An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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Gemeinsame Forschung mit dem Club of Rome

Am 4. April 2022 kam unsere Weltethos-Forschungsgruppe Finanzen und Wirtschaft und Mitglieder des Club of Rome in der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) zu einer Tagung zusammen. Neben unserem eigenen 10-jährigen Jubiläum begleiteten zwei weitere Jubiläen das Treffen: das 50-jährige Jubiläum des Club of Rome mit „Grenzen des Wachstums“ und das 25-jährige Jubiläum des sogenannten „Frankfurt-Hohenheimer Leitfadens“ (FHL) zur Beurteilung von Nachhaltigkeit. Fokus der Tagung: die Diskussion von Optionen gemeinsamer Forschungsarbeit. Nach einem Rückblick auf bereits erreichte Ziele beider Organisationen wurden Forschungs- und Umsetzungslücken identifiziert, die vor dem Hintergrund drängender ökologischer Herausforderungen zu schließen sind.

Die drei Säulen des Frankfurt-Hohenheimer Leitfadens Sozioökonomie, Umwelt- und Kulturverträglichkeit haben in den vergangenen Jahrzehnten Forschende wie Praktizierende inspiriert: Sie dienen mehr denn je – auch international – als Rahmen zur Gestaltung nachhaltiger und zukunftsfähiger Unternehmen. Die Beurteilung der Nachhaltigkeitsperformance von Unternehmen und Staaten weltweit basiert dabei auf der gemeinsamen Arbeit der ehemaligen Forschungsgruppe ethisch-ökologisches Rating, die den Leitfaden erarbeitete und seit 2018 bei uns am Weltethos-Institut angesiedelt ist. So fußt beispielsweise die Bewertung der Nachhaltigkeit eines Unternehmens der im Mehrheitsbesitz der Deutschen Börse AG befindlichen Institutional Shareholder Services auf dem ethisch-ökologischen Ratingsystem des genannten Leitfadens – damit werden über 8.000 börsengelistete Unternehmen weltweit in ESG-Ratings (Einstufung der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens) eingeordnet. Dabei werden vor allem zwei der drei Säulen evaluiert. Die dritte Säule – die Kulturverträglichkeit – wurde im Rahmen des SevenPillars Sustainability Approach von Dr. Nnoli-Edozien in die Praxis überführt und erfolgreich für drei der größten börsennotierten Unternehmen Afrikas implementiert.

Bei der Tagung wurde deutlich, dass in dem Zusammenhang drei zentrale Punkte in den Fokus zukünftiger Forschung und praktischer Veränderung geraten müssen: Untersucht werden sollen dabei unter anderem:

  • wie dem Finanzsystem wieder ein vordringlich dienender Charakter zukommen kann, anstatt dieses als Supersystem für jegliche Entscheidungen missverstanden zu sehen,
  • wie die Bestimmung des Werts von Kapital einschließlich Finanzkapital planetare Grenzen und Humanität ganzheitlich abbilden kann, um für die Menschheit förderliches Geschäftsgebaren sichtbar und investierbar zu machen
  • und wie Kulturverträglichkeit in der internationalen Unternehmenspraxis implementiert und überprüft werden kann, um Nachhaltigkeit und Resilienz in einer Welt hoher Co-Abhängigkeiten dauerhaft sicherzustellen.

Beide Institutionen – die Forschungsgruppe Finanzen und Wirtschaft am Weltethos-Institut und der Club of Rome – haben beschlossen, diese Themenfelder zukünftig gemeinsam zu bearbeiten. Dr. Ndidi Nnoli-Edozien, Mitglied des Club of Rome Executive Committée und Chairwoman der Weltethos Forschungsgruppe bei ihrem Besuch vor Ort in Würzburg an der FHWS: „Kollaboratives Denken ist ein entscheidendes Werkzeug für den Aufbau eines neuen zukunftsfähigen Geschäftsansatzes. Die weitreichende Bedeutung der dritten FHL-Säule – Kultur – ist vielen Unternehmen bei der Entwicklung zukunftsfähiger Szenarien und der Sicherung ihrer `Social License to operate´ noch nicht klar genug.“ Sie verdeutlichte ihre Ausführungen am aktuellen Beispiel von Krieg und Frieden und führte aus, dass der Wert des Friedens besonders dann sichtbar würde, wenn er verloren scheine oder Krieg vorherrsche. Solange Frieden sichtbar sei, gerate dieser oft unterbewertet in den Hintergrund, obwohl er eine unverzichtbare Grundlage für erfolgreiches Wirtschaften und humanes Leben darstelle.

Der Würzburger Wirtschaftsethiker Prof. Dr. Harald Bolsinger (Gastgeber der Tagung und Vorstandsmitglied der Forschungsgruppe Finanzen und Wirtschaft am Weltethos-Institut) ergänzte: „Eine der wichtigsten Erkenntnisse der heutigen Zeit ist die unbedingte Berücksichtigung der globalen Verbindung aller sozialen, wirtschaftlichen, technologischen, ökologischen, kulturellen und geistlichen Teilbereiche, in die der Mensch gestellt ist. Bei allen Entscheidungen – auch und gerade in Unternehmen!“ Die Welt und darin agierende Unternehmen müssten deshalb als wechselwirkende Netzwerke begriffen, analysiert und geführt werden. „Wer diese Eingebundenheit mit all ihren Facetten ignoriert, wird langfristig keinen Erfolg mehr haben!“

Der Dekan der Fakultät, Professor Dr. Axel Bialek über die Tagung: „Erneut fungierte die Fakultät Wirtschaftswissenschaften als Plattform für hochkarätige internationale Gäste, die sich gemeinsam dem Diskurs über drängende Fragen unserer Zeit widmen!“ Die zweitätige Konferenz als Mischung aus Präsenztreffen und digitalem Austausch bilde die Stärke internationaler Zusammenarbeit an der FHWS ab, „sodass auch ohne zwingende Flugreisen gemeinsame Ergebnisse erarbeitet werden können.“