An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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Der einzige Weg für Europa ist Zusammenhalt – Rückblick auf die Diskussion mit Edzard Reuter

Am 16. November war Edzard Reuter, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Daimler Benz AG, wohl zum letzten Mal Mittelpunkt einer öffentlichen Veranstaltung. Dass dafür ausgerechnet das Weltethos-Institut den Ort bieten würde, war nicht nur Zufall, wie er unserem Geschäftsführer Dr. Bernd Villhauer im Gespräch verriet. Denn Reuter engagiert sich leidenschaftlich für die Vision der Vereinten Nationen von Europa und für Zusammenhalt in Vielfalt auf Basis der Werte „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“.

Echter Zusammenhalt ist für den Wirtschaftsstandort und die Gemeinschaft Europas das Allerwichtigste: Davon Edzard Reuter fest überzeugt. Der 94-Jährige war von 1987 bis 1995 Vorstandsvorsitzender der Daimler Benz AG und kennt sich aus in Weltwirtschaft und -politik. Im Gespräch mit Dr. Bernd Villhauer sprach er über die Erkenntnisse, die er in seinem neuen Buch „Der Preis der Freiheit“ zusammenfasst. Es ist ein Fazit seines über 90-jährigen Lebens als politisch und gesellschaftlich engagierter Mensch. Schon als Daimler-Chef habe sich Reuter (immerhin seit 75 Jahren SPD-Mitglied) für eine Wirtschaft eingesetzt, die sich besonders auch um das Wohl von Mitarbeiter:innen, für die Umwelt und die Gesellschaft kümmert.

An diesem Abend im Weltethos-Institut widmete sich Reuter nun den ganz großen globalen Fragen: Die aktuelle Situation in der Ukraine zeuge von einer Dringlichkeit für einen Paradigmenwechsel in der EU, so Reuter: Europa müsse sich endlich zu einem eigenständigen Staatsgebilde wandeln. „Europa kann nur als Gesamtes handeln und nicht jedes Land alleine“, so Reuter. Dabei machen ihm Erstarkungstendenzen rechter Parteien wie beispielsweise zuletzt in Italien Sorge. Er vermisse, so Reuter „visionäre Menschen, die klar und deutlich sagen, wohin der Weg führen soll“. Und die, so Reuter weiter, für europäischen Zusammenhalt plädieren. Er engagiere sich für eine Vision der Vereinten Nationen von Europa – beruhend auf den Werten der Französischen Revolution: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“.

Ein Plädoyer für Weltethos

Dazu gehören für Reuter beispielsweise ein gemeinsames Finanz- und Sozialwesen und eine gemeinsame Armee. „Sonst wird die EU untergehen und in ihre einzelnen Bestandteile zerfallen“, warnte der 90-Jährige. Zusammenzuwachsen bedeute für Deutschland möglicherweise auch auf Wohlstand zu verzichten und Opfer bringen zu müssen. Ein deutlicher Appell seinerseits für Gemeinschaftssinn und gegen Egoismus: „Wir müssen mehr Rücksicht auf die Gemeinschaft nehmen“, so Reuter. Vielfalt – gerade auch auf engem Raum in Europa – könne gerade dabei helfen, ein Vorbild für die Zukunft zu sein. Gerade auch vor dem Hintergrund blutiger Kriege und Konflikte auf dem Kontinent.

Das sei, wie Reuter zugesteht, leichter gesagt als getan. Aber eben auch dringend notwendig.

Fotos: Mira Weiss @Weltethos-Institut