergebe: Die Verkaufszahlen mit alternativen Antrieben bewegten sich nach wie vor im niedrigen einstelligen Prozentbereich (Ausnahme sei z.B. der chinesische Hersteller BYD). Die meisten Unternehmen berichteten umfangreich in Sachen Carbon Disclosure in Bezug auf: CDP, Klimaziele und Klimarisiken – im „Carbon RiskRating“ seien keine großen Abweichungen zum Durchschnitt aller Branchen erkennbar; bezüglich der Emissionsangaben der Fahrzeuge bestehe „jedoch ein großes Glaubwürdigkeitsproblem“; man müsse Hoffnung in neue Testverfahren setzen. Die Frage sei „nicht die Existenz von CO2-Daten, sondern deren Qualität“.
Windorfers Fazit: Obwohl die Branche „eine zentrale Rolle bei der Reduktion der CO2-Emissionen“ spiele, scheine sie „noch in Warteposition bezüglich alternativer Antriebe“. Doch die Transformation der Branche scheine nun Fahrt aufzunehmen, u.a. durch die Treiber

  • SustainableDevelopment Goals
  • Bekenntnis der chinesischen Regierung zu Elektromobilität
  • Abgasskandal

Die Nachhaltigkeit betreffe dabei die gesamte Wertschöpfungskette; insofern hätten „neue Player oft Nachholbedarf“.
Eine letzte Anmerkung Windorfers galt der Elektromobilität: Die müsse ihr Reichweitenproblem lösen, die Ladeinfrastruktur ausbauen und lokale Emissionen zu vermeiden suchen, sie allerdings global abhängig vom jeweiligen Strommix. Neue Herausforderungen stelle die Wertschöpfungskette: Der Energiebedarf, die Arbeitsbedingungen in Minen sltener Elemente. Insgesamt sei die Elektromobilität „die Zukunft, bedarf aber einer kritischen Begleitung“. Schließlich hänge aber eine „erfolgreiche Transformation bezüglich CO2-Reduktion auch von Faktoren ausserhalb der Branche“ ab.
Die Keynote vor dem Abendessen kam von Silvie Kreibiehl, Head of UNE Collaborating Centre for Climate and Sustainable Energy Finance, Frankfurt – ihr Thema: „Mut zu Veränderungen  – Leben und Wirtschaften in der Zukunft, die wir wollen“
Silvie Kreibiehl arbeitete sich entlang des Titels vor:

  • Was ist die Zukunft, die wir wollen? Und wer ist wir?
  • Was bedeutet Mut und Mut zu Veränderungen? Und wer braucht diesen Mut?
  • Und was bedeutet das für die Diskussion der Tagung?

Die Antwort darauf, was die Zukunft sei, die wir wollen, klang zunächst einfach: „Wir reden viel von Klima und CO2, wir wollen also keine Kohle und stattdessen Erneuerbare. Es wird schon komplexer, wenn wir über den Energiesektor hinausgehen“. Um das Thema etwas breiter aufzuziehen, kam sie noch einmal auf Edenhofer zurück: Klima sei zwar ein wichtiger Teil, aber stark vernetzt mit Wachstumsüberlegungen, involviert seien Verteilungsproblematiken und Gerechntigkeitsfragen.
An den Titel des Abschlussdokumentes der Rio+20-Konferenz erinnernd betonte sie: „wollen“ nicht „müssen“! (Im Klmakontext werde oft über „Notwendigkeit von Veränderungen“ gesprochen – das aber wecke nicht unbedingt Lust darauf.) Die Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung vom 1. bis 22. Juni 2012 in Rio de Janeiro mit 190 Staaten – in Anspielung auf die 1992 durchgeführte Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung auch Rio+20 genannt – habe drei große Ziele gehabt: „Das politische Engagement für nachhaltige Entwicklung zu erneuern, Problem- und Fortschritts-Erkennung bei der Umsetzung bereits beschlossener Ziele und Diskussion über neue Herausforderungen“. Thematisch hätten zwei Schwerpunkte gegolten – „die Green Economy im Kontext nachhaltiger Entwicklung und Armutsbekämpfung,  und die institutionellen Rahmenbedingungen nachhaltiger Entwicklung“.
Im Verlauf der Konferenz hätten die UN-Mitgliedsstaaten die Entwicklung von SDGs beschlossen, und obwohl noch keine konkreten Ziele ausformuliert oder beschlossen worden seien, habe man sich bereits auf Grundsätze einigen können, aus denen die thematischen Prioritäten der Nachhaltigkeitsziele hervorgegangen seien. Kreibiehl betonte, dass – im Gegensatz zu den Millenniums-Entwicklungszielen, bei denen die soziale Entwicklungsdimension sehr stark im Vordergrund gestanden seien – die SDGs das Thema Nachhaltigkeit wesentlich stärker betonen sollten. Damit seien „neben sozialen auch ökonomische sowie insbesondere ökologische Aspekte mit in die Entwicklungsagenda aufgenommen“ worden.
 Was war der Weg zu Rio +20?  Zunächst die UNCED (Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung) vom 03. bis 14. Juni 1992 in Rio de Janeiro – deren Vorläufer und Meilenstein für die Integration von Umwelt- und Entwicklungsbestrebungen war 1972 die  Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen in Stockholm, sie war die erste größere internationale Konferenz, die Umweltfragen in einem globalen Rahmen diskutiert und neue Maßstäbe für die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen an internationalen Prozessen gesetzt habe. 2400 Vertreter von nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) hätten an der Konferenz teilfenommen, weitere 17.000 beteiligten sich am parallel stattfindenden NGO-Forum.
 logo-cop21-hpSDGs als Operationalisierung auf globaler Ebene – 2015 sei dann ein gutes Jahr gewesen, nicht nur wegen Paris Agreement (12.12.2015) sondern weil im gleichen Jahr (25.9.) bereits die SDGs von 193 Staaten verabschiedet worden seien. Die SDGs seien also politische Ziele der UN – mit offiziellem Titel Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung mit ihren 17 Zielen und 169 Unterzielen.  „Sie steht für ein neues globales Wohlstandsverständnis, das über die verengte Betrachtung von Pro-Kopf-Einkommen hinausreicht. Es geht um eine Umgestaltung von Volkswirtschaften hin zu nachhaltiger Entwicklung, beispielsweise durch verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster und saubere und erschwingliche Energie. Es wird deutlich, dass Klimapolitik, nachhaltige Entwicklung und Armutsbekämpfung untrennbar miteinander verwoben sind.“ In Deutschland werde die Nachhaltigkeitsstrategie den Rahmen für die nationale Umsetzung bilden. Die Strategie werde alle vier Jahre überarbeitet und angepasst.
Wer ist „wir“?  Die Atomkatastrophe von Fukushima hatte zu einem breiten Konsens in Deutschland geführt. Allerdings: Wahrscheinlich erreichen alle deutschen NGO zusammen nicht mehr als 5 Mio. Bürger. Seien wir damit berechtigt zu behaupten, dass die Zivilgesellschaft am Prozess beteiligt (gewesen) sei? Wahrscheinlich erreichen wir derzeit mit den SDGs noch zu wenige und daher tue sich wohl auch Politik noch schwer mit manch regulatorischem Eingriff. Beantwortung dieser Frage ist laut Kreibiehl wichtig im Kontext der HLEG-Empfehlungen, da wir über den Finanzsektor viele Menschen erreichen, denn der HLEG-Prozess habe zumindest teilweise schon die Gruppe derer auszuweiten geholfen, die sich mit den Themen beschäftigen – und „weil einige Empfehlungen genau in die Richtung gehen, Transparenz zu schaffen und Transparenz kann ja zum Nachdenken anregen“.
Kurzer Exkurs:  Lateinamerika und das Konzept des Buen Vivir – Recht auf gutes Leben und Rechte der Natur

Der Begriff Buen Vivir sei als Ausdruck einer umfassenden Weltanschauung vergleichsweise jung, dahinter stünden allerdings alteTraditionen andiner Völker: Im Zuge des 500. Jahrestages der Entdeckung (Latein-)Amerikas hätten sich viele indigene Bürger zu Protestbewegungen zusammengeschlossen, hätten gesellschaftliche Anerkennung und politische Partizipation gefordert. Neben dem Erstarken der indigenen Bewegung und ihrer Kritik am Neoliberalismus in den späten 90er Jahren in Lateinamerika ebneten zwei weitere Gründe dem Buen Vivir den Weg: die inhaltliche Ähnlichkeit der Ideen mit anderen globalen Bewegungen wie der Anti-Globalisierungs- und der Umweltbewegung und nicht zuletzt die wachsende Ernüchterung, dass die in das Konzept Entwicklung gesetzten Hoffnungen sich nicht erfüllt hätten. In Ecuador habe sich diese Ernüchterung in Anbetracht starker Inflation, hoher Arbeitslosigkeit, massiver Verschuldung, enormer Einkommensungleichheiten und Korruption Ende der 90er Jahre gezeigt. Das Buen Vivir sei daher wesentlich mit Kritik am Entwicklungsparadigma verbunden. Im Andenstaat Bolivien sei das Vivir Bien zum ersten Mal auf der Regierungsveranstaltung „Dialogo Nacional 2000“ im Jahr 1999 auf nationaler Ebene aufgetaucht. Buen Vivir stellte einen mehrfachen Bruch mit herkömmlichen Konzepten dar:

  • Berufung auf indigene Kosmosvisionen und Traditionen
  • Bruch mit traditionellen Entwicklungskonzepten
  • Beziehung zur Natur im Mittelpunkt.

Mit der Aufnahme des Buen Vivir in die Verfassungen Boliviens und Ecuadors habe das Konzept einen zentralen Platz in der politischen Ausrichtung erhalten und zahlreiche weitreichende Konsequenzen nach sich gezogen:  In einem verfassungsgebenden Prozess mit breiter Bürgerbeteiligung sei Wandel als Notwendigkeit erkannt worden, der Fokus habe auf Veränderung des Wirtschaftssystems aber auch explizit auf dem Wandel gesellschaftlicher Grundsätze gelegen  – mit der Vertiefung des Bewusstseins über die die auch mit dem Konsumstil der Menschen verbundenen aktuellen globalen Zusammenhänge, und über die Alternativen – alles unter konsensueller Bewertung und objektiver Einschätzung der Folgen aus globalen Zusammenhängen und Konsummustern. Das sei nicht immer einfach: „Im politischen Alltag hat Ecuador das Allheilmittel noch nicht gefunden, um den Zwiespalt zwischen Naturschutz und wirtschaftlicher Nutzung zu losen. Die nationalen Einkunfte sind stark abhangig von Rohstoffen, und aktuell gibt es hitzige Diskussionen uber die Ausweitung des Bergbaus. Die Debatte wird aber offen geführt und die Komplexität den Bürgern zugemutet.“
Nach dem Exkurs zitierte Kreibiehl ein altes lateinisches Sprichwort, von dem nicht viele wissen, dass es aus dem ersten Buch der Episteln (Briefe) des Horaz stammt: Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen (basierend auf Sapere aude – Wage es, weise zu sein! – bekannt durch Kants Aufsatz über die Aufklärung). Das – so Kreibiehl – „sollte sicher auch Beispiel für Deutschland sein“. Mut bedeute nicht Leichtsinn, heiße eher, anderen die Angst nehmen, Ideen geben; Mut sei nicht grundlos. Eigentlich bedeute er nichts anderes als vernünftiges Handeln – das „Wollen“ statt „Müssen“ – oder: Lust machen auf Veränderung, denn Veränderungen bereiten oft auch Angst und Spannungen. Als Beispiel führte Kreibiehl die Geschichte  der Öffnung Japana an. Das einst hermetisch abgeschlossene Land habe auf westliche Technologie gesetzt, auf Werte, habe aber auch Bürokratie geerntet, insgesamt enormer Sprung der wirtschaftlichen Entwicklung innerhalb weniger Jahrzehnte. Doch Japan habe habe viel mehr von nationalen Werten erhalten als erwartet, habe seine Eigenständigkeit vielfach bewahrt.
Daraus abgeleitet bräuchten wir

  • „Mutige Politiker, die Ideen geben wollen, die SDGs in die Breite tragen und Pfadentscheidungen treffen
  • Mutige Experten, die sich der Breite stellen und ihre Blase verlassen
  • bleibe die Frage, ob wir mutige Unternehmen brauchten bzw. auf diese zählen sollten.“

Mutige Politik bedeute „nicht nur überzeugen, sondern auch zuhören, Mut zu mehr Partizipation, „Streit suchen“ mit den Bürgern, Ideen geben und Visionen entwickeln“ Und Kreibiehl zitierte Kant: „Wenn wir die Ziele wollen, wollen wir auch die Mittel“.
„Mutige Unternehmen“ fordere eine Unternehmensethik – noch sei die Rolle der Unternehmen sehr unterschiedliche definiert. Der ordoliberale Ansatz von Karl Homann, der die moralischen Zielvorstellungen einer Gesellschaft in die Funktionsbedingungen  der Ökonomie übersetzen wolle, ergebe keine social license to operate. Anders Ulrich Thielemann mit seiner Integrativen Wirtschaftsethik: Er verstehe Großunternehmen als quasi-öffentliche Institutionen, die eine politische Funktion  in gesellschaftlich-sozialen Prozesses erfüllen und Ökonomie und Ethik integrieren. Wichtig, dabei sei, dass Unternehmen keine homogenen Gebilde seien, „sondern dass wir immer auch mit den Menschen sprechen“. Kreibiehl nannte als Beispiele dafür Investitionen in Erneuerbare Energien (2009) in Afrika, die HLEG (als gutes Beispiel, dass Unternehmen sich einbringen  und so langsam aber sicher die Gruppe derer, die das Thema als relevant angesehen werden und das Thema vorankommt). Oft sei die Anonymität der Kapitalmärkte nur  vorgeschoben, so sei die“ Stimmrechtsausübung in Deutschland vergleichsweise unterentwickelt, obwohl die Rahmenbedingungen eigentlich gegeben sind. Das mag vor allem am derzeit noch freiwilligen Charakter dieser Einflussnahmemöglichkeit liegen.“ Kreibiehl verlangte „Mut von den CEOs, mit den Eigentümern zu sprechen“. Denn: „Vielleicht brauchen wir auch in der Wirtschaft den Mut, über nicht monetäre Faktoren zu sprechen.  Dann würden wir auch nicht zulassen, dass Unternehmen argumentieren, zum offensichtlich falschen aktuellen Marktpreis vollständig ihre Emissionen zu kompensieren.“ Kreisbiehl zitierte Einstein: „Nicht alles, was zahlt, kann gezahlt werden, und nicht alles, was gezahlt werden kann, zahlt.“ Und wieder Kant: „Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann etwas anderes als Äquivalent gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist, hat seine Würde.“ Wir müssten uns „einlassen auf den Graubereich der Ökonomie, den wir nicht in Zahlen abbilden können. Und nicht jede Zahl/ jeden Preis ohne Hinterfragen als den richtigen akzeptieren.“ Darüber hinaus seien viele Probleme, vor allem im Klimakontext, etwa durch einen fairen CO2-Preis lösbar, es gebe aber immer noch Aspekte, unter denen diese Logik noch nicht funktioniere.
„Mutige Bürger“ fordern mehr Einbindung der breiten Gesellschaft, das bdeute aber auch „höhere Anforderungen an den Einzelnen in einer komplexen Welt und sehr komplexen Wirkungsketten zum Erreichen der SDGs“. Der Finanzsektor könne dabei ein guter Initiator sein.
Zum Schluss verlangte Kreibiehl, ein Umfeld zu schaffen, in dem die Transformation in allen Ecken der Gesellschaft stattfinden könne und mitgetragen werde. Sie hält es für „wichtig, all unsere Debatten zu konkreten Interventionen im Finanzsystem vor diesem Hintergrund zu führen“. Dabei müssten wir den „Mut der Politik einfordern bei real economy-Regulierungen“ und „gleichzeitig die Debatte nicht ausschliesslich vor dem Hintergrund von Zahlen führen; dann werden wir auch robuster gegen Analysen wie die von Daniel Gros. Kreibiehl schloss mit einem Zitat des Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck, es gehe um die „Kapitalisierung des Humanen versus Humanisierung des Kapitals“
Am 6. Februar 2018 ging es dann im dritten Teil um Rahmenbedingungen für die Transformation in eine klimaneutrale Wirtschaft
Gerhard Schick,. MdB - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für EÖRDer grüne Bundestagsabgeordnete und Finanzfachmann Gerhard Schick sprach über das Thema „Ein verlässlicher Politikrahmen für Investitionen in den Klimaschutz  – Kann die Politik einen über Wahlperioden hinausreichenden ambitionierten Rahmen schaffen? Schick zeigte sich skeptisch in Bezug auf die Themafrage, er ist eher überzeugt, dass die Politik vielfach den Kontakt zu den Bürgern verloren habe – ein Beispiel: „Wir werden in Deutschland – vor allem ‚die beiden noch großen Parteien‘ – keinen vernünftigen Kohleausstieg hinkriegen, solange wir den Menschen in der Lausitz keine andere Perspektive bieten können.“ Schick beobachten ein Auseinanderdriften der Gesellschaft mit der Folge, dass das Klimaproblem in den Hintergrund rücke. Am Ende ständen zwei Gesellschaftsschichten, die nichts mehr miteinander zu tun hätten – siehe Frankreich und die USA. Zu den Gegensätzen Stadt-Land, analog-digital komme in Deutschland: Ost gegen West.
Deshalb müsse Politik immer die Auswirkungen auf das Leben der Einzelnen, vor allem im Sozialen, abwägen. Aber die
Politik sei mit anderen Dingen beschäftigt. Die Möglichkeiten des Finanzsektors werden laut Schick überschätzt. Denn der Abstand zwischen riskanten und nicht riskanten Anlagen sei zu klein. Daher sei eine „gute Rolle des Finanzmarktes in der Transformation nur erreichbarr, wenn die Regulierungsfragen gelöst werden. Die Finanzakteure sind indirekter betroffen, daher ist von dort etwas weniger Gegenwehr zu erwarten.“ Allerdings sei „Deutschland im internationalen Rahmen relativ weit hinterher“.
Diskussion mit MdB Schick - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für EÖRIn der darauffolgenden Diskussion unter der Frage: „Wer treibt die Transformation – Wissenschaft, Politik, Technologie, Wirtschaft, Finanzbranche oder die Bürger? Wer geht voran? Welche Blockaden und Widerstände gibt es? Wie können sie aufgelöst werden?“ sagte Schick: „Im Bereich der Klimaexperten wird zu wenig die Frge gestellt, wie kommt es denn, da wir doch alles bekannt gemacht haben, fast alle Bescheid wussten, dass plötzlich die Klimaleugner wieder dermaßen an Boden gewonnen haben? Daran ist wohl das Auseinanderdriften der Gesellschaften schuld – ohne Beschäftigung damit kann man die Klimafrage kaum mit Aussicht auf Erfolg neu stellen.“
Zum Thema Durchsetzbarkeit politischer Themen unter eigentlich eher ‚bewegungsfreier‘ Groß-Kanzlerin meinte Schick: „Wir haben unter der gleichen Kanzlerin wiederholt demoskopisch motivierte Schwenks erlebt, etwa in der Atompolitik und der Flüchtlingsfrage – also hierüber gibt es vielleicht doch eine Chance zur Veränderung.
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Der vierte Teil der Fachtagung stand unter dem Titel „Finanzierung und Implementierung der Transformation“
Ulf Moslehner - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für EÖRProf. Ulf Moslener vom UNEP Collaborating Centre for Climate and Sustainable Energy Finance (wie Silvie Kreibiehl), sprach über „Trends und Herausforderungen in der Finanzierung von Klimaschutz und Anpassung“
In einer „Kurzgeschichte der Klimapolitik” relativierte er zunächst: „Instrumente kommen (und gehen?)“ Beispiele:

  1. Ordnungsrecht (z.B. Emissions-Standards)
  2. Ökonomische Instrumente (z.B. Steuern, Emissionszertifikate)
  3. Investitionsförderung (z.B. EFSI, wachsende Rolle der FöBas)
  4. Finanzmärkte (insbes: Transparenz, sehr streitig: lenkend)

„Je weiter weg von der Emission, desto anspruchsvoller (und wichtiger) ist effizientes Politikdesign“.  Heute gehe es um die „Finanzierung der Transformation“, also Investitionen in den Aufbau neuer Infrastruktur und in den “Abbau” existierender
Infrastruktur.
Markststruktur und Regulierung seien im Wandel, in der Realwirtschaft  beim Strommarkt oder bei Immobilien, im Finanzmarkt bei Banken, Pensionsfonds und Versicherungen. Nachfrageseitig gehe es um Verhaltensweisen, Werte und Präferenzen, Die aber könnten sich ändern.
Hot Topics seien gegenwärtig Strommarktstruktur und Finanzmärkte (Wachstum „grüner Investitionen“, Transparenz „in der Breite“). Wichtige (Forschungs-)Themen seien die Herausforderungen „glaubhafte Politik“, sowie „Deep Uncertainty“.

Glaubhafte Politik erweise sich daran, welche Möglichkeiten die Politik bei Langfristproblemen habe. Zum Beispiel sei ein langfristig steigender CO2-Preis
(oder einfach „Knappheit“) notwendig. Sei dies unsicher, so werden
Investitionen unterbleiben. Glaubhaftigkeit brauche Reputation oder „Verpflichtung“
Optionen zur (selbst) „Verpflichtung“ seien entweder gesetzliche Bindung (langfristige Regulierung), Delegation („Zentralbank für Emissionsrechte“) odser Verbriefung
(über -privatrechtliche- Verträge). Ein Vertrag habe „größere Dauer als politische Mehrheiten“.
Deep Uncertainty: Wie umgehen mit Unsicherheit (Risiko, Ambiguität, Unwissen“)? Gibt es einen „Werkzeugkasten mit Entscheidungskriterien“? Bei Risiko (Erwartungsmaximierung) rational, bei Ambiguität oder gar Unwissen abnehmende Rationalität. Moslehner stellte die These auf: „Transformation ist von Ambiguität (Unwissen) geprägt.“
In seinem Ausblick auf „Finanzierung in der Transformation“ analysierte Moslehner,

  • die  “Klimapolitik” trete „in eine Phase, in welcher der Staat als Akteur UND als Regulator auf dem Finanzmarkt“ auftete. Dabei sei Effizienz sehr wichtig.
  • Notwendig sei dabei ein Wachstum der (integeren) grünen Investitionen UND
    Transparenz in der Breite.
  • Schließlich tat er einen Blick in die Zukunft: Der Umgang mit Unsicherheit erfordere ggf.
    mehr Aufmerksamkeit (Beispiele Politik & Deep Uncertainty).

Als letzte vor der Schlussdiskussion sprach Doris Kramer, Kreditanstalt für Wiederaufbau, über „Green-Bonds – Chancen und Grenzen“Doris Kramer - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für EÖR

Green-Bonds sind Anlagen, von denen der Anlegende vorher weiß, was mit der Investition geschieht. Gut 20 Mrd. sind in Deutschland in Green Bonds investiert, as sei „noch überschaubar“.

  • Klare Angaben zu den Projekten
  • Transparenter Prozess zu Projektauswahl
  • Klare Beschreibung des „Managements of Proceeds“
  • Regelmäßiges öffentlich zugängliches Reporting mit Informationen zum Impact
  • Externes Gutachten als „second opionion“

Motive: Finanzierung grüner Projekte, Gewinnung neuer Investoren, Stärkung des Nachhaltigkeitsprofils, Bewusstseinsschärfung am Kapitalmakt, Setzung neuer Qualitätsstandards, Angebot liquider Green Bonds und Stärkung der Nachfrage danach. Kramers Erwartung: Der Green Bond-Markt wird dynamisch expandieren.
 

Über den Autor:

Gerhard Hofmann

Gerhard Hofmann

Dr. Hofmann war bis 2008 TV-Redakteur, u.a. ARD-Korrespondent Südamerika und Chefreporter SWF, Chefkorrespondent n-tv und RTL. Als Chef der Agentur Zukunft, berät im Bereich der erneuerbaren Energien und Nachhaltigen Entwicklung, u.a. die Desertec Initiative Dii, das IASS Potsdam, acatech und die ...