An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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Erfolgreich, weil jeder mitdenkt

Beim südbadischen Unternehmen „allsafe Jungfalk“ entscheidet nicht der Chef Detlef Lohmann, sondern die Mitarbeiter darüber, ob neue Ersatzteile für Maschinen gebraucht werden, wie die Arbeit verteilt wird oder wann Pause ist; Lohmann hält sich aus dem operativen Geschäft raus. Das Unternehmen für Sicherungssysteme ist trotzdem erfolgreich – oder gerade deshalb. Ob das revolutionäre Geschäftsmodell so die unternehmerische Zukunft repräsentiert, darüber diskutierte das Kritische Quartett um Detlef Lohmann, Innovationsexpertin Prof. Dr. Katharina Hölzle, Prof. Dr. Claus Dierksmeier und Dr. Bernd Villhauer auf der siebten Veranstaltung der Reihe „Klüger Wirtschaften“ am 24. Juli im Tübinger Weltethos-Institut. Zum Thema „Wertschätzung und Wertschöpfung – Erfolg ohne Hierarchie?“, moderiert von Dr. Christopher Gohl, sprachen die Diskutanten auch über Lohmanns Buch „…und mittags geh ich heim“, das 2012 zum Managementbuch des Jahres gekürt wurde.

„Mittags heimgehen kann ein Chef nur, wenn er eine ganze Menge nicht tut. Er muss Vorausetzungen schaffen, dass der Betrieb auch ohne ihn funktioniert“, sagte Instituts-Direktor Prof. Claus Dierksmeier zur Begrüßung der etwa 70 Zuschauer. Lohmann zeige, dass Unternehmen auch dann erfolgreich sein können, wenn Mitarbeiter selbstständig denken dürfen und der Chef sie mit Würde behandelt.

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Prof. Dr. Katharina Hölzle, Inhaberin des Lehrstuhls für Innovationsmanagement und Entrepreneurship an der Universität Potsdam, kommentierte – in der Tradition von „Klüger Wirtschaften“ – zunächst Lohmanns Buch. Sie lobte den „sehr gut lesbaren“ Bericht aufgrund seiner klaren Struktur und verwies auf viele Beispiele aus der Geschäftspraxis von „allsafe Jungfalk“. „Wenn Detlef Lohmanns Unternehmen so ist, wie er es beschreibt, dann ist es für Arbeitnehmer das Paradies“, sagte Prof. Hölzle. Dass das Konzept auf andere Firmen übertragbar sei, sehe sie kritisch. Zum einen sei Lohmanns Unternehmen ein mittelständischer Betrieb in einem Nischenmarkt, der sich mit großen Konzernen nicht vergleichen lasse. Zum anderen seien Prof. Hölzle zufolge nicht alle Arbeitnehmer gewillt, sich selbst zu motivieren. „Solange wir unsere Kinder, Schüler und Studenten nicht dazu erziehen, mehr Verantwortung zu übernehmen, wird ein solches System scheitern“, sagte die Innovationsforscherin.

„Es ist nicht alles perfekt“, verteidigte Detlef Lohmann sein Konzept. Selbstverantwortung sei anstrengender für die Mitarbeiter. Doch gelte in seinem Unternehmen die Regel: „Menschen sind frei und verantwortlich.“ Zwar gäbe es Mitarbeiter, die das nicht aufbringen könnten. In seinem Betrieb jedoch arbeiteten Menschen in Teams, die autarke Entscheidungen träfen und in denen die einzelnen das gerne machten. Er als Chef habe so auf der anderen Seite die Zeit, über langfristige strategische Maßnahmen zu grübeln.

Auf der Suche nach einem neuen Modell der Freiheit

Lohmanns Modell breche mit den gängigen Vorstellungen vom Menschen in den Wirtschaftswissenschaften als einem Wesen, das „von hinten geschoben und von vorne gelockt“ werden müsse, um produktiv zu sein, sagte Prof. Dr. Claus Dierksmeier. Ironischerweise schränke jedoch eine solche Denkweise die Freiheit jedes einzelnen Mitarbeiters ein. Weil Menschen sich mit der Zeit immer weniger trauten, selbständige Entscheidungen zu treffen und unorthodoxe Lösungen auszuprobieren, führe das langfristig zu Unternehmenskrisen. Helfen könne hier nur ein neues Freiheitsverständnis.

„Gesellschaftliche Innovationen kommen auch aus unternehmerischer Praxis“, sagte Dr. Bernd Villhauer. Als einen solchen Ideentreiber betrachtete er auch Lohmanns Unternehmen. Firmen hätten nicht nur die Pflicht, das aufzunehmen, was sich in der Gesellschaft als wünschenswert herausgestellt habe. Vielmehr müssten sie eigens Ideen vorantreiben, die Menschen zugute kämen. Prof. Dr. Hölzle fügte hinzu: „Wir dürfen die Rolle der Firmen aber nicht überbewerten, in der Zivilgesellschaft werden die Grundlagen für ökonomische Innovation geschaffen.“ Fachkräftemangel und eine veränderte Arbeitskultur habe heute schon dazu geführt, dass immer mehr Menschen von ihren Arbeitgebern forderten, Selbstständigkeit und Verantwortung zu übernehmen. Dieser Wunsch könnte in Zukunft von mehr Arbeitnehmern geäußert werden.

Über die Rolle der Unternehmer als Innovatoren, waren sich auch die Zuschauer in der anschließenden Debatte uneins. Firmenchef Lohmann sieht für sich die Sache klar: „Auch wenn ich nicht die gesamte Gesellschaft verändern kann, so versuche ich doch meinen kleinen Teil beizutragen.“