An-Institut der Stiftung Weltethos
an der Universität Tübingen

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Einer der größten Vordenker unserer Zeit – Wir trauern um Hans Küng. Das Weltethos-Projekt lebt weiter.

Das Weltethos-Institut trauert um seinen Inspirator, den Gründer des Projekts Weltethos, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans Küng. Der Theologe wurde 1928 im schweizerischen Sursee geboren, studierte an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom und schloss seine Dissertation am Institut Catholique in Paris ab. Im Jahr 1954 wurde Hans Küng zum Priester geweiht. 1960 erfolgte ein Ruf als Professor für Fundamentaltheologie an die Katholisch-Theologische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen. Nach Küngs Kritik an dem Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes entzog ihm ihm die katholische Kirche 1979 die kirchliche Lehrerlaubnis. Das Land Baden-Württemberg ermöglichte für ihn daraufhin ab 1980 an der Universität Tübingen eine fakultätsunabhängige Professur für Ökumenische Theologie. Als Direktor des Instituts für ökumenische Forschung der Universität Tübingen vertiefte Küng seine Forschung zu den großen Religionen der Welt.

Im Bewusstsein epochaler planetarischer Herausforderungen warf der Tübinger Theologe mit seinem Buch “Projekt Weltethos” 1990 (1991 auf englisch erschienen als „Global Responsibility: In Search of a New World Ethic“) die Frage nach dem Überleben der Menschheit auf: Wie können wir im 21. Jahrhundert mit unterschiedlichen historischen Erfahrungen, Überzeugungen und Werten friedlich zusammenleben? Küng beantwortete die Frage selbst mit dem Appell, ein planetarisches Bewusstsein zu entwickeln, sich auf die für alle religiösen, philosophischen und moralischen Traditionen prägende Idee der Humanität zu besinnen und die Potenziale der Kooperation zu nutzen, statt sich in einem Konflikt der Kulturen zu verlieren.

Damit begründete er das Projekt Weltethos. Verdichtet in seiner Überzeugung „Kein Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen. Kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen. Kein Dialog zwischen den Religionen ohne Grundlagenforschung in den Religionen“, wurde Küng zum Forscher, Pionier und Praktiker des interreligiösen Dialogs. Seine 2018 affirmierte „Erklärung zum Weltethos“ von 1993 ist bis heute das einende Manifest des Weltparlaments der Religionen. Sie ist zugleich die Grundlage einer Erklärung zu den Menschenpflichten des InterAction Councils früherer Staats- und Regierungschefs von 1997 und des Manifests zum Globalen Wirtschaftsethos von 2009. Küng wirbt für ein planetarisches und menschheitliches Bewusstsein, ermutigt zur Besinnung auf die weltweit bewährten Prinzipien der Menschlichkeit und Gegenseitigkeit in der Goldenen Regel sowie der Werte der Wahrhaftigkeit, Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit und Partnerschaft der Geschlechter und ruft alle Menschen guten Willens zu Dialogfähigkeit auf, um Verantwortung für Mitwelt, Umwelt und Nachwelt zu übernehmen.

Wenige Wochen nach den Anschlägen des 11. September 2001 warb Küng vor der UN-Vollversammlung für seine Vision eines globalen Ethos:

„Die Globalisierung braucht ein globales Ethos, nicht als zusätzliche Last, sondern als Grundlage und Hilfe für die Menschen, für die Zivilgesellschaft. Einige Politologen sagen für das 21. Jahrhundert einen ‚Zusammenprall der Kulturen‘ voraus. Dagegen setzen wir unsere anders geartete Zukunftsvision; nicht einfach ein optimistisches Ideal, sondern eine realistische Hoffnungsvision: Die Religionen und Kulturen der Welt, im Zusammenspiel mit allen Menschen guten Willens, können einen solchen Zusammenprall vermeiden helfen, vorausgesetzt, sie verwirklichen die folgenden Einsichten: Kein Friede unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen. Kein Friede unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen. Kein Dialog zwischen den Religionen ohne globale ethische Standards. Kein Überleben unseres Globus in Frieden und Gerechtigkeit ohne ein neues Paradigma internationaler Beziehungen auf der Grundlage globaler ethischer Standards.“

Hans Küng am 9.11.2001 vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen zum Dialog der Kulturen

Das Weltethos-Projekt lebt weiter

Spätestens angesichts der Klima- und Coronakrise sind Fragen globaler Verantwortung, menschlichen Miteinanders und friedlichen Überlebens zu Themen des Alltags geworden. Mit dem Projekt Weltethos ermöglichte Hans Küng einen Grundkonsens über Werte und Normen, der unabhängig von Kultur, Religion und Nationalität gilt und international renommierte Fürsprecherinnen und Fürsprecher fand: Desmond Tutu, Mary Robinson, Shirin Ebadi, Kofi Annan, Helmut Schmidt, um nur einige zu nennen. Zuletzt bekräftigte im Oktober 2019 Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Notwendigkeit für Weltethos angesichts der globalen Herausforderungen im 21. Jahrhundert. Die Idee des Weltethos sei von unerhörter historischer Dringlichkeit, konstatierte Steinmeier bei der 14. Weltethos-Rede:

„Es steckt darin ein kategorischer Imperativ, der die Menschen guten Willens, der uns alle verpflichtet. Und zwar zur beharrlichen, auch beschwerlichen, zur zielgerichteten, wenn auch oft kleinteiligen Arbeit an Verständigung und Frieden.“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 15. Oktober 2019 in seiner Weltethos-Rede in Tübingen

Die Einladung zur Weltethos-Rede habe er, erklärte der Bundespräsident, „gern, vor allem aber aus Respekt für und Verehrung von Hans Küng angenommen, dem großen Gelehrten, der – obwohl bis heute Schweizer Staatsbürger – über Jahrzehnte hinweg weltweit den Ruf Deutschlands als Ort von Theologie und Universitätsgelehrsamkeit gestärkt hat.“ Die Universität Tübingen, aber auch die deutschen Geisteswissenschaften insgesamt hätten allen Grund, Hans Küng dankbar zu sein.

Genau so empfinden wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Weltethos-Instituts. Als Teil des Projekts Weltethos gilt unsere Hochachtung der großen Lebensleistung von Hans Küng. Und unser tiefes Mitgefühl seinen Angehörigen. Es ist uns eine Ehre und bleibt unser Auftrag, die Ideen und das Engagement Hans Küngs für Werte, Weltverantwortung und Dialog fortzuführen.

Für Rückfragen oder zur Vermittlung von Interview-PartnerInnen steht Ihnen die Öffentlichkeitsbeauftragte der Stiftung Weltethos, Frau Nadja Dornis zur Verfügung.

Copyright Fotos: Erich Sommer; Universität Tübingen – Friedhelm Albrecht; Manfred Grohe; Schwäbisches Tagblatt aus dem Fundus Hans Küngs